Strache beklagte grüne „Untergriffe“
Das erste von heuer 15 TV-Duellen hat am Donnerstag mit den wohl am weitesten voneinander entfernten politischen Positionen begonnen: FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache gegen Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Die ging angriffig in die Konfrontation und nutzte ihr erstes Wort in der Debatte, um Strache und der FPÖ die Verantwortung für eine „Ära der Korruption“ zu geben.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Glawischnig verwies dabei auf die schwarz-blaue Regierung und den Verkauf der Kärntner Hypo. Das konterte Strache mit dem Verweis darauf, dass er erst seit 2005 Parteiobmann sei. Damals habe er die FPÖ als verschuldete Kleinstpartei übernommen, und seither sei die Partei „sauber“. Umgekehrt erlebe man „dort, wo die Grünen in der Regierung sind, ... dass man plötzlich nicht mehr an Aufklärung interessiert ist“.

ORF
Glawischnig argumentierte die Korruption in der FPÖ mit einem „Taferl“ wie früher FPÖ/BZÖ-Chef Jörg Haider
„Nicht geschafft, in Ihrer Partei aufzuräumen“
Das Argument, dass Korruption in der FPÖ eine Sache der Vergangenheit ist, ließ Glawischnig nicht gelten und verwies auf die FPK, aber auch die wegen Verhetzung verurteilte FPÖ-Politikerin Susanne Winter, den ehemaligen FPÖ-Werber Gernot Rumpold, der gemeinsam mit Strache eine Firma besessen habe, und andere wegen verschiedener Tatbestände rechtskräftig Verurteilte. Strache habe es nicht geschafft, in seiner Partei aufzuräumen, so Glawischnig.
Strache sah das als „Untergriff“. Er habe mit seinen Vorgängern nichts zu tun, sich von straffälligen Mitgliedern distanziert und beschlossen, „einen geraden Weg zu gehen“. Die Grünen verbreiteten „falsche Bilder“ von der FPÖ und versuchten mit „Denunziationen und Unterstellungen, unsere Positionen bewusst zu verdrehen“. Der FPÖ-Chef stellte seinerseits den Vorwurf in den Raum, die Grünen hätten auf Umwegen Gelder des einstigen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi erhalten, was Glawischnig entschieden dementierte.
Grüne für Strache „Trittbrettfahrer“
Allgemein hielt Glawischnig zum Thema Korruption fest, Steuergeld solle „ausschließlich dorthin gehen, wo es hingehört“. Einmal mehr sagte sie mit Verweis auf Kärnten, die Korruption habe „die Zukunft aufgefressen“, da Geld für soziale und Bildungsagenden fehle. Strache erwiderte unter Verweis auf Themen, bei denen die Grünen während der letzten Legislaturperiode mit der Koalition stimmten, diese seien „Trittbrettfahrer eines rot-schwarzes Lebensverlängerungssystems“.
Vorsichtiger argumentierten beide Parteichefs bei einer Frage von Moderatorin Ingrid Thurnher, wie bei Korruption und Schwarzwirtschaft bei „kleinen Leuten“ zu verfahren sei, die sechs Milliarden Euro pro Jahr koste. Glawischnig bekannte sich dabei generell zu strengen Strafen, Strache machte keine konkrete Aussagen. Stattdessen warf er den Grünen eine „schäbige“ Gesinnung vor, da diese bei der Erhöhung der Politikergehälter mitgestimmt hatten. Glawischnig wandte ein, das habe nur der Berücksichtigung der Inflation gedient.

ORF
Strache setzte erwartungsgemäß auf Migrationsthemen
Wettern gegen „Asylbetrug“
Auf Thurnhers Frage, was Strache von der Ankündigung von Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) halte, dass Österreich 500 syrische Flüchtlinge aufnehmen werde, meinte dieser, es sei „selbstverständlich in Ordnung, Menschen zeitlich befristet aufzunehmen“. Die „hohe Asylbetrugs- und -missbrauchsquote“ nehme jedoch jenen den Platz weg, die ihn bräuchten. 80 Prozent der Asylwerber wollten sich das „hohe Gut“ des Asyls „erschleichen“, was auf „organisierte Kriminalität“ hindeute.
Glawischnig bemühte sich um einen emotionalen Konter auf Straches Verbindung von Kriminalität und Asyl: „Da sind Kinder gefoltert worden im Gefängnis.“ Sie stellte jedoch, auf entsprechende Nachfrage von Thurnher, nicht in Abrede, dass die Grünen beim Thema Asyl inzwischen auch selbst zum Teil härtere Positionen verträten, obwohl „wir immer Mitgefühl mit jedem Menschen haben“ und man auch „Verständnis“ für Migranten habe, die aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen.
Direkte Demokratie nur kurz Thema
Nur kurz wurde, am Beispiel der Aufregung über die neue Fußgängerzone in der Wiener Mariahilfer Straße, das Thema direkte Demokratie gestreift. Die Frage, ob die Grünen dabei über die Bürger „drübergefahren“ seien, wollte Glawischnig nicht direkt beantworten. Man solle die „Kirche im Dorf lassen“, es gebe überall Fußgängerzonen, und jene in der Mariahilfer Straße durchlaufe gerade einen Optimierungsprozess.
Beim Thema Bildung schlug Strache erneut einen Haken zum Ausländerthema und verwies etwa auf Migranten, die zu Hause nicht Deutsch sprächen. Man müsse das Bildungssystem grundlegend „verändern“ und nicht „zwei Jahre unsinnig verlängern“, wie das die Grünen wollten. Es sei die „Ost-Erweiterung“, die Arbeitsplätze wegnehme. Glawischnig nannte zwei konkrete Punkte aus dem grünen Programm: das Schaffen von Arbeitsplätzen für Jugendliche durch Lohnsubventionen und Initiativen, um Schulabbrecher zum Nachholen des Abschlusses zu bewegen.
„Sie sitzen in so an großen Glashaus“
Ein soziales Problem in Österreich sah Strache darin, dass „im untersten Kollektivvertragsbereich Österreicher ihre Familie nicht ernähren“ könnten und auch Pensionisten zu kämpfen hätten. Würde man jedoch den „rot-schwarzen Verwaltungsspeck“ abbauen, könnte man zur Bekämpfung dieses Problems „zwölfeinhalb Milliarden“ freimachen. Daran hätten die Grünen jedoch kein Interesse, da sie Interesse an einer Regierungsbeteiligung hätten.
Glawischnig erwiderte auf Straches Vorwurf mit Verweis auf die schwarz-blaue Regierung: „Sie sitzen in so an großen Glashaus.“ Der Angesprochene erklärte, „der H. C. Strache“ sei damals nicht für die Partei verantwortlich gewesen. Glawischnig wiederum interessierte sich mehr für die Rhetorik als für den Inhalt dieser Aussage: „Warum reden sie eigentlich immer von sich in der dritten Person?“

ORF
Strache und Glawischnig
Die daran anschließende Frage nach möglichen Koalitionen beantworteten beide vage - trotz einer von Thurnher präsentierten Umfrage im Auftrag des ORF, wonach drei Viertel aller Wähler gerne von den Parteien vor der Wahl konkrete Aussagen über mögliche und unmögliche Koalitionspartner hätten. Strache erklärte, er könne mit jeder Partei zusammenarbeiten, die zur Umsetzung von FPÖ-Inhalten bereit sei. Glawischnig schloss nur die FPÖ aus - diese dürfe „man in keiner Form mehr in die Regierung lassen“. Strache schloss mit 17:18 Minuten Redezeit, Glawischnig mit 16:04.
Experten sehen überraschten Strache
In einer Analyse des Gesprächs in der ZIB2 meinte Motivforscherin Sophie Karmasin, es sei „auffällig“ gewesen, dass Glawischnig „die ersten 20 Minuten auf Korruption lenken“ habe können. Überhaupt habe sie klassische grüne Themen nur in „ein, zwei Sätzen“ gestreift. Karmasin attestierte Glawischnigs angriffiger Rhetorik einen „sehr gekonnten Überraschungseffekt, der offenbar auch bei Strache angekommen ist“. Der habe überrascht gewirkt und „gar nicht so, wie man ihn kennt“.
Auch Politikwissenschaftler Peter Filzmaier fand, dass Strache „von der Offensive Glawischnigs überrascht“ gewirkt habe. Die Taktik seiner Distanzierung vom Thema Korruption sei „wenig bis gar nicht aufgegangen“. Glawischnig habe Kärnten da als „offene Flanke“ ausgemacht - „da kann er sich nicht so einfach abgrenzen“. Dass es einem der beiden gelungen sei, Wähler vom anderen abzuwerben, ist für Karmasin freilich trotzdem undenkbar, dienten TV-Duelle ohnehin vor allem der „Mobilisierung der Kernwähler“.
Umfrage sieht Glawischnig als Siegerin
Laut einer IMAS-Blitzumfrage im Auftrag der „Kronen Zeitung“ konnte Glawischnig das Duell für sich entscheiden. Sie sei von den befragten TV-Zusehern als „sympathischer“, „sachlicher“ und „überzeugender“ bewertet worden, hieß es in einer Aussendung Donnerstagabend. Strache habe hingegen „schlagfertiger“ und „redegewandter“ gewirkt. Insgesamt fanden demnach 56 Prozent der Befragten, dass Glawischnig besser abgeschnitten hat, für 28 Prozent ging Strache als Sieger aus der Konfrontation. 16 Prozent der Befragten fanden, das Duell habe keinen klaren Sieger ergeben.
Links: