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„Konflikte an der Oberfläche halten“

Vor der bevorstehenden Nationalratswahl ist es besonders für die Koalitionsparteien schwierig, sich nicht zwischen möglichst konstruktiver Regierungsarbeit und eigener Profilierung gegenseitig aufzureiben. Schließlich geht es um den Machterhalt - worin abseits aller Diskrepanzen sowohl SPÖ als auch ÖVP höchste Priorität sehen.

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Denn längst haben die Parteien auf „Wahlkampfmodus“ geschaltet, längst geht es darum, eigene Ideen und Ansätze gut zu verkaufen und als „richtig“ darzustellen. Hier setzt die Arbeit der Wahlkampfstrategen ein, die den Parteien Konzepte vorgeben.

Entsprechend rufen Parteigranden - wie etwa unlängst Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) - öffentlich dazu auf, nach Möglichkeit den richtigen Ton zu treffen. Was den gegenseitigen Umgang im Wahlkampf anbelange, sei „ein bisschen“ darauf zu achten, „dass nicht allzu große Gräben aufgerissen werden, die man nachher nicht mehr zuschaufeln kann“, so Häupl.

Parteinahe Organisationen als „Gefahrenherde“

Die Gefahr von Streitigkeiten gehe vor allem von parteinahen Interessenvertretungen und Gewerkschaften aus, wie die Politikwissenschaftler Peter Filzmaier und Fritz Plasser im ORF.at-Interview erklären. „Diese Organisationen bedienen strikt ihre Klientel und müssen auf die Befindlichkeiten der Wählerschaft keine Rücksicht nehmen“, so Filzmaier. Ein Beispiel dafür ist etwa die Diskussion über die Schulreform, die stark von parteilicher Ideologie geprägt ist.

Zudem hätten Provokationen oft bei Funktionären ihren Ursprung, diese hätten Attacken auf den Koalitionspartner als „angelerntes Verhalten“ verinnerlicht, erklärt Filzmaier. Gerade Teilorganisationen der ÖVP und sogenannte befreundete Organisationen der SPÖ könnten dem Wahlkampf eine „Eigendynamik“ verschaffen, die im Vorhinein nicht steuerbar sei, erklärt Plasser. Angesichts dessen „hält sich die Planbarkeit in Grenzen“. Zudem sei „nicht auszuschließen“, dass es im Zuge des Intensivwahlkampfs zu schärferer Rhetorik kommt. Schließlich wolle die ÖVP nach der Wahl den Kanzleranspruch stellen.

„Bogen darf nicht überspannt werden“

Zwar bleibe eine gewisse „Zuspitzung“ bei Themen in der Diskussion zwischen SPÖ und ÖVP ohne Folgen, wie Filzmaier erklärt, diese dürfe jedoch „keinesfalls übertrieben werden“. Schließlich sei eines klar: Unkonstruktiver Streit und gegenseitiges „Anpatzen“ innerhalb der Koalition ziehe Wählerstimmen von den Parteien weg, darum stehe zwischen SPÖ und ÖVP „Kampfkuscheln“ auf der Agenda. Filzmaier verweist in diesem Zusammenhang auf die äußerst geringe Wählermobilität von SPÖ zu ÖVP bzw. umgekehrt. "Hier geht es vielmehr um den drohenden Stimmenverlust zugunsten der Oppositionsparteien.

Zudem würde es die gesamte Regierungsarbeit der vergangenen Jahre und all die nun laufend präsentierten Einigungen bei verschiedensten Themen in schlechtem Licht erscheinen lassen. „Der Bogen darf nicht überspannt werden. Es ist ein Balanceakt“, so Plasser. Es stehe für SPÖ und ÖVP im eigenen Interesse an, Uneinigkeiten und Streits auf der Ebene eines Sachkonflikts auszutragen. „Konflikte sind an der Oberfläche zu halten“, ergänzt Filzmaier.

„Historische Kompetenzvermutungen“

Bisher sei es im Wahlkampf für SPÖ und ÖVP darum gegangen, die Kernwählerschaft zu mobilisieren, so Plasser gegenüber ORF.at. Die SPÖ trat mit den Themen Arbeit, Wohnen und der Forderung nach einer Einführung von Vermögenssteuern auf, die ÖVP betonte das Leistungsprinzip, ihre Wirtschaftskompetenz und setzte auf das Image als Familienpartei. „Es handelt sich um historische Kompetenzvermutungen“, so Plasser. Damit war auch eine bewusste Abgrenzung zu den Themen des Koalitionspartners kommuniziert, ohne ihn direkt anzugreifen.

Uneinigkeit mit positiven Effekten

Doch dass unterschiedliche Standpunkte bei der Wählerschaft nicht unbedingt als Streit registriert werden, war im Zuge der Diskussion über das Konjunkturpaket zu erkennen. Gegenseitig bewarfen sich die Parteien mit Beträgen, die zur Ankurbelung der Konjunktur abgestellt werden sollen. Die Regierungsparteien konnten nach der Ansicht Filzmaiers in dieser Frage jedoch nichts verlieren.

Schließlich wurde die Diskussion zwischen SPÖ und ÖVP als „etwas Positives“ erkannt, schließlich gehe es um „konkrete Maßnahmen, die Arbeitsplätze sichern sollen“, erklärt Filzmaier. Insofern werde diese Diskussion, selbst wenn sie von Diskrepanzen durchzogen gewesen sei, von der Wählerschaft nicht negativ aufgenommen. Doch gilt es als wahrscheinlich, dass noch Themen aufkommen, bei denen die Parteien auch etwas zu verlieren haben.

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