Wissensvorsprung dank Spionage?
Eine Bespitzelungsaffäre des britischen Geheimdienstes belastet den G-8-Gipfel von Nordirland. Der britische Nachrichtendienst soll 2009 im Umfeld des G-20-Gipfels in London unter anderem Delegationen von Verbündeten wie Südafrika und Türkei ausgespäht haben, berichtete der „Guardian“. Er stützt sich dabei auf Datensätze des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden.
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Der Government Communications Headquarters (GCHQ) ist das britische Gegenstück zum amerikanischen Abhördienst National Security Agency (NSA). Möglicherweise hat der „Guardian“ das Material bis zum Tag des Gipfelstarts in Enniskillen zurückgehalten. Der britische Premierminister David Cameron sagte am Montag, Großbritannien äußere sich grundsätzlich nicht zu Sicherheits- oder Geheimdienstangelegenheiten. „Und damit werde ich jetzt auch nicht beginnen.“
London gerät mit den neuen Enthüllungen weiter in die Defensive. In den vergangenen Wochen hatten sich sowohl Premierminister Cameron als auch Außenminister William Hague ausgesprochen wortkarg zu Vorwürfen geäußert, der britische Geheimdienst habe vom befreundeten US-Dienst NSA Informationen über britische Bürger erhalten und dabei geltende Gesetze umgangen. Alles sei im Rahmen der Gesetze verlaufen, zu Einzelheiten könne man sich nicht äußern, hieß es von beiden.
„Neue Möglichkeiten“
Dem Bericht zufolge sollen die Briten 2009 Computer von G-20-Teilnehmern überwacht und Telefonanrufe abgehört haben. Einige Delegationen seien auch dazu gebracht worden, Internetcafes zu nutzen, die zuvor eigens vom Geheimdienst eingerichtet worden waren. So habe man den E-Mail-Verkehr überwachen und Passwörter erbeuten können.
„Neue kombinierte Möglichkeiten gegen BlackBerry lieferten im Voraus Unterlagen von G-20-Briefings an Kabinettsmitglieder. (...) Diplomatische Ziele aus allen Nationen benutzen Smartphones. Dies wurde beim G-20-Treffen im vergangenen Jahr ausgenutzt“, heißt es in einem Dokument, das der „Guardian“ einsehen konnte.
„Alles als nützlich herausgestellt“
In einem weiteren Dokument klopfen sich die Briten nach der Aktion auf die Schulter: „Es hat sich als nützlich herausgestellt, zu notieren, welche nationale Delegation in der Zeit vor, während und nach dem Gipfel aktiv war. Alles in allem ein sehr erfolgreiches Wochenende mit der Telefonaktion gegen Delegationen.“
Rund 45 Analysten sollen etwa rund um die Uhr darüber informiert gewesen sein, wer mit wem telefonierte. Unter anderem sollen sie sich dafür sowie zur Überwachung von E-Mails Zugang auf die mobilen BlackBerry-Telefone der Delegationsmitglieder verschafft haben. In einer Power-Point-Präsentation wurde gezeigt, wie das geht. Am Ende der Operation wurde laut „Guardian“ in einer internen Überprüfung der Aktion deren Erfolg gelobt.
Bescheid gewusst haben soll unter anderen der damalige Premierminister Gordon Brown. Die so gesammelten Informationen seien unverzüglich der britischen Delegation, darunter an britische Minister, weitergeleitet worden. Auf diese Weise sollte offenbar ein Wissensvorsprung für die Verhandlungen erzielt werden.
Besonders Türkei im Fokus
Besonders abgesehen hatten es die britischen Spione wohl auf die Türkei. Finanzminister Mehmet Simsek wurde überwacht - und auch seine Delegation noch während eines Finanzministertreffens im September 2009, um herauszukriegen, ob die Türkei zu den beim Gipfel im April vereinbarten Zielen steht.
Die türkische Regierung bestellte nach Medienberichten als erste Reaktion auf die Enthüllungen den britischen Botschafter in Ankara ein. In Berlin sagte Vizeregierungssprecher Georg Streiter, er habe keine Informationen zu den Vorgängen. Er bemühe sich, „vielleicht welche zu bekommen“, wisse aber nicht, ob er diese dann weitergeben könne.
Durchgeführt worden sei die Überwachung vom GCHQ. Der Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden hatte vergangene Woche von einer weitreichenden Überwachung des Internets vor allem durch den Abhördienst NSA berichtet. Der „Guardian“ hatte exklusiv mit Snowden zusammengearbeitet.
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