Extremisten nutzen Situation aus
Der Irak hat mit zunehmenden Feindseligkeiten zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu kämpfen, den gewalttätige Extremisten auf beiden Seiten für sich instrumentalisieren. Knapp zwei Drittel der rund 30 Millionen meist muslimischen Iraker sind Schiiten, gut ein Drittel bekennt sich zur Glaubensrichtung der Sunniten.
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Das Kernland der Schiiten liegt um ihre heiligen Stätten Nadschaf und Kerbela südlich der Hauptstadt Bagdad. Außer im Irak stellen die Schiiten auch im Iran und in Bahrain die Bevölkerungsmehrheit. Eine größere Minderheit lebt in Kuwait. Die Sunniten leben vor allem in Bagdad sowie in den Provinzen westlich und nördlich der Hauptstadt. Auch die meisten der mehr als fünf Millionen Kurden im Norden des Landes sind Sunniten.
Sunniten verloren nach Saddam Hussein an Einfluss
Unter dem Regime des sunnitischen Diktators Saddam Hussein wie auch schon unter dessen Vorgängern wurden Schiiten und Kurden im Irak jahrzehntelang diskriminiert, Proteste wurden mit blutiger Gewalt niedergeschlagen. Nach dem Einmarsch der US-Truppen und ihrer Verbündeten 2003 verloren die sunnitischen Stämme Macht und Einfluss. Jetzt präsentiert sich der formaldemokratische Irak als loses Gefüge aus einer Vielzahl heterogener Obrigkeiten und privatherrschaftlicher Strukturen.
Nur wenige Tage nach dem US-Abzug 2011 entbrannte der Machtkampf zwischen Schiiten und Sunniten aufs Neue. Einige sunnitische Terrorgruppen im Irak kämpfen nicht nur gegen „Ungläubige“, sondern auch und gerade gegen Schiiten, die in ihren Augen „Abweichler“ von der wahren Lehre des Islam sind.
Konkurrierende Machtinteressen in Region
Der interkonfessionelle Konflikt, der sich durch die gesamte irakische Gesellschaft zieht, hat auch den Charakter eines Stellvertreterkriegs konkurrierender Machtinteressen in der Region.
Ein Zusammenbruch des (von der alawitisch-schiitischen Minderheit dominierten) Regimes von Baschar al-Assad in Syrien würde den konservativen sunnitischen Golf-Monarchien und den USA die Chance bieten, einen Verbündeten des schiitischen Iran loszuwerden, dessen Einfluss im Irak stark zugenommen hat. Saudi-Arabien geht es erklärtermaßen darum, den „schiitischen Halbmond“ zu zerschlagen, der sich vom Iran bis in den Libanon und Bahrain erstreckt.
Abspaltung in Frühzeit des Islam
Der eigentliche Konflikt zwischen Sunniten, die historisch die überwiegende Mehrheit der Muslime stellen, und den Schiiten geht jedoch bis in die Frühzeit des Islam zurück.
Der schiitische Islam beruft sich im Gegensatz zum sunnitischen auf Ali ibn Abi Talib, den Schwiegersohn des Propheten Mohammed und vierten Kalifen, als ersten legitimen Erben des Propheten. Die Auseinandersetzung um die Nachfolge Talibs führte bereits im siebenten Jahrhundert zur Abspaltung von den Sunniten.
Rund 300.000 Christen im Land
Über die Zahl der im Irak lebenden Christen existieren keine verlässlichen Angaben, sie stellen eine kleine Minderheit. Schon unter der Gewaltherrschaft Saddam Husseins gab es unter den ältesten christlichen Gemeinden im Orient Massaker und Vertreibungen. Seit der US-Invasion 2003 wurden die Christen zur Zielscheibe islamischer Fanatiker, etwa 2.000 von ihnen sollen ermordet worden sein.
Schätzungen zufolge sind von einst rund 1,5 Millionen Christen weniger als 300.000 im Land geblieben. Sie gehören unter anderem der chaldäisch-katholischen, der assyrischen und der syrisch-orthodoxen Kirche an.