Themenüberblick

Denken an Sport ist bereits Sport

Musik beim Sport: Sie motiviert, macht gute Laune und treibt zu Höchstleistungen an. Die Wirkung auf die sportliche Leistung ist wissenschaftlich belegt - nicht umsonst sind MP3-Player seit 2007 beim New Yorker Marathon verboten. Doch was passiert im Körper wirklich, wenn beim Sport Musik gehört wird?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der Grund für Leistungssteigerungen ist nicht in den Muskeln, sondern im Gehirn zu suchen, erklärt Psychologe Tom Stafford in einem Blog auf BBC Online. Die ersten Studien dazu stammen aus dem Jahr 2004, als eine US-Forschergruppe des Lerner Research Institute in Cleveland zeigen konnte, dass nicht nur die Bewegung selbst einen Trainingseffekt hervorruft - sondern bereits die Vorstellung von der Bewegung.

Training beginnt im Kopf

Mittlerweile haben zahlreiche Nachfolgestudien gezeigt, dass bereits die reine Vorstellungskraft Effekte auf den Muskelaufbau hat. Vor allem bei Sportarten mit sehr komplexen Bewegungsabläufen wie Skispringen wird mittlerweile der Absprung öfter im Kopf geübt als tatsächlich auf der Schanze. Zwar kann Mentaltraining das körperliche Training nicht ersetzen, man erzielt damit aber immerhin fast die Hälfte des Trainingseffektes. Im Gehirn lässt sich das mittels Elektroden gut sichtbar machen. Nachdem eine Bewegung in der Vorstellung geübt wurde, zeigen Messungen, dass beim tatsächlichen Training ein viel stärkerer Impuls zu den Muskeln gesendet wird.

Frau rastet beim Laufen im Wald

Corbis/Ocean

Musik hilft auch, Motivationstiefs zu überwinden

Das Gehirnareal, in dem sich das alles abspielt, ist der Motorkortex. Besonders interessant ist dabei der Teil, der als prämotorische Rinde bezeichnet wird, denn dort erfolgt die Vorbereitung auf Bewegungen. Beim Sport wird hier entschieden, wann und wie die Bewegung gesetzt wird. So zählt bei vielen Sportarten nicht die Kraft oder Schnelligkeit, sondern das richtige Timing bei der Ausführung von Bewegungen. Beim schnellen Laufen zum Beispiel geht es weniger darum, das Bein besonders kräftig abzustoßen oder den Fuß besonders schnell vor den anderen zu setzen, sondern darum, einen Rhythmus zu finden. Und genau hier setzt die Musik an.

Stafford stellt nun die Theorie auf, dass Musik die Aufgabe des Taktgebers in der prämotorischen Rinde übernimmt. Der Rhythmus der Musik helfe dabei, die Geschwindigkeit einer Bewegung beizubehalten, schreibt er in seinem BBC-Blog. „Um eine sportliche Metapher zu verwenden, Musik hilft uns nicht nur, aus den Startblöcken herauszukommen, sondern auch durchzuhalten, bis die Ziellinie erreicht ist.“

Mit „Scatman“ zum Weltrekord

1999 erschien im „The Sport Journal“ der Artikel „Music in Sport an Exercise: Theory and Practice“, wo Musik erstmals als zusätzliches Hilfsmittel für Sportler und Trainer vorgestellt wird. Selbst Laufgrößen wie der Äthiopier Haile Gebrselassie beflügelte Musik zu Höchstleistungen. Bei seinem Weltrekord 1995 in Zürich über 5.000 Meter habe er den Song „Scatman“ von Scatman John in seinem Kopf gehabt, sagte der 26-fache Weltrekordhalter und mehrfache Olympiasieger Anfang des Jahres gegenüber CNN. „I’m a Scatman! Dum dum, und dann hast du den Rhythmus, und dein Stil ändert sich sofort.“

Musikverbot beim NYC-Marathon

Wie wirkungsvoll Musik sein kann, zeigte auch die Entscheidung der Organisatoren des New York City Marathons 2007, als sie den Gebrauch von MP3-Playern während des Laufes unterbanden. Die Verantwortlichen argumentierten mit dem Sicherheitsaspekt, der eigentliche Grund für die Entscheidung war jedoch das Verbot des Leichtathletikverbands von taktischer Kommunikation zwischen Sportlern und Trainern während des Wettkampfes. Und individuell abgestimmte Musik wurde als eine solche unerlaubte Kommunikation gewertet.

„Musik ist eine legale Droge für Athleten“, bestätigt der bekannte britische Sportpsychologe Costas Karageorghis in seinem Buch „Inside Sport Psychology“. Bei Tests auf dem Laufband zeigte sich, dass Musik die Laufleistung um bis zu 15 Prozent verbessern kann. Zudem wirkt sich die Musik direkt auf den Stoffwechsel aus. Bei synchron zur eigenen Bewegung eingesetzter Musik verbraucht der Körper bis zu sieben Prozent weniger Sauerstoff für die gleiche Leistung, er braucht also weniger Energie. Zudem verbessert die Musik auch die motorischen Fähigkeiten, indem eine gleichbleibende Schrittfrequenz leichter antrainiert wird.

„Je trainierter, desto geringer der Effekt“

Die größte Wirkung zeigen flotte Beats bei Laufanfängern. „Je trainierter der Sportler, desto geringer ist der Effekt“, erklärte Karageorghis gegenüber dem britischen „Guardian“ und nennt auch gleich den Grund dafür: „Spitzensportler fokussieren auf sich selbst, wohingegen Hobbyläufer nach Ablenkung oder Motivation suchen.“ Um den größten Effekt zu erzielen, sollte das Tempo der Musik einen Tick schneller sein, als das Lauftempo - dadurch entstehe der sogenannte Push-Effekt.

Neben dem Takt hat aber auch der Text Einfluss auf die Leistung, wie Karageorghis anhand von Studien belegen konnte. Als Beispiel nennt er den Song „Push it“ von Salt-n-Pepa, der von US-Leichtathletiktrainern gerne eingesetzt wird. Der Text hilft beim Erlernen der korrekten Technik beim Kugelstoßen, bei der der Sportler die Kugel nicht wirft, sondern - wie der Song impliziert - stößt.

Die richtigen Beats für das Work-out

Doch jede Sportart erfordert auch ihre eigene Musik. Während beim Laufen der Rhythmus wichtig ist, hilft Musik beim Krafttraining oder bei intensiven Zirkeltraining-Einheiten, die letzten Kraftreserven zu aktivieren. Wenn die Musik so angepasst wird, dass sich die Geschwindigkeit in den intensiven Phasen entsprechend erhöht, sind Leistungssteigerungen um bis zu 20 Prozent möglich. Am besten wirkt hier eine dem persönlichen Musikgeschmack und der individuellen Leistungsfähigkeit angepasste Playlist. „Scatman“ wirkt bei Gebrselassie gut, wer das Lied nicht mag oder das Tempo nicht halten kann, wird auch mit dem Song keine Rekorde aufstellen.

Die Musikgeschwindigkeit wird mit Beats per Minute (BPM) angegeben. Je nach Übung empfiehlt Karageorghis die passende Musikgeschwindigkeit: Beim Dehnen passt langsamere Musik mit 98 BPM (z. B. „Lifted“, von der Lighthouse Family), beim Krafttraining darf es mit 118 BPM etwas flotter werden (z. B. „Funky Cold Medina“ von Tone Loc), für Ausdauereinheiten eigenen sich 153 BPM am besten (z. B. „Funk Soul Brother“ von Fatboy Slim), und für das Cool-down sollten ruhige 88 BPM (z. B. „Whatta Man“ von Salt-n-Pepa) gewählt werden.

Zum Schluss sei noch eine Warnung angebracht: So motivierend Musik beim Training auch sein mag, gerade im Straßenverkehr kann es gefährlich werden, wenn man sich eines seiner wichtigsten Sinne - des Gehörsinns - beraubt. In der Natur sollten Vogelgezwitscher und das Rauschen des Windes genug Motivation sein - und wenn Musik, dann über den Kopfhörer, laut plärrende Musikboxen sind auf jeden Fall völlig fehl am Platz.

Links: