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Proteste in zahlreichen Provinzen

Er könne seine Aufgabe, die Zahl der ausländischen Urlauber zu steigern, nicht erfüllen, begründete Ägyptens Tourismusminister Hischam Sasu am Mittwoch seinen Rücktritt. Er protestiert damit gegen die Ernennung des radikalen Islamisten Adel al-Chajat zum Provinzgouverneur von Luxor.

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Sasus Rücktritt wurde von Ministerpräsident Hischam Kandil bisher nicht akzeptiert, berichtet das Nachrichtenportal al-Ahram. Kandil habe ihn gebeten bis zur Klärung weiter im Amt zu bleiben, sagte Sasus Sprecherin. Sasu selbst bekräftigte, nicht als Minister amtieren zu wollen, solange Chajat auf seinem Posten sei.

Chajat ist führendes Mitglied der früheren Terrororganisation Gamaa Islamija. Die Islamistenbewegung, die inzwischen offiziell der Gewalt abgeschworen hat, trägt die Schuld für zahlreiche Angriffe auf Touristen in den 1990er Jahren. Sie gilt auch als Drahtzieherin des Massakers im Hatschepsut-Tempel von 1997. Damals hatten sechs Attentäter in dem Tempel 62 Menschen massakriert. Die meisten von ihnen waren Touristen aus der Schweiz und aus Deutschland.

Tourismusbetriebe drohen mit Schließung

Seit der Ernennung Chajats gehen in Luxor die Wogen hoch. Der Vizepräsident der Kammer der Tourismusunternehmer von Luxor, Mohammed Othman, nannte es am Montag skandalös, dass ausgerechnet ein radikaler Islamist für eine Stadt wie Luxor, die vorwiegend von Einnahmen aus dem Tourismus lebt, ausgewählt worden sei. Lokale Tourismusbetriebe und Gewerkschaften drohen damit, alle Tempel und Touristenattraktionen in Luxor zu schließen, sollte Chajat im Amt bleiben.

Proteste

APA/AP/Ibrahim Zayed

Proteste auf den Straßen von Luxor

Proteste seit Sonntag

In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erklärte Chajat, er sei nicht gegen den Tourismus und habe mit Anschlägen auf Ausländer nichts zu tun. Chajat begrüße „jede Form“ des Tourismus, schreibt die „Washington Post“. Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in Ägypten, nach den Aufständen 2011 ist er deutlich zurückgegangen. Mit der Ernennung Chajats fürchtet Luxor einen weiteren Rückgang.

Mursi hatte am Sonntag 17 neue Provinzgouverneure ernannt. Davon gehören sieben der Muslimbruderschaft an. Liberale Ägypter reagierten entsetzt auf diesen „weiteren Schritt hin zu einer vollständigen Machtübernahme durch die Islamisten“. Seit der Ernennung gibt es in den betroffenen Gebieten Proteste und Demonstrationen.

Gegner versperrten Zufahrt

Am Mittwoch versperrten Hunderte Gegner Chajats den Zugang zum Gouverneursgebäude am Nil-Ufer in Luxor. Als am gleichen Ort etwa 300 Islamisten auftauchten, um die Demonstranten zu vertreiben, schritten Vermittler und die Polizei ein. Daraufhin zogen die Islamisten ab. Die mit Stöcken ausgerüsteten Demonstranten warfen mehrere Brandsätze. Es entstand laut Augenzeugen kein größerer Sachschaden.

Der 52-jährige Chajat hielt sich nach Angaben aus Luxor am Mittwoch in seinem Haus in der Stadt Sohag auf. Auch in der Nordprovinz al-Manufija verwehrten Demonstranten dem neuen Gouverneur Ahmed Scharawi laut Medienberichten den Zugang zu seinem Büro.

Straßenschlacht nach Muslimbrüder-Konferenz

In der Oasenprovinz Fajum südlich von Kairo dauern die Proteste ebenfalls seit Sonntag an. Nach einer Konferenz der Muslimbrüder in einer Moschee kam es am Mittwoch zu Straßenschlachten. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen hatten die Islamisten die Straßen rund um die Moschee gesperrt. Außerdem sollen sie auf einen Fahrer und eine Frau losgegangen sein, die sich der Sperrung widersetzten. Die Polizei musste einschreiten. Dutzende Menschen wurden verletzt.

Am Dienstag hatte es in insgesamt sechs Provinzen Proteste gegen die islamistischen Gouverneure gegeben. In der Stadt Tanta kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen, bei denen 19 Menschen verletzt wurden. In der Arbeiterstadt al-Mahalla protestierten Gegner der Muslimbrüder vor dem Haus des neuen Gouverneurs Saad al-Husseini und setzten sein Auto in Brand.

Landesweite Proteste angekündigt

In der kommenden Woche dürften sich die Proteste noch deutlich ausweiten: Die „Rebellion“-Bewegung („Tamarod“) hat für den 30. Juni - den ersten Jahrestag des Amtsantritts Mursis - landesweite Proteste angekündigt. Die Gegner der Islamisten sammelten in den vergangenen Wochen nach eigenen Angaben mehr als 15 Millionen Unterschriften, um den Rücktritt von Präsident Mursi und Neuwahlen zu erzwingen.

Die Muslimbruderschaft, als deren Kandidat Mursi 2012 mit rund 13,2 Millionen Stimmen gewählt worden war, will sich dieser Kampagne, die keine verfassungsrechtliche Grundlage hat, nicht beugen. Der Imam der Al-Ashar-Moschee, Ahmed al-Tajeb, sagte am Mittwoch, die „friedvolle Opposition gegen einen legitimen Führer“ sei auch aus religiöser Sicht erlaubt und akzeptabel. Tajeb ist eine wichtige religiöse Autorität des sunnitischen Islam.

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