Hochgefährliches Nervengift
Die USA verfügen nach den Worten von Außenminister John Kerry über Beweise, dass bei dem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff bei Damaskus das Giftgas Sarin eingesetzt wurde. An Ort und Stelle gesammelte Haar- und Blutproben „wurden positiv auf Spuren von Sarin getestet“, sagte Kerry am Sonntag den Fernsehsendern NBC und CNN.
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Kerry sprach in diesem Zusammenhang von einer „sehr wichtigen Entwicklung“, von der die Regierung „in den vergangenen 24 Stunden“ Kenntnis erhalten habe. Er betonte, dass die Ergebnisse nicht aus der Untersuchung der UNO-Chemiewaffeninspektoren stammten.
Kleinste Mengen führen zu Herzstillstand
Das Nervengas Sarin zählt zu den giftigsten Kampfstoffen überhaupt. Die Phosphorverbindung wird durch Einatmen und über die Haut aufgenommen. Schon ein Milligramm Sarin kann in Minuten zu Atemlähmung und Herzstillstand führen. Das Institut für Strategische Studien in London geht davon aus, dass Syrien seit den 1970er Jahren große Mengen Chemiewaffen produziert hat, darunter auch Sarin. Sein Arsenal gilt als das größte der Region und das viertgrößte weltweit.
1.000 Tonnen Senfgas und Sarin?
Auch die französische Regierung - vehementester Befürworter für einen Militärschlag - will demnächst als geheim eingestufte Dokumente zum syrischen Chemiewaffenarsenal offenlegen. Das verlautete am Sonntag aus Regierungskreisen in Paris.
Die Zeitung „Journal du Dimanche“ hatte zuvor unter Berufung auf aktuelle französische Geheimdiensterkenntnisse berichtet, dass die syrischen Regierungstruppen über „mehrere hundert Tonnen Senfgas“ und „Sarin-Gas“ verfügten. Insgesamt habe Damaskus mehr als 1.000 Tonnen Chemiewaffen in seinen Lagern. Laut französischen Regierungskreisen sind diese Angaben aus einer Geheimdienst-Mitteilung „zutreffend“. Der Einsatz von Giftgas bei bewaffneten Konflikten gilt nach allen internationalen Konventionen als Kriegsverbrechen.
Kerry: „Präsident hat Autorität, zu handeln“
Kerry forderte den US-Kongress am Sonntag auf, der Regierung grünes Licht für einen Militärschlag gegen die Führung in Damaskus zu geben. Der Außenminister zeigte sich überzeugt, dass das Parlament „dafür stimmt“. Für den Fall, dass der Kongress mit Nein stimmen sollte, sagte Kerry: „Der Präsident hat die Autorität, zu handeln, aber der Kongress wird hier tun, was er tun muss.“
US-Präsident Obama hatte am Samstag bekanntgegeben, dass er den Kongress um Zustimmung für einen Militärschlag bitten werde. Nach einem Bericht des TV-Senders CNN habe sich Obama kurzfristig für einen Kurswechsel entschieden.
FBI nimmt Syrer in den USA ins Visier
Wegen der Aussicht auf einen möglichen Militärschlag werden auch die Sicherheitsvorkehrungen innerhalb der USA erhöht: Wegen der Vorbereitungen auf einen Militärschlag verschärfte die US-Bundespolizei FBI die Überwachung von Syrern in den Vereinigten Staaten. Ermittler würden in den kommenden Tagen Hunderte in den USA lebende Syrer befragen, berichtete die „New York Times“ am Sonntag unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter. Syrer, gegen die schon Ermittlungen liefen, würden noch genauer kontrolliert.
Ban drängt auf rasche Untersuchung von UNO-Proben
Ausständig ist unterdessen der Untersuchungsbericht der UNO-Inspektoren, die am Samstag aus Syrien abreisten. Die Untersuchung der gesammelten Proben soll nach UNO-Angaben am Montag beginnen, sagte ein Sprecher am Sonntag. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon drängte den nach zwölf Tagen in Syrien zurückgekehrten Leiter des Expertenteams, Ake Sellström, in einem Telefongespräch am Sonntagmorgen erneut zur Eile. Die beiden hätten darüber gesprochen, welche Möglichkeiten es zur Beschleunigung des Untersuchungsprozesses gebe, sagte der UNO-Sprecher. Davor hatte es geheißen, dass die Untersuchung bis zu drei Wochen dauern könnte.
Verwirrung über Rafsandschani-Aussage
Verwirrung herrschte am Sonntag über eine angebliche Aussage des iranischen Ex-Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani. Eine halbstaatliche Nachrichtenagentur zitierte Rafsandschani am Nachmittag mit den Worten: „Das (syrische, Anm.) Volk wurde bereits Opfer eines Chemiewaffenangriffs durch seine eigene Regierung, nun muss es auch noch mit einem ausländischen Angriff rechnen.“ Wenig später wurde das Zitat jedoch so geändert, dass nicht länger die Rede vom syrischen Regime war.
Die ursprüngliche Version von Rafsandschanis Aussage wäre ein grober Widerspruch zur Äußerungen ranghoher iranischer Politiker gewesen, die in der Vergangenheit stets die Rebellen für Chemiewaffeneinsätze in Syrien verantwortlich machten. Der Iran gilt als enger Verbündeter Assads. Die vom Iran finanzierte libanesische Hisbollah-Miliz kämpft an der Seite des syrischen Regimes.
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