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Forderungen koordinieren

Frankreichs Staatschef Francois Hollande hat im Umgang mit den Abhöraktionen der USA eine geschlossene Haltung der europäischen Staaten gefordert. „Es ist notwendig, dass Europa eine koordinierte, gemeinsame Position hat in der Frage, welche Forderungen wir stellen und welche Erklärungen wir einfordern müssen“, sagte Hollande am Dienstag in Paris.

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Mit Blick auf Angaben der Enthüllungsplattform WikiLeaks, wonach der US-Geheimdienstenthüller Edward Snowden auch in Frankreich Asyl sucht, sagte Hollande, es sei noch kein entsprechender Antrag des IT-Experten in Paris eingegangen. Auch ein Sprecher des französischen Außenministeriums sagte, es liege bisher „kein offizieller Antrag“ vor. Laut WikiLeaks bemüht sich Snowdon, der die geheimen Abhöraktivitäten des US-Geheimdiensts NSA enthüllt hatte, in rund 20 Staaten um Asyl, darunter auch in Deutschland.

Barroso „sehr beunruhigt“

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso hat Berichte über US-Spionageangriffe auf europäische Institutionen als „sehr beunruhigend“ bezeichnet. „Wir wollen Transparenz und Klarheit von unseren Alliierten und das erwarten wir auch von den amerikanischen Partnern“, sagte Barroso am Dienstag im Europaparlament in Straßburg. Der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, zeigte sich „wirklich besorgt“ bezüglich der Berichte.

Beide Spitzenpolitiker versicherten, dass die EU umgehend bei den USA um eine vollständige Aufklärung der Vorwürfe ersucht habe. Barroso sagte, dass EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in dieser Sache auch persönlich mit US-Außenminister John Kerry gesprochen habe. „Wenn sich diese Nachrichten als richtig erweisen sollten, wäre das sehr beunruhigend und schwerwiegend“, sagte Barroso.

Empörung im EU-Parlament

Das Europaparlament will noch diese Woche eine Resolution verabschieden. EU-Abgeordnete hatten sich bereits am Wochenende empört über die Berichte zu US-Spionage gezeigt.

Parlamentspräsident Martin Schulz sprach am Montagnachmittag bei der Eröffnung der Plenarsitzung in Straßburg von einem „sehr schweren Schlag für die Beziehungen zwischen der EU und den USA“. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, sagte der APA, dass diese Angelegenheit auch die geplanten Freihandelsgespräche mit den USA belaste. „Natürlich sind die Verhandlungen erschwert, weil das Vertrauensverhältnis nicht da ist“, schloss er ein Einfrieren der Gespräche explizit nicht aus.

Spindelegger warnt vor „tiefem Riss“

Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) lud den US-Botschafter William Eacho vor und forderte eine rasche Aufklärung der in den Medien erhobenen Vorwürfe. Sollten sich US-Spionagevorwürfe, wie sie gegenwärtig für zahlreiche EU-Staaten bestehen, auch für Österreich bestätigen, hätte das einen tiefen Riss in den Beziehungen zwischen den USA und Österreich zur Folge, sagte Spindelegger am Montagabend im ZIB2-Interview. Er gehe jedoch davon aus, „dass die USA sagen werden, das stimmt nicht“, so Spindelegger. Etwas anderes könne er sich gar nicht vorstellen.

Antwort „binnen Tagen“ erwartet

Eacho habe ihm bei dem Treffen konkrete Antworten auf die bereits vor drei Wochen von Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) überreichten 16 Fragen zur US-Abhöraffäre zugesichert. Er erwarte sich nun „möglichst rasch, binnen Tagen“ eine Antwort und Klarheit darüber, ob US-Abhöraktionen in Österreich tatsächlich ausgeschlossen werden können. „Damit wir nicht wieder überrascht werden von irgendwelchen Enthüllungen,“ so der Außenminister.

Auch dass die Vorwürfe, die USA hätten gezielt EU-Einrichtungen in Brüssel, Washington und New York ausspioniert, geklärt werden müssten, habe er dem US-Botschafter gesagt. Denn es sei „unmöglich“, dass „unsere Verhandlungspositionen abgehört werden“, sagte Spindelegger.

Diplomatisches Desaster für USA

Für die Obama-Regierung erweist sich der Fall Snowden immer mehr als diplomatisches Desaster. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Montag ebenfalls sichtlich verärgert reagiert. Sie forderte von Obama rasche Aufklärung. Die Kanzlerin werde die Affäre zur Chefsache machen und „in nächster Zeit“ mit Obama telefonieren, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Wenn sich bestätige, dass der US-Geheimdienst NSA diplomatische Vertretungen der EU und europäischer Länder ausgespäht habe, „dann müssen wir ganz klar sagen: Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel“, sagte Seibert. „Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg.“ Ganz ähnlich reagierte auch Außenminister Michael Spindelegger. Auch andere EU-Staaten forderten Aufklärung.

„Angemessen unterrichten“

Obama selbst sagte während seiner Afrika-Reise in Tansania, man werde die Verbündeten „angemessen unterrichten“. In Bezug auf Deutschland fügte Obama hinzu: „Wenn ich wissen will, was Kanzlerin Merkel denkt, dann rufe ich Kanzlerin Merkel an (...), letztlich arbeiten wir so eng zusammen, dass es fast keine Informationen gibt, die wir nicht zwischen unseren Ländern teilen.“ Obama bestätigte, dass die USA und Russland auf hoher Ebene über eine Auslieferung Snowdens verhandelten. Grundsätzlich versuchte Obama, das Ausmaß des Skandals herunterzuspielen und meinte, auch die Europäer würden spionieren.

Schon bei Obamas Besuch vor zwei Wochen in Berlin waren erste Berichte über Ausspähaktivitäten der USA Thema gewesen. Damals hatte Obama Transparenz zugesagt. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ hat die NSA nicht nur in EU-Gebäuden Wanzen installiert, sondern auch die deutsche Bundesregierung ausgeforscht. Die EU-Kommission ordnete aktuelle Sicherheitskontrollen von Büros, Telefonanlagen und Computernetzen an.

„Nichts Ungewöhnliches“

US-Außenminister John Kerry bezeichnete das Sammeln von Informationen in anderen Ländern als „nichts Ungewöhnliches“. „Jedes Land, das sich international mit Fragen der nationalen Sicherheit befasst, unternimmt jede Menge Aktivitäten, um seine nationale Sicherheit zu schützen, und dazu gehört (das Sammeln) von allen möglichen Informationen“, sagte Kerry.

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