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Urteil in letzter Instanz

Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi ist am Donnerstag wegen Steuerbetrugs im Mediaset-Prozess rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Das Kassationsgericht in Rom bestätigte somit die Strafe, die das Mailänder Gericht in zwei Instanzen gefällt hatte. Es ist die erste definitive Verurteilung für ihn nach vielen Prozessen.

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Ins Gefängnis muss Berlusconi aber nicht. Drei der vier Jahre, zu denen er in zweiter Instanz verurteilt worden ist, würden ihm aus Altersgründen nach einem Gesetz von 2006 erlassen. Den Rest könnte er in Sozialstunden ableisten - oder auch im Hausarrest in einer seiner Villen absitzen.

Das zweitinstanzlich gefällte fünfjährige Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden, gab das Kassationsgericht an die Berufungsinstanz zur Neuverhandlung zurück. Dieses Ämterverbot sollte reduziert werden, hatte selbst die Anklagevertretung vor dem Gericht betont. Hätte es Bestand, würde Berlusconi seinen Sitz im Senat verlieren.

„Ich bin ein Opfer“

Berlusconi verteidigt sich in einer von den italienischen TV-Kanälen gesendeten Videobotschaft vor dem Vorwurf des Steuerbetrugs und richtete eine heftige Attacke gegen die Justizbehörden. „Ich bin Opfer einer Justizverfolgung ohnegleichen weltweit“, betonte der erschöpft wirkende Berlusconi, der mehrmals gegen die Tränen kämpfen musste.

Sein 20-jähriger Einsatz für Italien sei mit einer Verurteilung zu einer schweren Haftstrafen belohnt worden, protestierte der 76-Jährige. „So belohnt Italien die Opfer und das Engagement seiner besten Bürger“, sagte Berlusconi. Er kündigte die Neugründung seiner Mitte-rechts-Partei Volk der Freiheit an. Er werde die Gruppierung wieder Forza Italia nennen - der Name der politischen Kraft, mit der er 1993 in die Politik eingestiegen war.

Unterstützer demonstrierten

Berlusconi hatte in seiner römischen Residenz auf das Urteil gewartet. Die Straße vor Berlusconis Palazzo Grazioli im Herzen Roms wurde vom Verkehr gesperrt, was zu einem Chaos in der Innenstadt führte. Vor Palazzo Grazioli demonstrierten einige Berlusconi-Anhängern. Mit Berlusconi warteten seine Kinder Marina und Piersilvio, sein Bruder Paolo, Lebensgefährtin Francesca Pascale und seine Starrechtsanwälte Nicolo Ghedini und Franco Coppi auf die Urteilsverkündung.

Ermittlungen seit 2001

Berlusconi war im Mai in zweiter Instanz zu vier Jahren Haft und einem fünfjährigen Verbot öffentlicher Ämter verurteilt worden. In der vorherigen Instanz hatten die Gerichte im Oktober 2012 geurteilt, Berlusconi habe mit einem System „massivsten Steuerbetrugs“ die Kosten für TV-Rechte um Hunderte Millionen Euro in die Höhe getrieben. Insgesamt hat sich das Mediaset-Verfahren bisher über etwa zwölf Jahre hingezogen, im Jahr 2001 hatten die Ermittlungen begonnen.

Berlusconis Konzern soll in den 90er Jahren mit Hilfe von Briefkastenfirmen die Preise für Übertragungsrechte von Filmen künstlich in die Höhe getrieben haben. Durch solche Machenschaften soll Berlusconi laut den Staatsanwälten Schwarzgelder im Ausland angelegt und die Gewinne für Mediaset in Italien gesenkt haben, um weniger Steuern bezahlen zu müssen.

Verteidiger forderten Freispruch

Am Mittwoch hatten Berlusconis Verteidiger vor dem Kassationsgericht in Rom einen Freispruch auf ganzer Linie gefordert. Ihr Mandant habe sich strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen. Staatsanwalt Antonello Mura hatte zuvor verlangt, die Haftstrafe für Berlusconi zu bestätigen, das Verbot öffentlicher Ämter für den Mitte-rechts-Politiker aber auf drei Jahre zu verringern. Berlusconi sei der „planende Kopf“ in einem systematischen Steuerbetrug gewesen.

Gemischte Gefühle im Berlusconi-Lager

Das Urteil des Kassationsgerichts löste gemischte Gefühle in Berlusconis Lager aus. Vertrauensleute des Medienzaren bezeichneten Berlusconi als Opfer einer Justizverfolgung, sie zeigten sich jedoch erleichtert, dass das Ämterverbot vorerst annulliert worden sei. Berlusconis eigene rechtsorientierte Tageszeitung „Il Giornale“ wird am Freitag mit einem Trauerflor erscheinen.

Die drei Verteidiger Berlusconis, Franco Coppi, Nicolo Ghedini und Piero Longo erklärten sich wegen des Urteils „erschüttert“. Sie kündigten in einer Presseaussendung Rechtsschritte auch auf europäischer Ebene an, damit das Urteil widerrufen werde.

Berlusconi hatte zuvor beteuert, zur großen Regierungskoalition mit der sozialdemokratischen PD (Demokratische Partei) zu stehen. Er will seiner Partei PdL (Volk der Freiheit) nach der Sommerpause neue Impulse geben. Ministerpräsident Enrico Letta, erst seit wenigen Monaten im Amt, hat mehrfach betont, er sehe keine Auswirkungen auf seine Regierung, sollte Berlusconi verurteilt werden.

Gegner fordern Konsequenzen

Letta rief zu Verantwortungsbewusstsein und Respekt für die Justiz auf. „Für das Wohl des Landes ist es notwendig, dass das Interesse Italiens über vereinzelte Interessen überwiegen“, sagte Letta in einer Presseaussendung.

Der Chef von Lettas PD-Partei, Guglielmo Epifani, verlangte, dass Berlusconi die Haftstrafe absitze. Die oppositionelle Linkspartei SEL betonte, dass die PD nicht mehr Verbündeter einer Partei sein könne, dessen Führer rechtskräftig verurteilt worden sei. Dieser Ansicht ist auch der Ex-Staatsanwalt und Mitte-links-Politiker Antonio di Pietro, der als erster im Jahr 1994 Ermittlungen gegen Berlusconi wegen Steuerhinterziehung aufgenommen hatte. „Ein Steuerbetrüger darf Italien im Parlament nicht vertreten“, so Di Pietro.

Grillo: „Wie Fall der Berliner Mauer“

Staatschef Giorgio Napolitano rief indes die politischen Kräfte zu Respekt für die Justizbeschlüsse auf. Niemand dürfe die in der Verfassung verankerte Autonomie des Justizsystems infrage stellen, meinte Napolitano. Er bezog sich somit indirekt auf Proteste aus Berlusconis Mitte-rechts-Lager wegen der Verurteilung des Medienzaren.

Der Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung, Beppe Grillo, verglich Berlusconis Verurteilung mit dem Fall der Berliner Mauer. „Die Berliner Mauer hat Deutschland 28 Jahre lang geteilt. Berlusconi hat 20 Jahre lang die italienische Politik vergiftet und lahmgelegt, um sich der Justiz zu entziehen. Eine italienische Mauer hat uns von der Demokratie getrennt, doch diese Mauer ist jetzt eingestürzt“, so Grillo. Er führt die drittstärkste Partei im italienischen Parlament.

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