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Gigantische Monumente aus Nordkorea

Aus Nordkorea dringen selten mehr als Drohungen, Propagandavideos und spärliche Informationen über die katastrophalen Lebensbedingungen der Bevölkerung nach außen. Dennoch hat es die Diktatur geschafft, sich im Bereich monumentaler Statuen und Großbauten auch international weit vorne zu positionieren.

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Es sind exzellentes Know-how, eine enge Zusammenarbeit zwischen künstlerischen Abteilungen und Produktionsdepartements sowie eine langjährige Erfahrung, die den Nordkoreanern einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen, berichtet die US-Nachrichtenagentur Bloomberg. All diese Bedingungen erfüllt das Mansudae Art Studio, mit über 120.000 Quadratmetern der vermutlich größte Atelierkomplex der Welt. 1959 gegründet, besteht das Studio heute aus 13 kreativen Abteilungen, sieben Fertigungsanlagen und über 50 Logistik- und Lagerabteilungen.

Arbeiter bei einer Statue

APA/EPA/Kcna

In den Ateliers in Mansudae sind 1.000 Künstler und 3.000 weitere Arbeiter beschäftigt

Spezialisten aus allen Kunstsparten

Gefertigt wird von den 4.000 Mitarbeitern (davon 1.000 Künstler) so ziemlich alles, was dem Bereich bildende Kunst zugeordnet werden kann: Bronzeskulpturen, Ölgemälde, Tuschearbeiten, Holzschnitte, Schmuck, Stickarbeiten und vieles mehr.

Laut der offiziellen Website versteht man sich dabei keineswegs als Massenproduktionsstätte, vergleichbar mit den chinesischen Fabriken, in denen Kunst am Fließband reproduziert wird. Man sei auch keine Kunsthochschule, wie oft fälschlich vermutet werde: Sämtliche der rund 1.000 Künstler im Alter von Mitte 20 bis Mitte 60 Jahren haben ihr Kunststudium bereits abgeschlossen, bevor sie engagiert werden.

Zwei Arbeiter tragen eine Statue aus der Tür

AP/Alexander F. Yuan

Jeder Künstler muss rund zehn „Staatswerke“ im Jahr abliefern

Verhältnismäßig gute Arbeitsbedingungen

Das Wirtschaftsmagazin „brand eins“ berichtete, dass den Künstlern und Zuarbeitern im Mansudae-Studio für nordkoreanische Verhältnisse exzellente Bedienungen geboten würden. Geregelte Arbeitszeiten, vergleichsweise üppiges Gehalt und zahlreiche Freizeiteinrichtungen zur freien Benutzung. Was man sonst hauptsächlich aus dem Silicon Valley kennt, soll es - vom Prinzip her vergleichbar - also auch in Nordkorea geben: einen Arbeitgeber, der weiß, dass Kreativität unter Druck leidet.

Dem Bericht nach dürfen die Künstler Motive und Techniken frei wählen, solange sie rund zehn „Staatswerke“ pro Jahr abliefern, also solche, die öffentliche Gebäude und Plätze schmücken. So weit her ist es mit der künstlerischen Freiheit aber auch wieder nicht: Die Mitarbeiter des Mansudae-Studios unterstehen direkt dem Diktator, und der Stil ist recht einheitlich.

Kim Jong Un inspiziert Gemälde

Reuters/KCNA

Die Mitarbeiter in Mansudae sind direkt Kim Jong Un unterstellt

Kein Sinn für abstrakte Kunst

Von Abstraktion etwa hält die nordkoreanische Führung wenig. Die gängige Theorie ist, dass Kunst für das Volk verständlich sein muss, die Künstler sollen durch ihre Arbeiten „richtige“ Verhaltensweisen, Einstellungen, Moral und Werte darstellen. Schon die Ausbildung der Künstler besteht dementsprechend nicht nur aus dem Erlernen künstlerischer Techniken, sondern zu einem großen Teil aus der Beschäftigung mit der Ideologie des Systems.

Dennoch: An Kundschaft von außerhalb des Landes fehlt es dem Mansudae Art Studio nicht. Das liegt nicht ausschließlich an der Kunstfertigkeit der Nordkoreaner, sondern auch daran, dass kaum jemand derart günstige Preise für qualitativ vergleichbare Arbeit anbieten kann. „Dass Propaganda kostet, wissen die Nordkoreaner sehr genau, was ihnen erlaubt, jeden Preis zu unterbieten“, schreibt „brand eins“. „Und weil sie sonst nicht viel haben für den Export, gehen sie jedes Geschäft ein, und sei es noch so krumm.“

Hoch im Kurs bei afrikanischen Herrschern

Mit Projekten für Länder wie Kambodscha, Malaysia, Ägypten und Syrien hat die nordkoreanische Kunstfirma zig Millionen Dollar eingenommen und zählt damit zu einer wichtigen Geldquelle des Regimes. Die meisten internationalen Kunden stammen jedoch aus afrikanischen Ländern. Zahlreiche Monumente und Museen in Namibia, Angola, Botsuana und Mosambik stammen aus der Werkstatt der Nordkoreaner. Auch eines der größten Werke aus dem Studio findet sich in Afrika: Das „Monument de la Renaissance africaine“, eine 49 Meter hohe Figurengruppe aus Bronze, die 2010 zum 50. Jubiläum der Unabhängigkeit Senegals errichtet wurde.

Monument der afrikanischen Renaissance

Public Domain

Das 49 Meter hohe „Monument de la Renaissance africaine“ in Senegal

Nicht überall kommt die Arbeit des Studios so gut an wie im eigenen Land, in dem Kritik an der Staatskunst nicht geduldet wird. So wurde in Senegal nicht nur Kritik aufgrund der enormen Kosten laut, offiziell ist von 27 Mio. Dollar die Rede, Experten schätzen die tatsächliche Summe auf weit über 100 Mio. Dollar. Auch die Darstellung erregte einigen Unmut, die dargestellte Familie bestehend aus einem Kind, einer jungen Frau und einem Mann sei „stalinistisch“, „unafrikanisch“ und „unislamisch“.

Nordkoreanische Brunnenfiguren in Frankfurt

In Europa ist nur ein einziger Kunde des Mansudae-Studios bekannt. 2005 heuerte die Stadt Frankfurt die Nordkoreaner an, sechs Bronzefiguren eines Brunnens zu renovieren. „Es war eine rein technische Entscheidung“, erklärte Klaus Klemp, stellvertretender Direktor des Museums für Angewandte Kunst in Frankfurt gegenüber Bloomberg. Die Topliga der deutschen Künstler würde sich nicht mehr auf derart realistische Arbeit verstehen, während die Nordkoreaner „auf ihre Art im frühen 20. Jahrhundert stecken geblieben sind“ - genau in der Epoche, aus der der Brunnen stammt.

Herrscherporträts

In Nordkorea ist die Porträtierung der Herrscher seit der Ära von Kim Il Sung die Königsdisziplin und ausschließlich ausgewählten Künstlern vorbehalten. Die Diktatoren werden bevorzugt gemeinsam mit einfachen Menschen dargestellt, um Nähe zur Bevölkerung zu suggerieren.

Auch der Preis schien den Frankfurtern verlockend: 200.000 Euro soll die Arbeit gekostet haben, die zur Gänze in Nordkorea gefertigt und anschließend nach Deutschland verschifft wurde. Mit der Arbeit war man in Frankfurt zufrieden - nur bei Details mussten die Künstler nachbessern: Die figürliche Darstellung war im ersten Versuch etwas zu kantig geraten. „Es war nichts, was sich nicht nachträglich richten ließ. Wir haben dem Bildhauer erklärt, dass sozialistischer Style in Frankfurt gerade nicht en vogue ist.“

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