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Neuerungen bei der Wahl liegen im Detail

Die Neuerung bei der Nationalratswahl wirkt wie ein Detail, könnte aber einige Auswirkungen haben, wenn Kandidaten auch auf hinteren Listenplätzen auf Persönlichkeitswahlkampf setzen. Heuer werden nicht nur in Regional- und Landeswahlkreisen Vorzugsstimmen vergeben, sondern auch im Bundeswahlkreis. Das kann Überraschungen bringen - wie auch der Kampf um Direktmandate in bestimmten städtischen Wahlkreisen.

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Österreich ist für die Nationalratswahl in Wahlkreise aufgeteilt: Es gibt einen Bundeswahlkreis, neun mit den Grenzen der Bundesländer identische Landeswahlkreise und 39 Regionalwahlkreise. In Österreich werden grundsätzlich Parteilisten gewählt. Für jeden Regionalwahlkreis gibt es eigene Stimmzettel. Bisher konnte mittels Vorzugsstimmen nur auf die Reihung von Wahlvorschlägen in Regional- und Landeswahlkreisen eingegriffen werden. Bei der kommenden Wahl im Herbst ist es jedoch aufgrund einer Änderung der Nationalratswahlordnung möglich, auch auf Bundesebene Vorzugsstimmen zu vergeben.

183 Mandate

Der Nationalrat wird nach den Wahlgrundsätzen und dem Verhältniswahlrecht gewählt. 183 Mandate (Sitze im Nationalrat) werden vergeben. Es gibt neun Landeswahlkreise (identisch mit den Bundesländern) und 39 Regionalwahlkreise (diese umfassen einen oder mehrere Stimmbezirke - das sind politische Bezirke, Verwaltungsbezirke, Statutarstädte, in Wien Gemeindebezirke).

Künftig muss eine Partei eine Kandidatin bzw. einen Kandidaten vorreihen, wenn sie oder er sieben Prozent der gültigen Stimmen im Bundeswahlkreis bekommt. In Regionalkreisen reichen 14 Prozent der für eine Partei abgegebenen Stimmen, im Landeswahlkreis zehn Prozent, um in der Liste weiter vorzurücken.

Vom Stimmgewicht zum Mandat

In Österreich wird - anders als in Deutschland, wo es bei der Bundestagswahl einen Mix aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht gibt - rein nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Zu den sich daraus ergebenden Ermittlungsebenen Regionalwahlkreis, Landeswahlkreis und Bund gibt es je ein Ermittlungsverfahren.

Im ersten und zweiten Ermittlungsverfahren werden die zu vergebenden Mandate durch das Ermittlungsverfahren nach Hare festgestellt. Im dritten Ermittlungsverfahren, in dem das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren angewendet wird, findet ein bundesweiter proportionaler Ausgleich statt.

Wahlkreise und Mandatare

Für die Aufteilung der Mandate auf die Wahlkreise ist die Zahl der Bürgerinnen, nicht die der Wahlberechtigten ausschlaggebend. Zur Zahl der Staatsbürger mit Hauptwohnsitz in Österreich (laut der letzten Volkszählung) wird die Zahl der Auslandsösterreicher, die in die Wählerevidenz eingetragen waren, hinzugezählt. Die Summe wird durch 183 geteilt. Das ergibt die Verhältniszahl.

Grafik zeigt Wahlkreise in Österreich

ORF.at

Die 39 Wahlkreise und die Zahl der Mandate (Zahlen in den Kreisen), die sie für den Nationalrat stellen

Jeder Landeswahlkreis erhält so viele Mandate, wie die Verhältniszahl in der Zahl der Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Landeswahlkreis (vermehrt um die Zahl der Auslandsösterreicher, die dort in einer Wählerevidenz eingetragen waren). In dieser Weise werden die Mandate dann auch auf die Regionalwahlkreise verteilt.

Vierprozenthürde ist relativ

Zugangsbeschränkung für die Erlangung eines Mandats im Nationalrat ist für jede wahlwerbende Gruppe die Überschreitung einer Vierprozentklausel, sofern die betreffende wahlwerbende Gruppe nicht im ersten Ermittlungsverfahren ein sogenanntes Direktmandat erzielt hat. In einem Wahlkreis müsste man abhängig von der Wahlbeteiligung zwischen 25.000 und 35.000 Stimmen auf sich verbuchen können.

Laut Kalkulationen des Politikwissenschaftlers Marcelo Jenny vom Institut für Staatswissenschaft der Uni Wien wird sich der neue, bundesweit niedrige Schwellenwert bei den Vorzugsstimmen wahrscheinlich kaum für die Umreihung von Kandidaten bei Parteien auswirken.

Wie hätten sich Neuerungen ausgewirkt?

Jenny hat errechnet, wie sich die neuen Hürden bei den letzten sechs Wahlen (also seit der Wahlrechtsreform 1992) ausgewirkt hätten. Ergebnis: Nur ein einziger Kandidat - nämlich der 1994 für die Salzburger ÖVP kandidierende Karl Habsburg - hätte den Einzug ins Parlament geschafft. Habsburg trat auf Platz zehn der Landesliste an und schaffte auch die mit Abstand meisten Vorzugsstimmen im Land (9.102).

Nach heutigen Kriterien hätte er somit ein Direktmandat erhalten, weil ihm mehr als zehn Prozent der damals 77.768 ÖVP-Wähler ihre Stimme gaben. Damals reichte das allerdings nicht aus. Für eine Vorreihung hätte es nämlich 24.390 Vorzugsstimmen gebraucht (womit Habsburg der ÖVP im Alleingang ein ganzes Mandat hätte sichern müssen).

Ebenfalls profitiert hätten vom neuen System Peter Pilz (1999) und August Wöginger (2008), die mit den neuen Regeln jeweils ein Direktmandat errungen hätten. Beide schafften es damals allerdings auch ohne Vorzugsstimmen ins Parlament: Pilz konnte dank des starken Abschneidens der Grünen in Wien im Nationalrat bleiben, Wöginger verfehlte zwar das Regionalmandat, war aber über die oberösterreichische Landesliste „abgesichert“. Jenny glaubt, dass die Neuregelung für „ein bisschen mehr Spannung“ auf den Landeslisten sorgen könnte, weniger allerdings auf den Bundeslisten der Parteien.

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