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Die neue WU im Architekturparcours

Das Kürzel WU bedeutet in der Bundeshauptstadt zweierlei: Autokennzeichen für Bewohner gewisser Randgemeinden um Wien und Wirtschaftsuniversität. Dass man an der WU einmal das Fach Welthandel studieren konnte, ist schon eine Weile her - eigentlich so lange, dass man für die Suche nach diesem Studium den letzten WU-Standort neben den Gleisen des Franz-Josefs-Bahnhofs fast überspringen könnte.

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Ab Herbst zieht die einstige „k. u. k. Exportakademie“ mit Anfangsstandort in Wien Döbling - wo man noch heute das historische Unigebäude als „die alte Welthandel“ bezeichnet - nun an den Welthandelsplatz 1 in 1020 Wien. Auf das ehemalige Messe- und frühere Weltausstellungsgelände im Wiener Prater hat sich die Messe Wien auf die vorderen Liegenschaften an der Ausstellungsstraße konzentriert - und dahinter ein gut 90.000 Quadratmeter großes Areal für den neuen Unicampus freigemacht.

Eindrücke vom neuen WU-Campus

ORF.at/Roland Winkler

Die neue WU als Campus ist in Departments gegliedert. Jedes Department soll als Gebäude auch eine eigene Einheit in sich sein.

Zahlen und Fakten der WU neu

  • 492 Mio. Euro Gesamtkosten
  • 150.000 Kubikmeter Beton
  • 100.000 Quadratmeter Nutzfläche
  • 90.000 Quadratmeter Grundstücksfläche
  • 55.000 Quadratmeter öffentliche Freifläche
  • 25.000 Studierende
  • 3.000 Arbeitsplätze für Studierende
  • 1.500 Mitarbeiter
  • 90 Hörsäle und Seminarräume

Ein neuer Ort für über 25.000 Menschen

Gut 25.000 Studenten hat die WU in Wien heute. Und denkt man an den letzten Umzug der WU im Jahr 1982 von der „alten Welthandel“ an den Spiegelglasstandort Spittelau, dann werden vor allem Erinnerungen an jahrelange Raumnöte wach.

1982 baute man ein neues Gebäude für 9.000 Studierende und hatte zum Zeitpunkt des Umzugs um gut 500 zu viel (in den 1990er Jahren übersprang man schließlich bereits die 20.000er-Grenze). Jetzt, wo man an den neuen Standort mit dem Herzstück eines Bibliotheks- und Studienzentrums von Stararchitektin Zaha Hadid zieht, ist erneut Raunen zu vernehmen, wonach die „neue WU schon jetzt zu klein“ (so eine Headline) sei.

Eindrücke vom neuen WU-Campus

ORF.at/Roland Winkler

Herzstück des WU-Campus: Das Library & Learning Center von Zaha Hadid mit großem Lesesaal auf dem Dach

Begutachtung für den neuen Campus

Am Dienstag gaben Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zusammen mit der Universitätsführung und der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) den Unicampus zumindest einmal für die öffentliche Begutachtung in Form eines Pressetermins frei.

Die tatsächliche Nutzungsüberprüfung wird der Herbst bringen, nachdem der Umzug Mitte August beginnt - und bekanntlich ist ja „the proof of the pudding in the eating“. Bisher konnte man die neue WU entweder über ein Onlinevideo begutachten oder vom Rand der Baustelle den Baufortschritt nachvollziehen.

Eindrücke vom neuen WU-Campus

ORF.at/Roland Winkler

Großzügiger Innenraum: Blick ins Innere der zentralen Bibliothek

Ein Campus und seine Departments

Organisiert ist die neue WU, zumindest in baulicher Hinsicht, nicht in Instituts-, sondern in Departmenteinheiten. Jedes dieser Departments hat nicht nur eine ganz eigene architektonische Identität, sondern wird auch komplett eigenständig mit eigenem Eingangsbereich zu betreten sein. Verschiedene internationale Architekturbüros haben an dieser Department-Sprache mitgewirkt: Architekten aus Österreich wie BUSarchitektur ebenso wie etwa das spanische No.mad-Büro, das ja bisher schon in Österreich mit zwei größeren Projekten in Wien (Schule) und Salzburg (Gefängnis) von sich Reden gemacht hat.

Eindrücke vom neuen WU-Campus

ORF.at/Roland Winkler

Markantes Entree zum Campus: Die Executive Academy von No.mad

Herz- und Herzeigestück des Campus ist das Library & Learning Center vom Architekturbüro Zaha Hadid mit dem nach Süden ausgerichteten Lesesaal, der über die markante Raum-Dach-Konstruktion allgemeiner Orientierungspunkt für den neuen Campus sein soll. Rund um diesen eindrucksvollen Bau gruppiert sich eine Reihe von fünf Gebäudekomplexen: vier große Departments, die Grundfunktionen wie eine Mensa ebenso miteinschließen wie etwa die sogenannte Executive Academy.

Eindrücke vom neuen WU-Campus

ORF.at/Roland Winkler

Der österreichische Architekturbeitrag auf dem Campus: Department 1 von BUSarchitektur

Das Departmentcenter 1 (D1) samt Hörsaalzentrum stammt vom Büro BUSarchitektur, das D2 samt Students Center wurde vom Atelier Hitoshi Abe entworfen. D3 mit Verwaltung stammt von CRABstudio, D4 wiederum vom Estudio Carme Pinos. Die Executive Academy wurde von No.mad Arquitectos aus Madrid geplant.

Eindrücke vom neuen WU-Campus

ORF.at/Roland Winkler

Markantes Gelb im Südwesten des Campus: Das Department D3 von CRABstudio

Eigenwillige Formen, große Unterschiede

Die Gebäude, die einem allgemeinen Nutzungsplan folgen, sprechen alle eine sehr eigene Sprache. Ein Hauch von Blauer Lagune internationaler Architektur weht über den Campus, sehen sich die Gebäude in ästhetischer Hinsicht alles andere als ähnlich. Das ist aber gewollt. Denn eigentlich soll der Campus so wirken, als sei er organisch gewachsen und nicht wie ein Brasilia der Forschung auf dem Reißbrett entstanden. Für den Prater in Wien heißt das, dass sich mit der Eröffnung des neuen Universitätsgeländes die letzte große Baulücke zwischen alter Messe und Freudenau schließt.

Umzugskartons ab Mitte August gepackt

Ab Mitte August beginnen dann die etwa 1.500 Mitarbeiter der WU mit der Übersiedelung, wie die Vizerektorin für Infrastruktur, Regina Prehofer, am Dienstag vor der Presse erklärte. Die Dimensionen dieses Umzugs sind jedenfalls beachtlich: So müssen etwa 26.000 Umzugskartons vom aktuellen Standort in Wien-Alsergrund auf den neuen Campus verfrachtet werden.

In die Bibliothek im von Zaha Hadid geplanten zentralen Library and Learning Center (LLC) werden 22.000 Laufmeter Bücher geliefert werden. Schon allein das bedeutet jede Menge Fahrten, da ein Lkw etwa 100 Laufmeter pro Transport schafft. Für die Gestaltung der Innenräume werden etwa 42.000 Möbelstücke gebraucht, so Prehofer.

Bei der Planung des von der BIG und der WU gemeinsam umgesetzten Großprojekts habe man laut der Vizerektorin darauf geachtet, „Berührungspunkte“ zwischen Studium, Forschung und Öffentlichkeit zu schaffen. So sind etwa 55.000 der 100.000 Quadratmeter umfassenden Gesamtnutzfläche für die Öffentlichkeit zugänglich.

Töchterle verweist auf mehrere Unineubauten

Für Wissenschaftsminister Töchterle ist die WU „das Paradebeispiel in einer glänzenden Kette“ aus neu errichteten Universitätsgebäuden. Seit 2007 wurden und werden Bauprojekte im Umfang von 1,55 Mrd. Euro im universitären Bereich umgesetzt, hieß es. Früher habe man in dem Bereich „auf Zuruf gebaut“, jetzt folge man einem übergeordneten Plan, so Töchterle, der etwa das LLC „als Pilgerstätte für Architekturstudenten aus der ganzen Welt“ bezeichnete.

Für Wirtschaftsminister Mitterlehner ist die Umsetzung des neuen WU-Campus ein Beweis dafür, „dass man auch Großprojekte im Kosten- und Zeitrahmen abschließen kann“. Solche Projekte hätten auch nicht unerheblichen Einfluss auf die Konjunkturentwicklung, so habe das Industriewissenschaftliche Institut einen wirtschaftlichen Gesamteffekt von etwas über einer Milliarde Euro errechnet, wie Mitterlehner erklärte.

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