„Alle Dokumente werden erneut geöffnet“
Auch 35 Jahre nach der Entführung und Ermordung des Spitzenpolitikers der damals omnipräsenten Democrazia Cristiana (DC), Aldo Moro, stehen hinter der von der linksextremen Terrororganisation Rote Brigaden (Brigate Rosse, BR) durchgeführten Tat nach wie vor viele Fragezeichen. Mit einem neuen Ermittlungsverfahren soll nun ein später Versuch gestartet werden, die Rätsel im Fall Moro doch noch aufzulösen.
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Bis heute nicht verstummt sind etwa Spekulationen, wonach ausländische Geheimdienste in den Fall involviert sein könnten. Als Hintergrund gilt Moros führende Rolle beim Zustandekommen des als Historischer Kompromiss bezeichneten Abkommens zwischen den zentralen demokratischen Kräften des italienischen Parlaments mit der Kommunistischen Partei Italiens (PCI). Dieses war allerdings nicht nur innerhalb der DC und Italiens Politik schwer umstritten, die Frage, wie mit Westeuropas stärkster Kommunistischer Partei umgegangen werden soll, wurde auch von Moskau und Washington kontroversiell betrachtet.

AP
Ungeachtet des von den Geiselnehmern verschickten Bildes von Moro wurde bereits über dessen Ermordung spekuliert
Im Interview mit dem Nachrichtenportal Affari Italiani zeigte sich der ehemalige Richter Ferdinando Imposimato überzeugt, dass Russlands Geheimdienst KGB tief in den Fall verwickelt sein und die Ermordung Moros sogar angeordnet haben könnte. Von anderer Seite wurden im Gegensatz dazu immer wieder auch fragwürdige Machenschaften von US-Geheimdiensten - Stichwort Gladio - in den Raum gestellt.
Leiche in Kofferraum gefunden
Der Konvoi des mehrmaligen italienischen Premiers Moro wurde am 16. März 1978 von einem Kommando der BR angegriffen. Fünf Leibwächter Moros kamen bei der Geiselnahme des langjährigen DC-Chefs ums Leben. Wenige Tage später wurde ein Foto Moros mit einer Zeitung vom 19. April 1978 als Lebenszeichen des Politikers veröffentlicht. Moros Leiche wurde am 9. Mai im Kofferraum eines abgestellten Renault 4 in der römischen Via Caetani gefunden.
„Die 55 Tage, die Italien veränderten“
Imposinatos Recherchen gelten laut Medienberichten nun auch als Anlass für die Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft in Rom. Ganz nach dem Titel des im Vorjahr erschienen Buchs von Imposinato, „Die 55 Tage, die Italien veränderten“, soll auch die Rolle führender Politiker während der Moro-Geiselnahme nun erneut durchleuchtet werden.
Im Fokus dürfte dabei etwa der kürzlich verstorbene mehrfache Ex-Premier Giulio Andreotti stehen, der am 16. März 1978 und damit am Tag von Moros Entführung als Regierungschef einer christdemokratischen Minderheitsregierung angelobt werden sollte. Zu den führenden Politikern dieser Zeit zählt auch der spätere italienische Präsident Francesco Cossiga, der wie der zu den einstigen Führungspersonen der BR zählende Prospero Gallinari ebenfalls bereits verstorben ist. Aus diesem Grund sei der wiederaufgerollte Fall Moro laut RAI nun auch vielmehr mit der Arbeit von Historikern, als mit jener von Ermittlern zu vergleichen.
Geheimdokumente freigegeben
Neue Aufschlüsse werden unter anderem von erst kürzlich freigegebenen Geheimdokumenten erwartet. Besonderes Augenmerk wollen die Ermittlungsbehörden zudem auf die Verhandlungen mit den BR während Moros 55-tägiger Geiselhaft legen. Andreotti wurde etwa immer wieder beschuldigt, Verhandlungen abgelehnt zu haben.
Nach Angaben des Nachrichtenportals International Business Times Italia (IBTimes) sollen „sämtliche zur Verfügung stehenden Dokumente“ erneut geöffnet werden. Auch die 1983 gefällten Urteile gegen insgesamt 32 mutmaßliche BR-Mitglieder, denen vorgeworfen wird, an der Geiselnahme und der Ermordung Moros beteiligt gewesen zu sein, könnten nach Angaben der Tageszeitung „Il Messaggero“ vom zuständigen Staatsanwalt Luca Palamara neu aufgerollt werden.
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