„Risiken der Verfolgung“ dargestellt
Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hat nach Angaben der Enthüllungsplattform WikiLeaks in insgesamt 21 Ländern Asyl beantragt - darunter auch in Österreich. Doch es hagelt reihenweise Absagen für den NSA-Aufdecker, den in den Ansuchen offen geäußerten Ängsten zum Trotz.
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Der von den USA gesuchte IT-Experte bemühte sich WikiLeaks zufolge unter anderem in Deutschland, Bolivien, Brasilien, China, Kuba, Finnland, Frankreich, Indien, Italien, Irland, den Niederlanden, Nicaragua, Norwegen, Polen, Spanien, der Schweiz und Venezuela um Asyl. Zuvor war bekanntgeworden, dass der flüchtige Geheimdienstenthüller in Russland, Ecuador und Island um Aufnahme gebeten hatte.
WikiLeaks zufolge wurden Schreiben mit einem Asylbegehren an Snowdens derzeitigem Aufenthaltsort auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo an einen russischen Offiziellen übergeben, der die Schriftstücke an die jeweiligen Botschaften weiterreichen sollte. In den Dokumenten würden die „Risiken der Verfolgung“ dargestellt, die Snowden in den USA drohten.
Anträge als ungültig abgewiesen
Auch in Wien ging bereits ein Gesuch ein - Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) betonte, der Asylantrag weise einen Formalfehler auf. Der Antrag sei ungültig, da er via österreichische Botschaft in Moskau eingebracht wurde. Mikl-Leitner betonte, dass ein solcher Antrag nur direkt im Land gestellt werden könne und nicht über die Botschaft. Dieser Hinweis kam nicht nur aus Österreich, sondern auch aus Ecuador, Norwegen und Spanien - generell hieß es, der Antrag sei ungültig.
Und das Problem der Abwesenheit scheint nicht lösbar, schließlich scheitert eine Einreise in diese Länder - abgesehen von der Unmöglichkeit der praktischen Durchführung - allein schon an Snowdens nunmehrigem Status als Staatenloser, schließlich annullierten die USA zuletzt die Gültigkeit seines Reisepasses. Aus anderen Ländern gab es eindeutigere Reaktionen - aus Brasilien, Finnland, Indien und Polen kam ein klares Nein zum Asylgesuch.
Unmoralisches Angebot aus Russland
Einen Antrag, in Russland Aufnahme zu finden, zog Snowden jedoch unterdessen zurück. Grund seien die von Präsident Wladimir Putin genannten Bedingungen, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Dienstag in Moskau. Putin hatte gefordert, dass der 30-Jährige bei einem Verbleib in Russland aufhören müsse, den USA mit Enthüllungen Schaden zuzufügen - eine Forderung, auf die Snowden nicht eingehen wollte.
Auch Ecuador, wo Snowden ebenfalls Asyl beantragt hat, rückt mittlerweile offenbar von ihm ab. Sein Land prüfe das Gesuch derzeit noch nicht, sagte Präsident Rafael Correa gegenüber der britischen Zeitung „The Guardian“. Snowden müsse erst ecuadorianisches Territorium erreichen, hieß es. Es liege an Russland, ihm ein Reisedokument auszustellen, sagte Correa.
Absage aus Deutschland
Unterdessen hat Deutschland Snowdens Aufnahmegesuch abgelehnt. „Die Voraussetzungen für eine Aufnahme liegen nicht vor“, teilten das Auswärtige Amt und das Innenministerium am Dienstagabend in Berlin mit. Snwoden hatte per Fax einen Antrag auf Asyl in Deutschland an die deutsche Botschaft in Moskau geschickt.
Auch aus Berlin kommt der bereits von anderen Ländern ausgesprochene Hinweis: Nach deutschem Recht können Flüchtlinge politisches Asyl nur auf deutschem Boden beantragen, Snowden müsste dafür zunächst nach Deutschland gelangen. Aus dem Ausland möglich gewesen wäre aber eine Aufnahme aus humanitären Gründen oder bei Vorliegen eines „politischen Interesses“ der Bundesrepublik.
Einige Länder haben über den Antrag Snowdens noch nicht entschieden bzw. keine offizielle Stellungnahme abgegeben. Dazu zählen China, Kuba, Island, Italien, Irland, die Niederlande und Nicaragua. Aus anderen Ländern, wie etwa Bolivien, Frankreich, Venezuela und der Schweiz hieß es, man habe gar keinen Asylantrag erhalten.
Erste Details über Antragsinhalt
Unterdessen wurden erste Details aus den Asylgesuchen Snowdens bekannt: Eine Auslieferung an die USA würde Snowden nach eigener Einschätzung in Lebensgefahr bringen. In seinem Heimatland drohten ihm „lebenslange Haft oder sogar der Tod“, schrieb Snowden in seinem (abgelehnten, Anm.) Asylantrag an den polnischen Außenminister, der am Dienstag von der polnischen Presse veröffentlicht wurde.
Er laufe Gefahr, von der US-Regierung verfolgt zu werden, nachdem er sich dazu entschieden habe, „die schwerwiegenden Verstöße gegen die Verfassung öffentlich zu machen“. Mit einem gerechten Prozess oder einer angemessenen Behandlung vor einem Gerichtsverfahren könne er nicht rechnen, schrieb er weiter.
Stolperstein Auslieferungsabkommen
Souveräne Staaten müssen grundsätzlich niemanden ausliefern - es sei denn, diese haben sich in Auslieferungsabkommen anderen Ländern gegenüber dazu verpflichtet. Die meisten der von Snowden als mögliches Asylziel ausgewählten Staaten haben ein solches Abkommen mit Washington geschlossen.
Mit der EU unterzeichneten die USA 2009 ein neues Auslieferungsabkommen. Darin verpflichtet sich Washington unter anderem, gegen niemanden die Todesstrafe zu verhängen, der von der EU an US-Behörden überstellt wird. Mit den von Snowden in Betracht gezogenen EU-Ländern waren bereits zuvor bilaterale Auslieferungsabkommen in Kraft: Österreich (1998), Deutschland (seit 1980), Finnland (1980), Frankreich (2002), Italien (1984), Irland (1984), Niederlande (1983), Polen (1999) und Spanien (1971).
Auch die restlichen europäischen Staaten auf Snowdens Liste schlossen Auslieferungsabkommen mit den USA: die Schweiz 1997 und Norwegen 1980. Auslieferungsabkommen sind auch in Kraft mit Indien seit 1999, mit Bolivien seit 1996 und mit Brasilien seit 1964. Kein Abkommen besteht mit China. Mit Island, Kuba, Nicaragua und Venezuela haben die USA zwar Auslieferungsabkommen vereinbart, doch wurden sie bereits vor dem Zweiten Weltkrieg unterzeichnet. Die Regierungen dieser Staaten dürften sich daran nicht mehr gebunden fühlen.
Vater lobt seinen Sohn als Freiheitskämpfer
Unterdessen hat sich der Vater Snowdens in einem offenen Brief an seinen Sohn gewandt und dessen Handeln als tapfer und ehrenwert bezeichnet. In dem von einem Anwalt verfassten Schreiben wandte sich Lon Snowden am Dienstag an seinen in Moskau gestrandeten Sohn und hob ihn darin auf eine Stufe mit den amerikanischen Freiheitskämpfern des 18. Jahrhunderts.
Wie ein „moderner Paul Revere“ rufe er die amerikanischen Bürger dazu auf, gegen die „wachsende Bedrohung der Tyrannei“ aufzubegehren. Paul Revere und Thomas Paine, der ebenfalls in dem Brief erwähnt wird, gehörten zu den wichtigsten Verfechtern der amerikanischen Unabhängigkeit von Großbritannien. Sein Sohn sei ein „Patriot“, der die Frage nach Privatsphäre auf die nationale Agenda gesetzt habe. Lon Snowden werde die US-Bürger unermüdlich über die „bevorstehende Ruinierung der Verfassung und des Rechtsstaatsprinzips“ unterrichten.
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