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Kapitän sieht sich als Sündenbock

Der Prozess gegen den Kapitän des im Jänner des Vorjahres verunglückten Kreuzfahrtschiffs „Costa Concordia“ ist zum Auftakt wegen eines landesweiten Anwaltsstreiks umgehend vertagt worden. Das Gericht im italienischen Grosseto legte am Dienstag als neuen Verhandlungstermin den 17. Juli fest.

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Kapitän Francesco Schettino ist wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung, Verursachung von Umweltschäden und Verlassens eines Schiffes in Seenot angeklagt. Schettino hatte zu dem Termin am Dienstag das zu einem Gerichtssaal umfunktionierte Theater durch den Medieneingang betreten und konnte sich nur mühsam seinen Weg durch die ihn belagernden Journalisten bahnen.

Im Gespräch mit der Tageszeitung „Il Messaggero“ hatte der 52-Jährige zuvor den Medienrummel rund um das Verfahren beklagt. „Das ist nicht irgendein Dorffest, das ist ein Prozess. Menschen starben, und ein Mann will versuchen, sich zu erklären“, sagte Schettino. Er zeigte sich überzeugt, dass die „Wahrheit ans Licht“ kommen werde.

Kapitän verließ das havarierte Schiff

Die „Costa Concordia“ hatte am 13. Jänner 2012 bei einem riskanten abendlichen Showmanöver einen Felsen gerammt und war nur wenige Meter vor der Toskana-Insel Giglio in Schieflage geraten. Bei dem Unglück starben 32 Menschen. Schettino hatte das havarierte Schiff verlassen und war trotz mehrfacher Aufforderung der Hafenbehörde nicht an Bord zurückgekehrt, während die meisten Passagiere noch festsaßen.

Costa-Concordia-Kapitän Francesco mit seienm Verteidiger Domenico Pepe

APA/AP/Alessandro La Rocca

Kapitän Francesco Schettino (rechts sein Verteidiger Domenico Pepe) weist Vorwürfe von Fahrlässigkeit zurück

Vergleich und freiwilliges Millionenbußgeld

Möglicherweise muss sich Schettino als einziger der insgesamt sechs Angeklagten vor Gericht rechtfertigen, da die Staatsanwaltschaft bei den übrigen fünf zu einem Vergleichsverfahren bereit ist. Der Inhaber des Schiffes, die Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere, hatte sich in einem Vergleich bereits zur Zahlung von einer Million Euro Bußgeld verpflichtet und entgeht so einem Strafprozess. Für die Opfer, die nicht verletzt wurden oder Angehörige verloren, wurde eine pauschale Entschädigung von 11.000 Euro ausgehandelt, die die meisten von ihnen auch akzeptierten.

Schettinos Anwälte wollen in dem Verfahren zeigen, „dass es keinen einzelnen Verantwortlichen“ gibt, sie geben vor allem der Führung von Costa Crociere eine Mitschuld an dem Unglück. Auch einige Anwälte der Nebenkläger sagen, Schettino müsse als Sündenbock herhalten. Für das Mammutverfahren gegen Schettino, von italienischen Medien als „Kapitän Feigling“ tituliert, sind mehr als 400 Zeugen geladen, es gibt 250 Nebenkläger. Der Prozess wird Monate dauern.

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