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Zumindest Nummer eins in Europa

Während börsennotierte Großunternehmen zumindest einmal pro Quartal von sich hören lassen, ist es in der Reihe dahinter eher ruhig. Das mag ein Grund dafür sein, weshalb sehr erfolgreiche Mittelbetriebe außerhalb ihrer Branchenkreise selten ins Rampenlicht rücken. Grund, sich zu verstecken, haben die „Hidden Champions“ allerdings nicht.

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Insgesamt fallen in Österreich fast 200 Unternehmen in diese Kategorie. Ihr Produktspektrum ist denkbar unterschiedlich. Es reicht vom Maschinen- und Anlagenbau über die Herstellung von Bäckereimaschinen bis zur Fertigung von Spezialseilen für Offshore-Bohrinseln und Hafenkräne. Letztere würde man wohl weniger mit „Made in Austria“ in Verbindung bringen als etwa Maschinen für die Produktion von Ski und Snowboards.

Trotzdem: Beide stammen von heimischen Mittleren Unternehmen, die in ihrem Segment international ganz vorne mitspielen. Diese „mittelständischen Exportweltmeister“ waren Ende Juni Thema eines Expertenforums anlässlich des 11. Österreichischen Exporttags der Wirtschaftskammer (WKÖ) in Wien.

121 Weltmarktführer

Georg Jungwirth von der Fachhochschule der Wirtschaft in Graz, der sich im Rahmen eines Forschungsschwerpunkts seit mehreren Jahren mit dem Thema befasst, nannte in seinem Referat drei wesentliche Bedingungen, was eine Firma zum „Hidden Champion“ macht: ein Firmenhauptsitz in Österreich, jährlich nicht mehr als 200 Mio. Euro Umsatz („Mittleres Unternehmen“) und vor allem: Der Betrieb muss in seinem Marktsegment zu den Top Drei weltweit zählen bzw. zumindest europäischer Marktführer sein.

Podiumsgäste Exporttag 2013 Wirtschaftskammer Wien

ORF.at/Georg Krammer

Podiumsdiskussion: „Österreichs mittelständische Exportweltmeister“

Mit Stand Juni erfüllten diese Bedingungen 190 Betriebe, 121 davon seien sogar Weltmarktführer, so Jungwirth. Zählt man auch Großunternehmen wie RHI (Feuerfestprodukte), Wienerberger (Ziegel), Palfinger (Kransysteme) und zahlreiche andere Spezialisten hinzu, erweitere sich der Kreis der Topunternehmen auf 250. Der Wert sei international recht beachtlich.

Große Krisenresistenz

Beachtlich sei auch, wie krisenresistent sich das mittlere Segment der Unternehmenslandschaft während der Turbulenzen der letzten fünf Jahre gezeigt habe. Nicht „dass keiner von denen die Krise gespürt hat“, so Jungwirth. Im Großen und Ganzen hätten sie diese aber gut weggesteckt. Teils lägen die Umsätze heute über denen von vor 2008.

„Hidden Champions“

Der Begriff „Hidden Champion“ geht auf den deutschen Ökonomen Hermann Simon zurück. Er verwendete ihn erstmals 1990 für relativ unbekannte Weltmarktführer.

Das dürfte daran liegen, dass diese Unternehmen ihre Geschäfte mitunter in Ländern machen, in denen es mit der Konjunktur etwas besser aussieht als hierzulande. Der Exportanteil betrage im Durchschnitt 82 Prozent, in Einzelfällen bis zu 99 Prozent. Außerdem agieren die „Hidden Champions“ abseits von Massenmärkten. „Diese Unternehmen sind in Supernischen tätig“, so Jungwirth, „in ganz speziellen, eng fokussierten Nischen“, und hätten dort einen Weltmarktanteil von bis zu 70 Prozent, angesichts dessen sich einige größere Firmen „verstecken“ könnten.

Profitable Familienunternehmen

Ein weiteres Strukturmerkmal: Bei den „Hidden Champions“ handle es sich „fast immer um Familienbetriebe“, so Jungwirth - ein Aspekt, „der strategisch wahrscheinlich nicht unwesentlich ist“. Sie dächten nicht in Quartalszahlen, sondern „in Generationen“ und verfolgten visionäre Ziele. Angesiedelt seien die Betriebe überwiegend in ländlichen Gebieten - im Bundesländervergleich übrigens die meisten in der Steiermark (vor Oberösterreich), die wenigsten im Burgenland. Mit im Schnitt 400 Beschäftigten kommt ihnen auch eine entsprechende Rolle als regionaler Großarbeitgeber zu.

Zumeist seien die betreffenden Unternehmen außerdem „sehr, sehr profitabel“, ihre Eigenkapitalquoten sei recht hoch - was wenig Schulden bedeutet. Das kommt allerdings nicht von ungefähr. Laut Jungwirth steht dahinter ein „Erfolgsrezept“ mit zumindest sieben Zutaten: eine „überlegene“ Produktqualität, überdurchschnittliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung, eine klare Fokussierung, gut ausgebildete Mitarbeiter samt sehr geringer Fluktuation, eine hohe Kundenorientierung, eine frühe Internationalisierung (vielfach gleichzeitig mit der Unternehmensgründung) und schließlich oft auch „charismatische Führungspersönlichkeiten“ mit klaren Zielen, wenngleich auch manchmal „autoritärem“ Führungsstil.

Spezialisierung: Schattenseite oder Chance?

Birgt der hohe Spezialisierungsgrad nicht auch das Risiko von Unbeweglichkeit für den Fall, dass in der bisher profitablen Nische plötzlich Flaute sein sollte? Er frage sich öfters, was vorher gewesen sei, die Nische oder der Spezialist, sagte Jörg Rosegger, Vorstand beim steirischen Maschinen- und Anlagenbauer Binder+Co AG, beim anschließenden Podiumsgespräch. Er glaube auch, dass ein Spezialist Nischen schaffen kann. Als Beispiel nannte Rosegger ein von seinem Unternehmen entwickeltes innovatives Verfahren zur Altglassortierung, das anschließend bei der Industrie durchaus auf Nachfrage gestoßen sei. Man müsse einfach ständig schauen, „wo könnte es da weitergehen“. Binder+Co ist laut eigenen Angaben Weltmarktführer in den Bereichen Siebtechnik und Glasrecycling.

Andreas Fill, Geschäftsführer der oberösterreichischen Fill GmbH, betonte den Aspekt Innovation und die Anpassung an neue Rahmenbedingungen als zentrale Erfolgsfaktoren. Früher sei für den Sondermaschinen- und Anlagenbauer die Skiindustrie eines der zentralen Standbeine gewesen, mittlerweile „sprechen wir hier von drei bis fünf Prozent“. „Da schaut man natürlich, was kann ich mit dem Know-how, das ich im Skibereich gewinne, anderes machen?“ Die Lösung sei ein Transfer in die Bereiche Automotive, Luftfahrt und erneuerbare Energie (Windräder, Anm.) gewesen. Fill, 1966 als Schlosserei gegründet und immer noch ein Familienbetrieb, beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiter.

„Mit offenen Augen durch die Welt“

„Augen offen halten“ lautet ähnlich wie für Binder-Vorstand Rosegger auch das simple Credo für den Geschäftsführer der König Maschinen GmbH, Richard Häusler. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Graz ist auf Maschinen für die Teigverarbeitung spezialisiert. Stammkunden seien das eine, aber wenn man wachsen wolle, müsse man sich auch neue Märkte suchen. Einer ist für König etwa Indien. Dafür brauche es auch keine „ganz große Marktforschung“, man „braucht nur mit offenen Augen durch die Welt gehen“, sehen, was wo nachgefragt und wie produziert wird, „und dann kommen die Ideen“.

Für den Fall, dass es doch einmal eng werden sollte in der eigenen Nische, müsse man „die angrenzenden Gebiete“ anpacken. Für König wären das etwa die Silo- und Frosttechnik. Allerdings seien größere Kursänderungen in der Unternehmensstrategie immer auch „mit sehr viel Innovation verbunden“ und schließlich „einfach eine Frage der Ressourcen“.

„Unabhängige Entscheidungen“

Stichwort Expansion: Die braucht nicht nur Ideen, sondern kostet auch Geld. Damit stellt sich auch für mittelgroße Unternehmen (neben dem Kreditweg) mitunter die Frage „Kapitalmarkt ja oder nein“. Unabhängigkeit von Aktionären bedeute auch, dass man Entscheidungen relativ unabhängig und rasch treffen könne, sagte dazu der Geschäftsführer der auf die Erzeugung von Industrieseilen spezialisierten Teufelberger GmbH mit Sitz in Wels, Roland Konrad. Dasselbe gelte für die langfristige strategische Planung.

Ein Mitbewerber sei genau mit dem Ziel, ihn an die Börse zu bringen, von einem US-Konzern übernommen worden, schilderte Konrad. Der Effekt sei gewesen, dass er plötzlich mit stärkerem Kostensenkungsdruck und einer Ausrichtung auf kurzfristige Erfolge konfrontiert gewesen sei und deshalb „an Profil verloren“ habe. Fazit für Konrad: „Wir sind seit 220 Jahren in Familienbesitz und wollen das auch bleiben.“ Teufelberger wurde 1790 als Hanfseilerei gegründet, heute beschäftigt das Unternehmen an fünf Standorten rund 800 Mitarbeiter und machte 2012 laut eigenen Angaben einen Umsatz von 165 Mio. Euro.

Börse oder nicht Börse?

Für Binder+Co-Vorstand Rosegger - sein Unternehmen ist auf dem Dritten Markt der Wiener Börse gelistet - steht fest: „Wachstum kostet Geld.“ Zukäufe seien nicht ausgeschlossen, der Kapitalmarkt daher eine Option. Über die langfristige Perspektive eines Unternehmens entscheide generell ohnehin nicht die Frage nach dem Börsengang. Wenn der Inhaber - egal ob Familienoberhaupt oder Mehrheitsaktionär - verkaufen wolle, dann tue er das auch.

Fill fühlt sich, wie er sagte, mit dem Modell Familienbetrieb eher wohl. Es gebe immer wieder Anfragen zu Beteiligungen, aber das stehe gar nicht zur Diskussion. Man sei zwar ein prinzipiell innovatives, aber in dieser konkreten Frage ein doch eher konservatives Unternehmen. Es gelte das Motto: „Wir wachsen aus eigener Kraft, das heißt, wir wachsen nur dann, wenn wir uns das leisten können.“

Georg Krammer, ORF.at

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