Themenüberblick

„Arbeitsplätze stehen immer ganz oben“

Alpine und dayli - das sind nur die prominentesten Namen auf einer langen Liste von Firmeninsolvenzen der vergangenen Monate. Neben diesen beiden Unternehmen mussten viele regional stark verankerte Kleinbetriebe schließen. Die Zahl der von Insolvenz betroffenen Mitarbeiter schnellte heuer im ersten Halbjahr in die Höhe, obwohl die Anzahl der Firmenpleiten sank. Ein gefundenes Fressen im Wahlkampf.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Es sind vor allem die mittelständischen Betriebe, um die sich offenbar die Sorgen der Parteien drehen: Die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMUs), die immerhin mehr als 99 Prozent aller Unternehmen in Österreich ausmachen, steht in praktisch allen Wahlprogrammen, wenn auch unterschiedlich konkret vertreten. „Unabhängig von Krisenzeiten oder nicht: Die Sicherung von Arbeitsplätzen steht bei den Wahlmotiven immer ganz oben“, sagte die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle von der Fachhochschule Kärnten gegenüber ORF.at.

Die Zwickmühle der Regierungsparteien

Die beiden Regierungsparteien haben dabei einen Spagat zu schaffen: Unzufriedenheiten mit der Entwicklung der persönlichen Lebenssituation oder des Landes allgemein erhöhten die Bereitschaft der Wähler, Oppositions- bzw. Protestparteien zu wählen, so Stainer-Hämmerle. Um dagegen anzukämpfen, müssten die Regierungspartner ihre Ergebnisse in Form „präsentabler Wirtschaftsdaten“ wie niedriger Arbeitslosigkeit gemeinsam als Erfolge ihrer Politik verkaufen.

Im Zuge eines Wahlkampfs ist das freilich schwierig umzusetzen: „Im Wahlkampf geht es vorrangig um Abgrenzung vom politischen Gegner, und der wird anscheinend mehr im Regierungspartner als in der Opposition wahrgenommen.“ Prinzipiell habe es die Kanzlerpartei SPÖ leichter als der Juniorpartner ÖVP, die Erfolge für sich zu verbuchen. Generell stehe man aber vor dem Dilemma, dass politische Parteien die Einflusslosigkeit von nationaler Politik gegenüber einer globalisierten Wirtschaft nicht zugeben dürften.

Ein Rettungspaket, das nicht nötig ist?

Als Reaktion auf die Insolvenzen der jüngsten Zeit hat die Regierung Ende Juni ein Konjunkturpaket geschnürt und in - noch - großer Einigkeit präsentiert. Von Experten erhielten SPÖ und ÖVP dafür wenig befriedigende Noten - die Maßnahmen verdienten den Namen nicht, sagte etwa IHS-Chef Christian Keuschnigg. Es würden damit lediglich neue Ausgabenprioritäten gesetzt. „Gut dass es nicht größer ist, weil es auch nicht nötig ist“, lautete die Quintessenz für WIFO-Leiter Karl Aiginger.

WIFO: Betriebe gut aufgestellt

Für umstritten hält auch der WIFO-Experte Werner Hölzl das Konjunkturpaket. KMUs im Bausegment - wo die Alpine-Pleite seiner Ansicht noch kleinere Vertriebspartner in die Pleite ziehen könnte - würden „direkt“ davon profitieren. Allerdings zeigte er sich im Gespräch mit ORF.at davon überzeugt, dass Österreichs Betriebe gut aufgestellt sind. Eine Häufung von Insolvenzen gebe es nicht und habe es auch in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Vor allem kleinere Betriebe seien von der Wirtschaftskrise und der wenig rosigen Wirtschaftslage der darauffolgenden Jahre eher weniger betroffen, da die Krise in Österreich eine „reine Exportkrise“ gewesen sei.

Wie sehr die Maßnahmen die Konjunktur beflügeln werden, wird sich zeigen - auf das Wählerverhalten wird das jedoch nach Ansicht von Stainer-Hämmerle wenig Einfluss haben: Es werde sich bis zum Wahltag zu wenig auf die Lebenssituation der Wähler auswirken und damit „kaum“ Einfluss auf die Stimmabgabe haben. „Vielmehr müssten die guten Wirtschaftsdaten dies erreichen, aber nicht, wenn sich die Regierungspartner gegenseitig den Erfolg streitig machen.“

„Nicht sonderlich geglückte“ ÖVP-Vorstöße

Die koalitionäre Einigkeit, die man noch bei der Vorstellung des Konjunkturpakets Ende Juni demonstrierte, hatte spätestens ein Ende, als ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter ihre Abwanderungsstudie in den Wahlkampfring warf. Ein „nicht sonderlich geglückter Vorstoß“, wie Stainer-Hämmerle findet.

Die Studie habe den eigenen Wirtschaftsminister und Parteikollegen Reinhold Mitterlehner in seiner Amtsführung beschädigt, weshalb dieser dann auch zurückgerudert habe. Fekter selbst bekräftigte jedoch erst am Mittwoch erneut mit Rückendeckung von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) ihre Aussagen, wonach die Standortpolitik zahlreiche ausländische Investoren abschrecke.

Ähnlich ungeschickt habe man die alte Debatte über einen Zwölfstundenarbeitstag losgetreten und eine nicht ganz klare Linie zum Thema Frauenpensionsalter gezeigt. „Beim Zwölfstundentag hat der ÖVP-Spitzenkandidat Michael Spindelegger seine Aussagen selbst sehr rasch relativiert. Insofern wirkten diese Vorschläge wenig ausgegoren und die Partei sehr uneins. Beides ist Gift in einem Wahlkampf“, so die Politologin. Die SPÖ könne sich dadurch „zurücklehnen und abwarten“. Die Kanzlerpartei betreibe in diesem Bereich eindeutig weniger Themensetting.

„Kleine“ punkten nicht mit Wirtschaftskompetenz

Die Wirtschaftskompetenz könne der ÖVP dennoch nicht abgesprochen werden – „sie bleibt einfach in den Augen der Österreicher dieWirtschaftspartei“. Stainer-Hämmerle sieht auch bei den Oppositionsparteien „keine ernsthaften Versuche“ in diese Richtung. Einzige Ausnahme sei Frank Stronach - dem würde aufgrund seiner Lebensgeschichte zwar Wirtschaftskompetenz zugetraut, im Parteiprogramm spiegle sich das allerdings nicht wider.

„Versuche“ gebe es auch vom BZÖ, das sich als wirtschaftsliberale Alternative sehe. Die Politologin bezweifelt jedoch, ob diese Strategie aufgeht: Da beim BZÖ das Scheitern an der Vierprozenthürde auf dem Weg ins Parlament nicht ausgeschlossen sei, bestehe für den Wähler die Gefahr einer verlorenen Stimme. Sehr ähnlich sieht das Stainer-Hämmerle auch bei der neu antretenden Partei NEOS. Die Partei versuche zwar, sich als „bessere ÖVP“ mit wirtschaftsliberalen Grundsätzen zu positionieren, ob sie damit jedoch die Wahrnehmungsschwelle überschreiten wird, zweifelt die Politologin an.

Petra Fleck, ORF.at

Links: