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Autoteile wie Butter geschmolzen

Ein neuer Wolkenkratzer, der gerade im Zentrum von London entsteht, hat sich schon vor der Eröffnung „glanzvoll“ in Szene gesetzt: Seine geschwungene Glasfassade bündelte das Sonnenlicht und reflektierte es auf ein Straßenstück in unmittelbarer Nähe. Unglücklicherweise hatte ein Geschäftsmann genau dort seinen Jaguar geparkt.

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Normalerweise sind Parkplätze in der Londoner City Mangelware, umso erfreuter war wohl Martin Lindsay, als er für seinen Jaguar XJ in der Fenchurch Street einen freien Platz gefunden hatte. Doch als er eine Stunde später zu seinem Wagen zurückkehrte, erlebte er eine böse Überraschung. Ein Fotograf stand vor dem völlig verbeulten Wagen und schoss Fotos. „Der Besitzer wird nicht glücklich sein“, wurde der Fotograf von der BBC zitiert. Das war Lindsay auch nicht, als er sein Auto genauer in Augenschein nahm.

Beschädigter Jaguar

EBU

Der ruinierte Seitenspiegel des Jaguar XJ

„Ihr Wagen ist zerbeult“

Der Seitenspiegel sah aus, als wäre er mit einer Lötlampe bearbeitet worden: Der Lack hatte Blasen geworfen, und das Gehäuse war völlig verzogen. Auch Teile des Dachs hatten sich verformt und aufgeworfen, sogar die rückwärtige Sonnenschutzblende war geschmolzen. Hinter dem Scheibenwischer wartete ein Zettel auf den Besitzer. Die Baufirma des Wolkenkratzers hatte eine lapidare Nachricht hinterlassen: „Ihr Wagen ist zerbeult. Bitte rufen Sie uns zurück.“

20 Fenchurch Street Tower in London

Corbis/Pawel Libera

Die geschwungene Fassade des 20 Fenchurch Steet Tower

In einer schriftlichen Stellungnahme der beiden Projektunternehmen des neuen, 200 Millionen Pfund (235 Mio. Euro) teuren Hochhauses in der Fenchurch Street 20 hieß es: „Wir sind uns der Probleme mit der Lichtreflexion in die Fenchurch Street bewusst und kümmern uns darum. Als erste Maßnahme hat die Stadt London zugestimmt, in dem betroffenen Bereich drei Parkplätze zu sperren, bis wir die Situation genauer untersuchen können.“

Baufirmen entschuldigten sich

Lindsay sagte gegenüber der BBC, die Unternehmen hätten sich entschuldigt und bereiterklärt, den Schaden von 946 Pfund (1.100 Euro) zu übernehmen. Doch er hoffe, die Baufirmen würden auch etwas gegen das Problem unternehmen. „Es könnte gefährlich werden. Stellen Sie sich vor, der Lichtstrahl trifft auf die falsche Körperstelle.“

Mittlerweile haben sich auch andere Autobesitzer gemeldet, deren Wagen an dieser Stelle geparkt waren. Der Fahrer einer Klimaanlagenfirma schilderte der britischen Zeitung „Daily Mail“ ähnliche Schäden an seinem Fahrzeug. „Der Van sah völlig zerstört aus. Jedes Stück Plastik auf der linken Fahrzeugseite und alles am Armaturenbrett war völlig geschmolzen.“ Eine Getränkeflasche habe ausgesehen, als wäre sie gebacken worden, so der Fahrer.

Londons „brennender“ Turm

Auch Passanten müssen an sonnigen Nachmittagen ihre Augen gegen das grelle Licht abschirmen, das von der Glasfassade des Hochhauses reflektiert wird. Arbeiter haben den Turm, der wegen seiner Form den Spitznamen „Walkie-Talkie“ bekommen hat, bereits in „Walkie-Scorchie“ (von „to scorch“: anbrennen, ansengen) umgetauft. Das Problem sei jedoch temporär, wie die Bauunternehmen versicherten. Nur an zwei Stunden am Tag an zwei, drei Wochen im Jahr stehe die Sonne in einem Winkel, der zu den gefährlichen Reflexionen führe.

Fensterfolien gegen Spiegelung

Im Grunde könne man diese Probleme rasch beheben, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen mit dem Thema vertrauten Experten. Schon Folien, die an einigen wenigen Fenstern angebracht werden, könnten die Reflexionen verhindern. Dabei sollte sich der uruguayische Architekt Rafael Vinoly, der den „Walkie-Talkie“-Tower entworfen hatte, mit Sonnenständen mittlerweile auskennen. Auch bei dem von ihm gebauten Vdara Hotel in Las Vegas stand man vor ähnlichen Problemen, wie US-Medien vor drei Jahren berichteten.

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