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Proeuropäischer Polterer auf Prager Burg

Der tschechische Staatspräsident Milos Zeman - am Samstag 100 Tage im Amt - bleibt seinem Ruf nichts schuldig. Wie schon in den Zeiten, als er noch Regierungschef war (1998 bis 2002), zeigt er auch jetzt, dass er ein starkes Staatsoberhaupt sein will. Umso mehr, als er der erste direkt vom Volk gewählte Präsident in der Geschichte Tschechiens ist, was er selbst mit Vorliebe betont.

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Seine Entschlossenheit gibt er innen- wie außenpolitisch zu erkennen. Schon bald nach der Übernahme des Amtes von seinem EU-kritischen Vorgänger Vaclav Klaus ließ Zeman die blaue Flagge mit dem gelben Sternenkranz auf der Prager Burg hissen, um zu demonstrieren, dass er ein „Euroföderalist“ - wie er selbst sagt - ist. Tatsächlich fährt er einen weit europafreundlicheren Kurs, als man es bis dahin aus Prag gewöhnt war.

Befürworter des Euro

Sogar den Euro möchte Zeman in seinem Land einführen, obwohl die Haltung des konservativen Premiers Petr Necas wie auch eines bedeutenden Teils der Öffentlichkeit wegen der aktuellen Schuldenkrise in der Euro-Zone dazu zurückhaltend, wenn nicht kritisch ist. So ratifizierte Zeman ohne Zögern das, was Klaus abgelehnt hatte - die Ergänzung des Artikels 136 des Lissabon-Vertrages, was die Schaffung des Euro-Rettungsschirmes ESM ermöglichte. Mit dem Beitritt seines Landes zur Euro-Zone hat es der studierte Wirtschaftsingenieur Zeman aber nicht eilig: Das sollte nach seiner Auffassung „nicht früher als in fünf Jahren“ geschehen.

Hardliner bei Sudetenthema und Temelin

Dagegen nichts Neues bringt Zemans Haltung zum Thema der Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem er die Sudetendeutschen einst als die „fünfte Kolonne von Adolf Hitler“ bezeichnet hatte, die mit der Vertreibung noch milde davongekommen sei, sprach er kürzlich im APA-Interview ähnlich: „Wenn man Bürger eines Landes war und mit einem Land kollaborierte, das sein Land okkupierte, dann ist die Vertreibung moderater als zum Beispiel die Todesstrafe.“

Auch bei einem anderen traditionellen Streitthema mit Österreich - Temelin und sein geplanter Ausbau - bleibt Zeman, der das Atomkraftwerk einst als Premier feierlich in Betrieb genommen hatte, bei seiner Meinung. Mit dem Melker Prozess sei ein System geschaffen worden, das Österreich „überstandardmäßige Sicherheitsinformationen“ garantiere, so der tschechische Staatschef.

„Keine Maschine nur für Unterschriften“

Innenpolitisch versucht Zeman vor allem seine Kompetenzen zu stärken. Obwohl mit der Einführung der Volkswahl des Staatschefs dessen Vollmachten nicht geändert wurden, nutzt sie Zeman bis auf den letzten Punkt aus. Er wolle „keine Maschine nur für Unterschriften“ sein. Sofort schaltete sich Zeman in den Prozess der Entsendung von neuen Botschaftern ins Ausland ein, einschließlich jener, die bereits vor seinem Amtsantritt die Billigungsprozedur absolviert hatten, und für deren Bestellung nur die erforderliche Unterschrift des Präsidenten fehlte.

So beharrt Zeman trotz des Widerstands von Außenminister Karel Schwarzenberg auf der Ernennung der Ehefrau seines Amtsvorgängers Klaus, Livia Klausova, zur Chefin der diplomatischen Mission in Bratislava und der Bestellung des kommunistischen Europaabgeordneten und tschechoslowakischen Astronauten Vladimir Remek zum Botschafter in Moskau. Bis jetzt dauert der Streit an - eine baldige Lösung scheint nicht in Sicht.

Rache an kritischem Uniprofessor?

Seine Kompetenzen betonte Zeman auch im Streit über die Ernennung eines neuen Universitätsprofessors, wofür die Unterschrift des Staatschef nötig ist, auch wenn es sich eher um eine Formsache handelt. Zeman zögerte zunächst, den Literaturwissenschaftler Martin C. Putna zu bestätigen, obwohl dieser alle dafür erforderlichen Bedingungen erfüllt hatte. Putna hatte Zeman im Wahlkampf kritisiert, weshalb dem Staatschef vorgeworfen wurde, sich an ihm rächen zu wollen.

Zeman wies den Vorwurf zurück und argumentierte mit einem „unwürdigen Verhalten“ Putnas bei einem Homosexuellenmarsch in Prag. Der bekennende Katholik und Homosexuelle Putna hatte bei dem Marsch ein Plakat getragen, mit dem er Rechtsradikalen ironisch einen „freundlichen Gruß katholischer Tunten“ ausrichtete. Nach Protesten aus der akademischen Welt gab Zeman schließlich nach und unterzeichnete den Titel für Putna, allerdings übergab er ihm das Dekret nicht persönlich wie üblich, sondern überließ das dem Unterrichtsminister.

Polarisierend wie eh und je

Nicht einmal seine „Bonmots“ hat Zeman vergessen. Seinen Alkoholkonsum rechtfertigte er mit einem umstrittenen Hitler-Vergleich. Hitler sei abstinent gewesen und habe den Krieg verloren, während Winston Churchill viel getrunken und den Krieg gewonnen habe.

Laut einer Umfrage des Prager Meinungsforschungsinstituts STEM/MARK sind 49 Prozent der Tschechen mit Zemans Amtsführung unzufrieden, während 47 Prozent zufrieden sind. Die restlichen vier Prozent der Befragten hatten keine Meinung. In der zweiten Runde der Präsidentenwahl hatten Ende Jänner noch 54,8 Prozent der Wähler für Zeman gestimmt. Sein Kontrahent damals, Schwarzenberg, hatte in der Stichwahl 45,2 Prozent der Stimmen erhalten.

Petr Senk, APA