Begraben ohne Kleidung und Schmuck
Gräber, die beim Bau einer Umfahrungsstraße nahe der polnischen Stadt Gliwice ans Tageslicht gekommen sind, erstaunen selbst Archäologen. Die Wissenschaftler legten rund ein Dutzend Skelette frei, bei denen der Kopf zwischen den Beinen platziert war - eine typische Bestattungsform für mutmaßliche Vampire.
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Die Toten lagen ausgestreckt auf dem Rücken, die Arme eng neben dem Körper - nur der Kopf war nicht dort, wo er hingehört. Der wurde zwischen den Oberschenkeln platziert und zusätzlich mit großen Steinen beschwert. Diese Art der Bestattung wurde im Europa des 15. Jahrhunderts bei Menschen angewandt, die man des Vampirismus verdächtigte. Gerade in Polen herrschte zu dieser Zeit ein starker Glaube an übersinnliche Blutsauger, wie die britische Zeitung „The Telegraph“ berichtete.

APA/EPA/Andrzej Grygiel
Der Kopf liegt zwischen den Beinen
Maßnahmen gegen die Rückkehr der Untoten
Um es den vermeintlichen Vampiren unmöglich zu machen, wieder zu den Lebenden zurückzukehren, wurden sie oft geköpft oder so lange gehängt, bis sich der Kopf vom Körper löste. Der Kopf wurde dann möglichst weit vom Hals entfernt in das Grab gelegt, um es den „Vampiren“ unmöglich zu machen, ihn zu finden. Manchmal wurden die Leichname mit dem Gesicht nach unten oder mit einem Pfahl durch die Brust bestattet.

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Wissenschaftler untersuchen die Gräber genau
Chefarchäologe Jacek Pierzak von der Denkmalschutzbehörde in Katowice warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. „Es ist sehr schwer zu sagen, wann diese Menschen bestattet wurden“, sagte er gegenüber der polnischen Zeitung „Dziennik Zachodni“. Vor allem das völlige Fehlen von Artefakten wie Kleidungsstücken, Gürteln, Schmuckstücken oder Schuhen mache es den Archäologen vorerst schwer, eine verlässliche Schätzung abzugeben. Sie dürften jedoch aus dem 15. oder 16. Jahrhundert stammen, genauere Analysen sind noch ausständig.
Indizien für ein Vampirbegräbnis
Mittlerweile wurden 13 derartige Skelette gefunden, und mit jeder neuen Entdeckung steigt in Polen die Aufregung über den „Friedhof der Vampire“, wie die deutsche Nachrichtenagentur dpa berichtete. Mittlerweile bestätigen auch die Wissenschaftler, dass hier unübliche Praktiken angewandt worden sind. Pierzaks Kollege Lukasz Obtulowicz sieht durchaus Indizien für ein Vampirbegräbnis, etwa in den Steinen, mit denen die Schädel beschwert worden waren. „Das alles diente dem Schutz vor der Rückkehr der Vampire ins Leben“, sagte er in einem Fernsehinterview.

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Ein deplatzierter Kopf macht noch keinen Vampir
Unter den Slawen gab es zu jener Zeit einen starken Glauben an Vampire. Wobei es sich dabei nicht um blasse Aristokraten in unheimlichen Schlössern handelte, wie es der Vampirklassiker von Bram Stoker nahelegt, sondern meist um Menschen, die heidnische Bräuche pflegten. Personen, die Nahrungsmittel für die Toten auf Gräber legten, gerieten rasch in den Generalverdacht, mit den Toten im Bunde zu sein und wurden grausam hingerichtet.
Hussiten oder Verbrecher
Eine andere Erklärung wäre, dass es sich bei den Toten um Opfer der Hussitenkriege handelte. Zwischen 1419 und 1439 tobten erbitterte Schlachten zwischen Anhängern des Reformators Jan Hus und Katholiken. Die Kämpfe beschränkten sich eigentlich auf böhmisch-mährisches Gebiet - doch 1425 erreichten die Kampfhandlungen auch Schlesien. Und noch eine mögliche Lösung haben die Archäologen parat. In unmittelbarer Nähe der Gräber war früher eine Henkersstätte - das würde auch die anderen 43 Gräber erklären, die gefunden wurden.
„Für die Wissenschaft wäre ein so großer Friedhof von Gehenkten eine Sensation“, versicherte Pierzak der Zeitung „Dziennik Zachodni“. Auch wenn der Archäologe weiß, dass die Zeitungsleser auf Sensationen über kopflose Untote hoffen. Angesichts der großen Zahl von Toten hoffen die Wissenschaftler auf nähere Erkenntnisse etwa durch Gerichtsakten oder Kirchenbücher mit Berichten über Hinrichtungen. Anthropologen werden in der nächsten Zeit die Skelette genauer untersuchen. Sie erhoffen sich Informationen über das ungefähre Alter und mögliche Verletzungen vor dem Tod.
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