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„Bronzezeit“ entzweit Berlin und Moskau

Vor dem Besuch von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel in St. Petersburg ist es zu einem Eklat gekommen. Die dort am Freitagabend geplante gemeinsame Eröffnung der Beutekunst-Ausstellung mit Merkel und Russlands Präsidenten Wladimir Putin wurde überraschend abgesagt.

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Beide wollten in der berühmten Eremitage die Schau „Bronzezeit - Europa ohne Grenzen“ eröffnen. Dort wird auch spektakuläre Beutekunst wie der Goldschatz von Eberswalde ausgestellt, den Sowjetsoldaten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moskau brachten. Insgesamt soll es sich um etwa 600 Objekte aus Deutschland handeln. Die Ausstellung ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der Eremitage und Museen in Moskau und Berlin anlässlich des derzeit laufenden deutsch-russischen Jahres. Laut der beteiligten Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird dabei mit mehr als 1.700 Objekten aus allen beteiligten Museen das Bild der Bronzezeit nachgezeichnet.

Merkel wollte Rückgabe fordern

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag vor dem Abflug in Berlin, die russische Seite habe entgegen ursprünglichen Plänen die Grußworte von Merkel und Putin abgesagt. Merkel hätte in ihrem Grußwort die Rückgabe von Beutekunst gefordert, hieß es aus Regierungskreisen. Daraufhin sei die gemeinsame Eröffnung am Abend abgesagt worden. Seibert sagte, das sei von beiden Seiten entschieden worden. Merkel werde daher früher wieder nach Berlin fliegen, hieß es weiter.

Unvereinbare Positionen

Deutschland hatte im Hinblick auf internationales Recht immer wieder auf der Rückgabe der Kunst bestanden. Deutschland beruft sich bei seinen Ansprüchen auf das Völkerrecht. Demnach dürfen Kunstschätze, weil sie oft über Jahrhunderte an einen Ort gebunden seien, nicht als Teil der Wiedergutmachung für Kriegsschäden herhalten.

Russland dagegen meint, dass die Schätze mit dem Blut seiner Soldaten bezahlt worden seien. Russland hatte die Kulturgüter als Entschädigung für Kriegsverluste nachträglich per Gesetz legalisiert. Erst seit 1990 wird auf der Grundlage von deutsch-russischen Verträgen über einen Austausch verhandelt.

Großteil in Moskauer Puschkin-Museum

Der Kunstraub in Europa erreichte während des Zweiten Weltkrieges das größte Ausmaß. Deutsche und sowjetische Einheiten nahmen in großem Umfang Kunstwerke und Bücher aus den von ihnen besetzten Gebieten mit. Die von deutscher Seite während der NS-Zeit geraubten Kulturgüter wurden kurz nach Kriegsende größtenteils zurückgegeben. Ein Großteil der auf sowjetischen Befehl abtransportierten Kunstschätze ist im Moskauer Puschkin-Museum gelagert. Laut Expertenschätzungen befinden sich in russischen Depots noch rund eine Million Kunstobjekte und mehr als vier Millionen Bücher.

„Schatz des Priamos“

Zwar hatte vor allem die frühere Sowjetunion zu DDR-Zeiten etwa an die Dresdner Gemäldegalerie in großem Stil wichtige Kunstschätze zurückgegeben. Beweglich zeigte sich Russland zuletzt auch bei der Rückgabe der Fenster für die Frankfurter Marienkirche. Doch die Verhandlungen über weitere Gegenstände - etwa die Baldin-Sammlung aus Bremen - kommen nicht voran.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz geht davon aus, dass unter den rund eine Million in russischen Museen lagernden Objekten etwa 200.000 einen hohen musealen Wert haben. Darunter befinden sich nach Einschätzungen von Experten einzigartige Zeugnisse deutscher Kultur und Geschichte. Zu den wohl bekanntesten Kunstwerken gehören der goldene „Schatz des Priamos“ von der Berliner Museumsinsel und der Eberswalder Goldfund aus der deutschen Frühgeschichte.

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