Fels des Anstoßes am Mittelmeer
Das britische Territorium Gibraltar will keine Kolonie mehr sein. Geht es nach Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo, sollen die Vereinten Nationen (UNO) das Gebiet an der Südküste der Iberischen Halbinsel von ihrer Liste der Kolonien streichen.
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„Das ist unsere oberste Priorität.“ Die Verfassung von 2006 gebe Gibraltar eine ausreichende Autonomie, um eine Streichung von der UNO-Liste zu rechtfertigen. „Wenn die UNO unsere Verfassung nicht für hinreichend hält, soll sie uns sagen, was wir tun sollen.“
Keinesfalls wolle Gibraltar gleichzeitig seine Bindungen an Großbritannien aufgeben. „Die Frage einer Unabhängigkeit stellt sich für uns nicht“, so Picardo weiter. Die Beziehungen zu Großbritannien seien partnerschaftlich und nicht kolonialistisch. Wirtschaftlich hänge Gibraltar nicht vom Vereinigten Königreich ab. „Bis 1988 war das anders. Aber jetzt benötigen wir von Großbritannien keinen Penny mehr.“
Seit 1713 Teil von Großbritannien
Gibraltar ist seit mehr als drei Jahrhunderten ein Zankapfel zwischen London und Madrid. Mit 6,5 Quadratkilometern ist das Gebiet nur etwa so groß wie der Wiener Gemeindebezirk Währing. Im einst strategisch bedeutenden „Klein-Britannien“ am Eingang des Mittelmeeres leben 29.000 Menschen meist spanischer, portugiesischer oder marokkanischer Herkunft. Der Tourismus ist der bedeutendste Wirtschaftssektor - noch vor den Finanzdienstleistungen in dem Steuerparadies.
Der britische Admiral George Rooke hatte den rund 400 Meter hohen Kalkfelsen 1704 im Spanischen Erbfolgekrieg erobert. Im Friedensvertrag von Utrecht wurde Gibraltar 1713 auch offiziell den Briten zugesprochen. Nach dem Vertrag steht Spanien das Recht des ersten Zugriffs zu. Dieses käme zur Anwendung, falls London auf seine Hoheitsrechte verzichtete.
Dem Bourbonen-König Philipp V. (1683 bis 1746, König von Spanien 1700 bis 1746) wird der Satz zugeschrieben: „Wie mit Dornen in den Füßen müssen wir Spanier leben, solange Gibraltar zu England gehört.“ Madrid erneuerte im Laufe der Zeit immer wieder seinen Anspruch auf Gibraltar, das 1830 britische Kronkolonie wurde.
Klares Votum bei Referendum
Als London der Besitzung 1969 eine Verfassung mit Autonomierechten gab, antwortete Spaniens Diktator Francisco Franco (Regierungszeit 1939 bis 1975) mit einer Blockade, die erst 1982 gelockert wurde. Spanien hat seine Ansprüche auf das Territorium allerdings bis zum heutigen Tag nicht aufgegeben. Bei einem Referendum im Jahr 2002 stimmten 99 Prozent der Bewohner für einen Verbleib bei Großbritannien. Heute gilt das britische Überseegebiet als Teil der Europäischen Union, hat aber gewisse Sonderrechte.
„Säule des Herakles“
Im Altertum galt Gibraltar als eine der „Säulen des Herakles“. 711 wurde Gibraltar von den muslimischen Arabern und Berbern eingenommen. Der Name Gibraltar stammt aus dem Arabischen - Jebel al-Tariq („Berg des Tarik“) -, nach dem maurischen Feldherrn Tariq ibn Ziyad. Die Muslime beherrschten Gibraltar mit einer kurzen Unterbrechung bis zur Wiedereroberung der iberischen Halbinsel durch christliche Mächte (Reconquista) 1492.
Die berühmtesten Bewohner der Kronkolonie am Eingang des Mittelmeeres dürften die dort freilebenden Affen sein. Nach der Legende bleibt Gibraltar so lange britisch, wie sich die Kolonie der Makaken auf dem Felsen hält.
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