Mikl-Leitner für strengere Kontrollen
Die ÖVP positioniert sich - neben den Debatten über das Frauenpensionsalter und flexiblere Arbeitszeiten - auch mit dem Thema Mindestsicherung im Wahlkampf als arbeits- und sozialrechtlich rigide Partei. Innenministerin und ÖAAB-Obfrau Johanna Mikl-Leitner widmete dem „unsozialen“ Langzeitbezug von Mindestsicherung am Dienstag eine eigene Presskonferenz. Vor allem Wien machte sie dabei zum Ziel.
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An der Seite des Sozialrechtlers Wolfgang Mazal nannte Mikl-Leitner dabei vor allem Wien als Zentrum von Missständen. Am Vortag hatte die Armutskonferenz Zahlen vorgelegt, wonach in Wien deutlich öfter Mindestsicherung ausbezahlt werde als anderswo. Auch in Wien bekommen laut der Armutskonferenz jedoch nur 77 Prozent jener Menschen, die Mindestsicherung brauchten, Unterstützung. In allen anderen Bundesländern liegt der Schnitt noch viel weiter darunter.
„Lasche“ Handhabung in Wien
Aus Mikl-Leitners Sicht wird in Wien jedoch zu viel Mindestsicherung ausbezahlt. 60 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher lebten in Wien, und sie bezögen die Hilfe auch viel länger als die Betroffenen in den anderen Bundesländern. Auch würden in Wien viel mehr „Arbeitsfähige“ die Mindestsicherung beziehen als in anderen Ländern, sagte Mikl-Leitner. Ob sie darunter etwa auch pflegende Angehörige, Alleinerziehende und nicht zu vermittelnde Langzeitarbeitslose versteht, ließ sie offen.
In Wien funktioniere die Kontrolle nicht, und die Handhabung sei „lasch“, so die Ministerin. Sie verlangte daher - von Mazal unterstützt - Veränderungen. Konkrete brauche es „eine engmaschige Begleitung“ für die Betroffenen. Diese müssten öfter kontrolliert, beraten beziehungsweise bei der Arbeitssuche unterstützt werden. Die Volkspartei bekenne sich zum Sozialnetz und zur Mindestsicherung. Diese Unterstützung sei aber nur auf Zeit gedacht und nicht dazu da, dass die Menschen vom Sozialstaat abhängig gemacht würden.
„Recht der Steuerzahler“
Die Aussagen der Armutskonferenz, die kritisiert hatte, dass insgesamt rund die Hälfte aller Bedürftigen keine Mindestsicherung bekomme, wurden unterschiedlich kommentiert. Dass es in der anonymen Großstadt mehr Bezieher gebe als auf dem Land, wo man seine Armut nicht verstecken könne, sei keine Überraschung, sagte Mazal. Dass es aber im Vollzug Schikanen seitens der Behörden gebe, sei ihm nicht bekannt. Sollte das der Fall sei, müsse man Missstände aufzeigen.
Eine „engmaschige Kontrolle“ bei der Vergabe der Mindestsicherung sollte aber „nicht als Hürde betrachtet“ werden, so Mazal. Ähnlich äußerte sich Mikl-Leitner. Es sei das gute Recht von Bezugsberechtigten, die Mindestsicherung in Anspruch zu nehmen. Es sei aber auch das Recht der Steuerzahler, dass mit der Sozialhilfe sorgsam umgegangen werde. FPÖ und BZÖ, für die das Thema Mindestsicherung im bisherigen Wahlkampf von nur untergeordneter Bedeutung war, reagierten prompt mit Aussendungen, in denen sie sich um eine Position rechts der ÖVP bemühten.
FPÖ und BZÖ im Themenwettstreit mit ÖVP
Für die FPÖ ist Mikl-Leitners Kritik an der Mindestsicherung „nicht ganz nachvollziehbar“, habe doch die ÖVP selbst diesem „verunglückten Selbstbedienungsladen für Migranten zugestimmt“, so die FPÖ in einer Aussendung, obwohl sich Parteichef Heinz-Christian Strache noch im Juni für eine Erhöhung der Mindestsicherung als familienbezogene Leistung ausgesprochen hatte. BZÖ-Chef Josef Bucher sprach sich dafür aus, die Mindestsicherung gegen ein „leistungsorientiertes Bürgergeld“, für das man Sozialdienste verrichten muss, zu tauschen.
Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar äußerte indes die Vermutung, dass die ÖVP „beleidigt ist, weil die im rot-schwarzen Austausch beschlossene Transparenzdatenbank im Gegensatz zur Mindestsicherung bisher noch nicht umgesetzt wurde“. „Die ÖVP soll nicht beleidigt sein und ein Scheingefecht führen, sondern die Transparenzdatenbank endlich einführen - auch gegen die Blockade ihrer Landesfürsten“, forderte Lugar.
Faymann für Mikl-Leitner „Lügenkanzler“
Die Wiener SPÖ konterte Mikl-Leitner wiederum mit dem Vorwurf, die ÖVP führe einen „Brachialwahlkampf auf Kosten der Ärmsten und Schwächsten“. Dass Mikl-Leitner „das Feindbild vom Sozialschmarotzer an die Wand malt, passt zu den ÖVP-Forderungen nach einer neoliberalen ‚Entfesselung der Wirtschaft‘, dem Zwölfstundenarbeitstag und der Anhebung des Frauenpensionsalters“. Die ÖVP sei von einer christlichsozialen Partei zur „Vertreterin von Spekulanten und Superreichen“ geworden.
Mikl-Leitner hatte zuvor ihrerseits einmal mehr das Frauenpensionsalter und die Flexibilisierung der Arbeitszeit thematisiert. Beim Thema Pensionen gehe es der ÖVP nur um die Angleichung des faktischen an das gesetzliche Pensionsalter. Und bei der Arbeitszeit wolle man ein Zeitwertkonto, das auch für Arbeitnehmer eine „Win-Win-Situation“ sei. Dass dadurch Verschlechterungen für die Arbeitnehmer entstünden, sei Propaganda des „Lügenkanzlers“ Werner Faymann (SPÖ), so Mikl-Leitner.
Hilfsorganisationen kritisieren ÖVP
Unmut über die ÖVP-Töne äußeten am Dienstag einmal mehr Hilfsorganisationen. Volkshilfe-Präsident Josef Weidenholzer sah darin „eine bedenkliche Entwicklung“. Die Bezieher von Mindestsicherung „zu stigmatisieren und sie unter generellen Missbrauchsverdacht zu stellen ist absolut unerträglich für mich. Vor allem angesichts immer neuer Zahlen von Vermögenskumulation bei den Reichsten und Milliarden an Steuerhinterziehung“, so Weidenholzer. Der Wiener Samariterbund findet es „bedauerlich“, dass „auf dem Rücken von Menschen, die weniger als 800 Euro im Monat verdienen, Wahlkampf betrieben wird“.
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