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Arm und abhängig

Mit dem Export von Amphetaminen hat Nordkorea über Jahrzehnte Devisen ins Land geschafft. Doch nicht nur im Ausland versorgte man Millionen Abhängige mit Nachschub. Auch innerhalb der verarmten Gesellschaft Nordkoreas verbreiteten sich die Suchtmittel rasant - was in Teilen des Landes zu enormen Abhängigkeitsraten führte.

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Aktuell ist es die Modedroge Crystal Meth, die weite Teile der Gesellschaft Nordkoreas im Griff hat. Die Droge gehört zu den am schnellsten zerstörenden Drogen überhaupt: Sie hat eine äußerst aufputschende Wirkung, was allerdings auf lange Sicht zu Lethargie und Depressionen führt. Eine Studie des Nordkorea-Instituts an der Universität Detroit legte kürzlich offen, dass 40 bis 50 Prozent der Menschen im Nordosten des Landes stark abhängig sind. Das Gebiet war jahrelang offiziell Hauptproduktionsstätte für Crystal Meth.

Studie sieht „Drogenepidemie“

Innerhalb der vergangenen zehn Jahre breitete sich „Bingdu“ oder „Ice“, so die Bezeichnungen für die Droge in Nordkorea, rasant aus - alle gesellschaftlichen Schichten sind bis heute betroffen. Die Studie selbst spricht von einer „Drogenepidemie“ und ist ein erster Versuch, sich dem Problem anzunähern: „In der betroffenen Region hat fast jeder Erwachsene bereits Erfahrungen mit Crystal Meth gemacht“, wird ein Mitarbeiter der Studie im „Wall Street Journal“ („WSJ“) zitiert.

Doch die Geschichte beginnt schon vor Jahrzehnten, in den 70er Jahren. Der nordkoreanische Biologe hatte von der Regierung einen klaren Auftrag erhalten: im Dienst der nationalen Devisenbeschaffung Opium zu erzeugen. Riesige Mohnfelder zeugten von der Bedeutung des Wirtschaftszweigs, vor allem in den 90er Jahren boomte das Opiumgeschäft. Doch Anfang des Jahrtausends hatte die Regierung eine weitere Handelsidee: So wurden 2004 im Nordosten des Landes Produktionsstätten für Crystal Meth errichtet, um die Droge zum zweiten Exportschlager nach Opium zu machen.

Produktion ging in privaten Bereich über

Wenige Jahre danach ließ die Diktatur die Produktionsfabriken wieder schließen, die Gründe dafür blieben nach außen hin unklar. Auf einen Schlag gab es viele Ex-Fabriksarbeiter ohne Job - jedoch mit Know-how in Sachen Amphetaminproduktion. Diese Kenntnisse wurden jedoch weiterhin genutzt, viele eröffneten ihr privates Geschäft - im eigenen Keller oder im Hinterhof wurden Drogenlabore errichtet.

Das war der entscheidende Moment: Weite Teile der gesellschaftlichen Elite wurden auf die neue Droge aufmerksam, die Umsätze der privaten Geschäftsleute schnellten in die Höhe. Schnell fand die Droge auch in den niedrigeren Schichten Verbreitung, wiederum begannen viele, Rauschmittel für den Eigenbedarf herzustellen. Der Effekt war verheerend: Um immer niedrigere Preise war die Modedroge zu erstehen, immer einfacher war der Zugang.

Im ganzen Land verbreitet

Mittlerweile gibt es nicht nur im Nordosten des Landes einfachen Zugang, in allen größeren Orten in ganz Nordkorea ist die Droge einfach und billig erhältlich. Aufgrund des akuten Mangels an Geld für den Drogenkauf eröffneten wiederum viele Abhängige ihr eigenes Geschäft - ein Teufelskreis, der schleichend das ganze Land erfasst.

Offizielle Zahlen gibt es keine, skizzieren lässt sich lediglich, welche Gruppe innerhalb welcher Perioden Crystal Meth besonders zugetan war. Zwischen 2004 betraf das vor allem jene, die über mehr Geld verfügten, also Soldaten, Polizisten und Beamte. Zwischen 2007 und 2010 waren es Arbeiter, ab 2009 erfasste die Drogenepidemie Studenten und Jugendliche - eine Entwicklung, die noch immer anhält.

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