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Paradies für Pinguine, Piper und Co.

Es ist die zweite Phase der wohl weltgrößten Nagetierausrottungsaktion: 200 Tonnen Giftpellets sind in aufwändiger Arbeit über der rattengeplagten Insel Südgeorgien abgeworfen worden. Wissenschaftler rund um den Uniprofessor Tony Martin hoffen damit, die vielfältige Vogelpopulation zu schützen, deren größter Feind die Nagetiere sind.

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Seit 2011 wird versucht, die massive Ratten- und Mäusepopulation auf der entlegenen Insel im Südatlantik auszurotten. Die Nager wurden in den vergangenen 200 Jahren von Seefahrern und Robbenfängern eingeschleppt. Seither haben sie sich auf eine Millionenpopulation vermehrt und stellen eine große Bedrohung für die vielen bodenbrütenden Vögel auf der Insel dar, indem sie deren Eier und Küken fressen. Selbst haben sie auf der Insel keine natürlichen Feinde. Einige der Vogelarten stehen dadurch bereits kurz vor dem Verschwinden.

1.000 Flüge im ständigen Kampf gegen Wetter

Bekämpft werden die Nager aus der Luft. Anders könne man dem Problem auf einer Fläche von mehreren hundert Quadratkilometern nicht begegnen, erklären die Forscher. Als größter Feind für das „Team Rat“ stellte sich das widrige Wetter heraus. Eisige Winde und Schnee machten Hubschrauberflüge an vielen Tagen unmöglich, wie Martin gegenüber dem britischen „Independent“ erzählte.

Königspinguine in Südgeorgien

Corbis/Imageshop

Südgeorgien ist Heimat und Brutstätte von rund 400.000 Königspinguinen

In mehr als 1.000 Flügen in 600 Flugstunden wurden Giftpellets auf einer Fläche von etwa 580 Quadratkilometer ausgestreut. Etwa 70 Prozent der Arbeit sei damit erledigt, so Martin. Der Finalschlag soll dann im Jahr 2015 erfolgen. „Wenn wir 99,9 Prozent der Ratten töten, sind wir gescheitert“, sagt Martin in einem Interview mit dem „Spiegel“. Mehr als zehn Jahre soll es bis nach dem letzten Giftabwurf 2015 noch dauern, bis die Insel komplett frei von Ratten ist.

Gletscher und eisige Winde

Südgeorgien umfasst auf einer Länge von 160 Kilometern und einer Breite von 30 Kilometern mehr als 160 Gletscher. Die höchste Erhebung auf der Insel ist der Mount Paget mit 2.934 m. Das Klima ist - vor allem an der Südwestküste, die den Westwinden ausgesetzt ist - stürmisch und unwirtlich.

Das britische Überseegebiet ist durchzogen von mehr als 160 Gletschern. Diese ziehen sich immer weiter in das Landesinnere zurück - und lassen an den gletscherfreien Randzonen der zerklüfteten Insel mehr Platz für die invasive Spezies. Das Gift, das nun ausgestreut wurde, wird, so hoffen die 25 Wissenschaftler, von den Vögeln nicht gefressen.

Bedrohte Artenvielfalt

Die Insel gilt als Paradies für Meeresvögel. Die Zahl der dort brütenden Pinguin-, Albatros-, Sturmvogel- und anderen Meeresvogelpaare wird auf über 30 Millionen geschätzt. Für Königspinguine gilt die Insel etwa als eines der wichtigsten Brutgebiete überhaupt, geschätzte 400.000 Tiere dieser Art leben dort. Insgesamt sind 31 Vogelarten als Brutvögel auf Südgeorgien verzeichnet. Davon ist eine Art ein echter Landvogel, nämlich der Riesenpieper. Die restlichen 30 Arten sind Wasser- und Meeresvögel.

Turbulente Strömungen sichern Nahrungsgrundlage

Die Tiere finden in den umliegenden Gewässern einen enormen Nährstoffreichtum und damit eine für sie üppige Lebensgrundlage. Grund dafür ist die sogenannte antarktische Konvergenz - eine rund 50 Kilometer breite Zone nördlich der Insel, in der kaltes, nordwärts fließendes Oberflächenwasser der Antarktis auf südwärts fließendes, wärmeres Oberflächenwasser aus dem Norden trifft. Durch die entstehenden Turbulenzen wird nährstoffreiches Tiefenwasser an die Meeresoberfläche gespült.

Kirche in Südgeorgien

Corbis/Minden Pictures/Konrad Wothe

Neben Forschern sind die einzigen ständig auf der Insel wohnenden Einwohner ein Marineoffizier und seine Familie

„Schaden wiedergutmachen“

Als unethisch empfinde es Martin nicht, eine Spezies zur Erhaltung einer anderen auszulöschen. Die Ratten würden sich auf alle Inseln in der Umgebung ausbreiten und damit ganze Vogelarten ausrotten. „Ich bin zutiefst der Ansicht, dass Menschen den Schaden wiedergutmachen müssen, den sie angerichtet haben“, so Martin.

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