Fakten, nicht Debatten entscheidend
Es ist wohl kein Zufall, dass das ÖVP-geführte Finanzministerium nur wenige Tage nach einem kritischen Bericht des Rechnungshofes zur umstrittenen Gruppenbesteuerung mit einer eigenen Studie gegenzusteuern versucht. In Zeiten des Wahlkampfs ist daraus binnen Stunden eine lautstarke politische Debatte geworden.
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Die WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller mahnt jedoch im Gespräch mit ORF.at zur Sachlichkeit: Firmen würden natürlich aufgrund von Tatsachen Standortentscheidungen treffen, so die Expertin. Die nun ausgebrochene Steuerdebatte sei natürlich „legitim“. Sie könnte aber zum Problem werden, wenn diese sich zu lang ziehe, warnte die WIFO-Chefvolkswirtin - der selbst die Studie des Finanzministeriums mittags nicht vorlag - indirekt davor, die Steuerfrage zum permanenten Wahlkampfthema zu machen.

APA/Barbara Gindl
WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller
Laut Schratzenstaller wäre eine „ökonometrische Studie“ nötig, um nachweisen zu können, ob und wie stark der Effekt der Gruppenbesteuerung für den Wirtschaftsstandort Österreich ist. Es gebe ja auch zahlreiche andere Faktoren - wie eine gut dotierte Forschungsförderung oder eine günstige Körperschaftssteuer -, die aus Unternehmenssicht für eine Ansiedlung oder den Verbleib in Österreich sprächen, so Schratzenstaller. All diese anderen Einflussfaktoren müssten zuerst herausgerechnet werden, wollte man die Auswirkungen der in der Koalition heftig umstrittenen Gruppenbesteuerung, die 2005 von Schwarz-Blau eingeführt wurde, beziffern.
Manager sehen Steuer positiv
In einer Befragung von Managern, die das WIFO 2008 durchführte, wird die Gruppenbesteuerung als positiver Faktor für die Standorterhaltung aufgeführt. Viel wichtiger sind demnach allerdings die „Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal“ sowie das „Ausbildungsniveau“. Trotzdem geht auch Schratzenstaller davon aus, dass die Gruppenbesteuerung - nicht bezifferbare - positive Effekte hatte.
Die Warnung des Finanzministeriums, die Debatte über die Gruppenbesteuerung könnte zur Abwanderung von internationalen Unternehmen führen, hält Schratzenstaller freilich für übertrieben. Auf die Frage, ob Firmen ihre Entscheidung nicht eher aufgrund von Tatsachen treffen würden, meinte sie: „Ja, sicher.“ Allerdings: Die WIFO-Expertin hält zwar eine politische Debatte über Steuern ausdrücklich für „legitim“, warnt aber zugleich davor, diese allzu sehr in die Länge zu ziehen. Unternehmen würden Verlässlichkeit in der Steuerpolitik schätzen.
Für sachlichen Umgang
Schratzenstaller plädiert - jenseits der wahlkampfgetriebenen Forderung, die Gruppenbesteuerung ganz abzuschaffen - für einen sachlichen Mittelweg. Sie spricht sich dafür aus, die bestehende Regelung zu adaptieren, da die Regelung innerhalb des EU-Binnenmarkts grundsätzlich sinnvoll sei. Schratzenstaller ist jedoch dafür, die derzeit weltweite Gültigkeit regional einzugrenzen. Bereits der Rechnungshof habe ja besonders kritisiert, dass auch Länder, mit denen es kein Doppelbesteuerungsabkommen gebe, in die Gruppenbesteuerung miteinbezogen seien. Hier sei Missbrauch aber kaum kontrollierbar.
Auch sollten die Voraussetzungen, wann ein Unternehmenskongolomerat als Konzern gilt, der die Gruppenbesteuerung in Anspruch nehmen kann, präzisiert werden. Derzeit reiche es dafür de facto aus, einen 50-prozentigen Anteil an einem Unternehmen im Ausland zu haben. Das ist in den Augen Schratzenstallers zu „großzügig“.
Die Einführung der Gruppenbesteuerung war ein wichtiges Projekt von Schwarz-Blau, das von der damaligen Opposition - SPÖ und Grünen - heftig bekämpft wurde. Nun, zu Beginn des Wahlkampfs, findet sich - zumindest auf der Seite der Gegner - wieder die alte Koalition.
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