Morales: „Bin ja kein Krimineller“
Der erzwungene Zwischenstopp von Boliviens Präsident Evo Morales auf dem Flughafen Wien-Schwechat hat für Aufregung gesorgt. Nachdem die Maschine wegen des Verdachts, der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden sei an Bord, zu einer Zwischenlandung in Österreich gezwungen worden war, gab Österreich das Okay für die Weiterreise. Doch Spanien beharrte zunächst auf einem „Kontrollblick“.
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Der unbegründete Verdacht, dass Morales den flüchtigen Snowden in seinem Flugzeug von Moskau nach Bolivien schmuggeln wollte, zwang den Präsidenten und seine Entourage zu einem nächtlichen Stopp in Wien. Ursprünglich hätte am Vormittag die Reise fortgesetzt werden sollen, doch Morales berichtete, dass ihn der spanische Botschafter in Wien getroffen und ihm vorgeschlagen habe, „einen Kaffee“ mit ihm in der Präsidentenmaschine zu trinken.
Madrid genehmigt Überflug
Madrid habe als Voraussetzung für eine Überfluggenehmigung eine Inspektion von Morales’ Maschine verlangt. Der bolivianische Präsident betonte, er habe dem Vorschlag des spanischen Botschafters nicht zustimmen können, da das eine Verletzung des Völkerrechts bedeuten würde. „Ich bin ja kein Krimineller“, fügte Morales hinzu.
Von österreichischer Seite seien alle Voraussetzungen für einen Weiterflug gegeben, erklärte Bundespräsident Heinz Fischer auf dem Wiener Flughafen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Wenig später hat auch Madrid wieder den Luftraum freigegeben. Morales dürfe das Land überfliegen und auch einen Zwischenstopp auf der Kanaren-Insel Gran Canaria zum Auftanken einlegen, teilte das spanische Außenministerium mit. Gegen 11.30 Uhr hob die Maschine von Wien aus ab.

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Morales und Bundespräsident Heinz Fischer bei der Pressekonferenz auf dem Flughafen
Grenzbeamte waren im Flugzeug
Zunächst herrschte Verwirrung darüber, ob die Maschine kontrolliert worden sei oder nicht. Zunächst hieß es aus dem Innenministerium, Morales’ Flugzeug sei nicht durchsucht worden, später erklärte der Sprecher von Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), Alexander Schallenberg, österreichische Grenzbeamte hätten eine „Freiwillige Nachschau“ vorgenommen.
In Absprache mit dem Piloten und mit Zustimmung von Morales hätte die Flughafenpolizei in Schwechat die Maschine des Präsidenten kontrolliert und „Nachschau gehalten“, allerdings hätten sich die insgesamt elf Insassen - fünf Crewmitglieder und sechs Fluggäste - zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an Bord befunden, bestätigte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Man habe keinen Hinweis auf den US-Informanten Snowden gefunden.
Gerücht stoppte Heimflug
Auslöser für den unbeabsichtigten Wien-Besuch war die Verweigerung von Überflugsrechten mehrerer Länder. Frankreich habe der Maschine „in letzter Minute“ das Überflugsrecht verweigert, erklärte Verteidigungsminister Ruben Saavedra Mittwochfrüh bei einer Pressekonferenz auf dem Flughafen. Das sei „eine große Überraschung“ gewesen, denn eigentlich habe man vor dem Abflug aus Russland über „alle notwendigen Genehmigungen“ verfügt. Morales selbst erklärte, er habe so etwas „bisher noch nicht erlebt“.
Morales über „Geiselhaft“ empört
Vor Journalisten machte Morales seiner Entrüstung Luft. Er sei „in Geiselhaft“ genommen worden, die für seine Festhaltung in Wien verantwortlichen Länder hätten einen „historischen Fehler“ begangen, so Morales. Er verstehe nicht, warum das gemacht worden sei. Das Gerücht, NSA-Informant Edward Snowden habe sich an Bord seiner Maschine befunden, wies er erneut kategorisch zurück. Die USA hätten Geheimagenten auf der ganzen Welt und hätten leicht herausfinden können, ob dieses Gerücht wahr sei.

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Morales verbrachte die Nacht auf dem Flughafen Wien
Dass er in Wien festgehalten worden sei, sei lediglich ein Vorwand gewesen, um Länder wie Bolivien einzuschüchtern. Es habe sich um eine Provokation gehandelt, nicht nur gegenüber ihm, sondern gegenüber ganz Lateinamerika und allen Ländern der Welt, die sich nicht den USA unterordnen wollten. Gegenüber Österreich sprach Morales seinen ausdrücklichen Dank aus, er sei hier exzellent behandelt worden.
Laut Boliviens Außenminister David Choquehuanca in La Paz hätten Portugal, Italien, Frankreich und Spanien der Maschine die Überflugsgenehmigung verweigert. Alle Länder hoben am frühen Mittwoch das Überflugsverbot wieder auf. Den Zwischenfall ausgelöst habe der unbegründete Verdacht, dass Morales den flüchtigen Snowden an Bord genommen habe. „Wir wissen nicht, wer diese Lüge erfunden hat“, erklärte Choquehuanca dem staatlichen Rundfunksender Patria Nueva. Der bolivianische Chefdiplomat verlangte von Frankreich und Portugal Erklärungen für ihre Haltung.
„Keine Angst vor USA“
Dass die Maschine trotz dieser Gerüchte in Wien landen durfte, ist für Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) der Beweis dafür, dass Österreich keine Angst vor den USA habe. Im Ö1-Morgenjournal-Interview erklärte Mikl-Leitner: „Sie sehen, Österreich hat seinen Luftraum nicht gesperrt, sondern die Maschine durfte selbstverständlich landen, obwohl andere Staaten offensichtlich Sorge und Angst hatten.“ Was wäre passiert, wenn Snowden tatsächlich an Bord der Morales-Maschine gewesen wäre? Identifizierung und Erstgespräch mit der Asylbehörde und die Einleitung eines Asylverfahrens, erläuterte Mikl-Leitner - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Südamerikanische Staaten empört
Die ungeplante Zwischenlandung löste auch bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und beim südamerikanischen Staatenbund UNASUR Entrüstung aus. Sie forderten eine Erklärung der europäischen Staaten. „Nichts kann eine Handlung solcher Respektlosigkeit gegen das höchste Amt eines Landes rechtfertigen“, erklärte OAS-Generalsekretär Jose Miguel Insulza in Washington. Alle involvierten Staaten müssten eine Erklärung zu den Gründen dieser Maßnahme abgeben, die das Leben des Präsidenten eines OAS-Mitglieds gefährdet habe, erklärte Insulza.
Ecuadors Staatschef Rafael Correa und seine argentinische Kollegin Cristina Fernandez de Kirchner forderten die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung der UNASUR, um gegen das Überflugsverbot des bolivianischen Präsidentenflugzeugs über mehrere europäische Staaten Protest einzulegen.
Asylanträge in 21 Ländern
Snowden hält sich seit Tagen im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo auf. Er kann ihn ohne russisches Visum nicht verlassen, nachdem die USA seinen Pass für ungültig erklärt hatten. Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter hat nach Angaben der Enthüllungsplattform WikiLeaks in insgesamt 21 Ländern Asyl beantragt - darunter auch in Österreich. Doch es hagelt reihenweise Absagen für den NSA-Aufdecker, den in den Ansuchen offen geäußerten Ängsten zum Trotz.
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