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Liberale und Experten in Regierung

Gut eineinhalb Wochen nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi kommt die Bildung einer Übergangsregierung in Ägypten voran. Der geschäftsführende Ministerpräsident Hasem al-Beblawi besetzte am Wochenende mehrere Schlüsselressorts. Vor allem die Wahl des neuen Finanzministers kam überraschend - dürfte aber als klares Signal an die USA zu verstehen sein.

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Beblawi steht vor der schwierigen Aufgabe, ein Kabinett zu bilden, das die liberalen Kräfte zufriedenstellt, ohne gleichzeitig islamistische Kräfte zu brüskieren, die mit dem Sturz Mursis kaltgestellt wurden. Die meisten Ressorts sollen an Technokraten und Liberale gehen, unter anderem auch das von Beblawi zuvor geführte Finanzministerium. Ihm soll künftig der liberale Ökonom Ahmed Galal vorstehen, dessen Nominierung überraschend kam.

Noch am Wochenende war von einem anderen Kandidaten die Rede gewesen. Ägyptische Medien hatten berichtet, der Posten sei dem Christen Hani Kadri angeboten worden. Kadri hatte die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Hilfskredite geführt. Warum Kadri nicht zum Zug kam, war zunächst unklar.

Guter Draht nach Washington

Mit Galal hat sich Beblawi für einen Finanzminister entschieden, der sehr gute Kontakte zu den USA hat. Galal studierte an der Universität Boston, arbeitete 18 Jahre lang bei der Weltbank, bevor er 2007 die Leitung des Wirtschaftforschungszentrums in Kairo übernahm. Der studierte Ökonom ist der sechste Finanzminister in weniger als drei Jahren, und auch er steht in Ägypten vor der schier unlösbaren Aufgabe, das Land wirtschaftlich wieder zu stabilisieren.

Und noch ein Mann mit guten Verbindungen in die Vereinigten Staaten wurde am Wochenende in die neue ägyptische Regierung geholt. Nabil Fahmi, ehemaliger ägyptischer Botschafter in Washington, übernimmt die Leitung des Außenministeriums. Fahmi arbeitet seit 1974 in unterschiedlichen Funktionen für die ägyptische Regierung und lebte von 1999 bis 2008 in den USA, wo er für den ehemaligen Machthaber Hosni Mubarak das gute Verhältnis zum Weißen Haus pflegte. Zudem legte der Nobelpreisträger und liberale Politiker Mohamed ElBaradei den Amtseid als Vizepräsident für internationale Beziehungen ab.

US-Vizeaußenminister auf Besuch

Das Signal an die USA ist klar. Beblawi hofft, dass seine neue Regierung so rasch wie möglich den Segen von Washington erhält. Noch immer haben sich die USA nicht dazu geäußert, wie sie den politischen Umsturz bewerten. Würde dieser als Putsch gebrandmarkt, müsste automatisch auch die Militärhilfe Washingtons für Ägypten ausgesetzt werden. US-Vizeaußenminister William Burns wird am Montag zu einem dreitägigen Besuch in Kairo erwartet. Er ist der erste hochrangige US-Regierungsvertreter, der seit der Entmachtung Mursis nach Kairo reist.

Beblawi äußerte die Hoffnung, bis Dienstag oder Mittwoch die ganze Regierung fix zu haben. Als seine Prioritäten nannte er die Wiederherstellung der Sicherheit, die Sicherung der Grundversorgung und die Vorbereitung von Parlaments- und Präsidentenwahlen. Dabei setzt er auch auf bewährte Gefolgsleute. So bleibt Armeechef und Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi, der nach der Absetzung Mursis durch die Armee als neuer starker Mann des Landes erscheint, im Amt. Innenminister bleibt Mohammed Ibrahim.

Sisi äußerte sich am Sonntag erstmals zum Eingreifen der Armee. Das sei notwendig gewesen, da der Präsident nicht länger auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen konnte, so Sisi in einer Ansprache vor Offizieren. Er habe Mursi mehrfach zu einem Referendum über seinen Verbleib an der Staatsspitze geraten, doch die „Reaktion war die völlige Zurückweisung“. Sisi versicherte, der politische Prozess sei derzeit offen für alle Gruppen.

Kritik am Umgang mit Mursi

Unterdessen ruft der Umgang der neuen ägyptischen Führung mit Mursi und seinen Anhängern zunehmend Kritik im Ausland hervor. Kanzlerin Merkel verlangte die Freilassung des inhaftierten Ex-Präsidenten. Auch die USA hatten die Festnahme von Mursi und Mitgliedern der Muslimbruderschaft kritisiert. EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton äußerte sich am Sonntag „tief besorgt“ über die angespannte Lage in Ägypten. Sie rief die Übergangsregierung dazu auf, alle politischen Häftlinge freizulassen, und forderte rasche Neuwahlen.

Die ägyptische Justiz ließ am Wochenende zudem die Guthaben von 14 hochrangigen islamistischen Verantwortlichen einfrieren. Von der Maßnahme sei auch der Chef der Muslimbruderschaft, Mohammed Badie, betroffen, wurde am Sonntag von Vertretern der Justiz in Kairo mitgeteilt. Anhänger der Islamisten kündigten an, am Montag erneut für die Wiedereinsetzung des ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes zu demonstrieren.

Verhöre zu Gefängnisausbruch

Mursi befindet sich seit seinem Sturz nach Angaben der Armee „zu seinem eigenen Schutz an einem sicheren Ort“. Dort wurde er nach Angaben aus Justizkreisen zu einem Gefängnisausbruch im Jahr 2011 verhört. Bei den Verhören ging es um den Massenausbruch aus dem Wadi-Natrun-Gefängnis im Jänner 2011, wie AFP aus Justizkreisen erfuhr. Mursi und mehrere Funktionäre der Muslimbrüder sollen während des Aufstands gegen den damaligen Präsidenten Mubarak aus der Haftanstalt geflohen sein.

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