Mursi spaltet Ägypten
Nach nur einem Jahr im Amt wurde Ägyptens Präsident Mohammed Mursi Anfang Juli vom Militär gestürzt. Das Land ist gespalten: Anhänger und Gegner stehen einander unversöhnlich gegenüber. Ein Überblick über die Geschehnisse:
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24. Juni 2012: Die Wahlkommission erklärt Mursi, den Kandidaten der islamistischen Muslimbruderschaft, zum Sieger der Präsidentenwahl.
29. November: Im Eilverfahren peitscht das von Islamisten dominierte Verfassungskomitee Mursis Entwurf einer neuen Verfassung durch.
25. Jänner 2013: Mindestens 500.000 Ägypter protestieren gegen Mursi.
8. März: Die Wahlkommission beschließt die Verschiebung der für April geplanten Parlamentswahl. Oppositionsgruppen rufen zum Boykott auf.
2. Juni: Das oberste Verfassungsgericht spricht dem von Muslimbrüdern und Salafisten dominierten Oberhaus des Parlaments die Legitimität ab. Auch die von Mursi durchgeboxte Verfassung sei unter nicht gesetzeskonformen Umständen zustande gekommen, heißt es.
30. Juni: Eine Unterschriftenkampagne, mit der Mursi zum Rücktritt gezwungen werden soll, gipfelt in Massenprotesten Hunderttausender. Die Initiatoren von Tamarod (Rebellion) sammeln nach eigenen Angaben über 22 Millionen Unterschriften.
1. Juli: Armeechef und Verteidigungsminister General Abdel Fattah al-Sisi fordert ultimativ: Islamisten und Opposition müssen den Konflikt innerhalb von 48 Stunden lösen.
2. Juli: Mursi will im Amt bleiben. Islamistische Politiker und Geistliche rufen dazu auf, die legitime Führung zu verteidigen. Bei Zusammenstößen gibt es mindestens 22 Tote und Hunderte Verletzte.
3. Juli: Mursi wird vom Militär gestürzt und unter Arrest gestellt. Einen Tag später wird der oberste Verfassungsrichter Adli Mansur Übergangspräsident. Mursi-Anhänger beginnen einen Dauerprotest. In den folgenden Wochen kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen mit dem Militär, viele Menschen sterben. Islamisten und Mursi-Gegner versammeln sich wiederholt zu Massenprotesten auf den Straßen.
5. Juli: Zehntausende Islamisten protestieren gegen Mursis Absetzung. Das Militär feuert auf Demonstranten. Bei Straßenschlachten sterben mindestens 36 Menschen. Mansur löst das Parlament auf.
7. Juli: Religiöse Kräfte verhindern die Ernennung des Friedensnobelpreisträgers Mohammed ElBaradei zum Ministerpräsidenten einer Übergangsregierung.
8. Juli: Bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und dem Militär in Kairo werden mehr als 50 Menschen getötet. Das Militär gibt an, Bewaffnete hätten den Offiziersclub der Republikanischen Garde stürmen wollen. Die Muslimbruderschaft spricht von Angriffen auf friedliche Demonstranten beim Morgengebet.
9. Juli: Die Islamisten lehnen sowohl den neu eingesetzten Chef der Übergangsregierung, Hasem al-Beblawi, als auch den Fahrplan Mansurs für Neuwahlen binnen sechs Monaten ab.
12. Juli: Hunderttausende Mursi-Anhänger demonstrieren in Kairo. Befürchtete Ausschreitungen bleiben aus. Bei Unruhen auch in anderen ägyptischen Städten in den Tagen darauf gibt es wieder Tote.
16. Juli: Die neue Übergangsregierung wird vereidigt. Der von der Armee unterstützte Übergangspräsident Adli Mansur nimmt 33 Ministern den Amtseid ab. Die Kabinettsmitglieder gehören überwiegend dem liberalen Lager an oder werden als Fachleute in die Regierung berufen.
24. Juli: Sisi ruft zu Massendemonstrationen auf. Sie sollen ihm ein Mandat zur „Bekämpfung des Terrors“ geben. Die Muslimbruderschaft mobilisiert umgehend ihre Anhänger.
26./27. Juli: Mursi kommt formell in Untersuchungshaft und wird des Landesverrats beschuldigt. Landesweit demonstrieren Hunderttausende für und gegen den Ex-Präsidenten. Die Mursi-Gegner folgen einem Aufruf der Armee, der Militärführung ein „Mandat zur Bekämpfung des Terrors“ zu geben. Bei den blutigsten Zusammenstößen von Islamisten und Sicherheitskräften seit dem Sturz Mursis sterben in Kairo mindestens 80 Menschen.
30. Juli: Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton trifft Mursi. Über den Inhalt des Gesprächs macht sie keine Angaben.
31. Juli: Das Militär kündigt an, zwei Protestcamps der Mursi-Anhänger in Kairo zu räumen. Beobachter befürchten neues Blutvergießen.
1. August: Ungeachtet der Drohungen des Militärs, ihre Protestcamps aufzulösen, setzen die Anhänger der Muslimbrüder ihren Protest fort.
2. August: Die US-Regierung hat die Entmachtung Mursis durch das Militär überraschend deutlich gutgeheißen. Laut US-Außenminister John Kerry hat die Armee „die Demokratie wiederhergestellt“.
3. August: Die Islamisten lehnen die Forderung der neuen Führung ab, ihre Protestlager in Kairo zu räumen und die Übergangsregierung anzuerkennen. Im Gegenzug ist ihnen die Freilassung aller inhaftierten Muslimbrüder sowie eine Beteiligung ihrer Partei am politischen Prozess angeboten worden. Die Muslimbrüder bestehen darauf, dass Mursi wieder als Präsident eingesetzt wird.
7. August: Ägypten erklärt die Bemühungen internationaler Diplomaten zur Beilegung der Krise im Land für gescheitert. US-Vizeaußenminister William Burns und Spitzendiplomaten der EU haben tagelang versucht, die Lage in Ägypten zu entschärfen.
12. August: Die Untersuchungshaft für Mursi wird um 15 Tage verlängert. Islamisten ziehen in einem Protestmarsch zum Justizgebäude in Kairo.
14. August:: Bei der Auflösung der Pro-Mursi-Protestlager in Kairo kommt es zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Islamisten.
19. August: Die Staatsanwaltschaft leitet gegen Mursi Ermittlungen wegen Verantwortung für die Tötung von Demonstranten im Dezember 2012 ein. Später folgt eine Anklage wegen Beleidigung der Justiz.
23. September: Ein Gericht in Kairo erklärt die Muslimbruderschaft und alle Ableger der Organisation für illegal.
4. Oktober: Muslimbrüder beginnen dreitägige Proteste gegen Mursis Entmachtung, in Ägypten werden dabei mehr als 50 Menschen getötet.
28./29. Oktober: Mursi lehnt eine Woche vor Beginn des Prozesses gegen ihn die Rechtmäßigkeit des Gerichts ab. Einen Tag später platzt ein Prozess gegen die Führungsriege der Muslimbrüder wegen Anstiftung zum Mord. Die Richter erklären sich für befangen.
4. November: In Kairo beginnt der Strafprozess gegen Mursi. Das Verfahren wird nach dem ersten Prozesstag allerdings gleich auf Jänner vertagt.