Ereignisse überschlagen sich
Seit der Nacht auf Donnerstag läuft in Prag eine große Polizeiaktion gegen die politische Spitze des Landes. Die Regierungszentrale, mehrere Ministerialgebäude sowie Privatadressen wurden und werden in einer Razzia von Hunderten Einsatzkräften der Antikorruptionspolizei durchsucht. Mehrere hochrangige Politiker sind in Haft.
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Ex-Agrarminister Ivan Fuksa und der frühere Abgeordnete Petr Tluchor wurden offenbar ebenso festgenommen wie Jana Nagyova, Bürochefin von Ministerpräsident Petr Necas. Auch mehrere ehemalige Parlamentsabgeordnete und amtierende hochrangige Beamte seien in Haft, berichteten die tschechischen Medien. Unter den Festgenommenen soll sich den Berichten zufolge auch ein früherer Chef des Militärgeheimdienstes befinden, der heute für die Staatsreserven verantwortlich ist, sowie der Chef der Budvar-Brauerei.
Wilde Gerüchte über Ministerpräsidenten
Die Polizei bestätigte den Einsatz, die Festnahmen zunächst aber nicht. Auch am Donnerstag wahrte die Exekutive weiterhin größte Geheimhaltung. „Was ich in diesem Moment sagen kann, ist, dass eine Aktion umgesetzt wird“, so Polizeisprecher Pavel Hantak. Alles geschehe unter der Aufsicht der Staatsanwaltschaft und alles sei ordnungsgemäß gebilligt worden, so Hantak.
Die beispiellose Polizeiaktion traf die Verdächtigen offenbar gänzlich unvorbereitet. Regierungssprecher Jiri Hrubes gestand ein, er habe keine Informationen über die Polizeiaktion und wollte sich nach eigenen Worten erst äußern, wenn sich das geändert habe. Premier Necas ist abgetaucht - es gibt Gerüchte, wonach er wegen eines nicht näher bezeichneten Notfalls in ein Spital eingeliefert worden sei.
Razzien und Festnahmen im ganzen Land
In den Medien hieß es, dass die Razzia unter anderem mit Ereignissen rund um die Tschechische Bahn (CD), die Bundesforste der Tschechischen Republik und mit Finanztransaktionen um den umstrittenen Lobbyisten Roman Janousek zusammenhängt. Das Ausmaß des Skandals ist indes nicht abzuschätzen, offenbar handelt es sich um einen lange geplanten Schlag der Antikorruptionsbehörde gegen die gesamte politische Elite des Landes.
Razzien wurden auch im Prager Rathaus und darüber hinaus in Einzelaktionen im ganzen Land durchgeführt. Präsident Milos Zeman beorderte die Staatsspitze für den Abend auf die Prager Burg zum Rapport. Die Opposition rief bereits lautstark nach dem Rücktritt der gesamten Regierung und Neuwahlen. Das Parlament unterbrach aufgrund der Polizeiaktion seine Sitzung - und suchte ebenfalls nach Necas.
Necas’ engstes Umfeld betroffen
Unter Berufung auf Polizeikreise hieß es in der tschechischen Zeitung „Dnes“ (Onlineausgabe), es gehe um Korruption in den Reihen von Necas’ konservativer Regierungspartei ODS in den Jahren von 2009 bis 2012. Unklar war vorerst, ob auch Politiker anderer Parteien betroffen sind. Die linken Parteien, die derzeit in Tschechien in der Opposition sind, waren dem Anschein nach vorerst nicht im Visier der Behörden.
Tatsache ist, dass Necas’ engstes politisches Umfeld von den Skandalen betroffen ist. Nagyova gilt als rechte Hand des Regierungschefs und ist seit Jahren seine politische Weggefährtin. Fuksa und Tluchor gehörten zu einer Gruppe von ODS-Parteirebellen, die letztes Jahr ihren Widerstand gegen die Parteilinie in einem heiklen Streit über die Mehrwertsteuer aufgaben und kurz darauf auf lukrative Aufsichtsratsposten in Staatsbetrieben wechselten.
Österreichische Polizeihunde im Einsatz
Ins Visier der Ermittler geriet auch der Unternehmer Ivo Rittig, dessen Unternehmenssitz in Prag die Polizei in Begleitung von „mindestens zwei Männern in kugelsicheren Westen mit der deutschsprachigen Aufschrift ‚Polizei‘“ aufsuchte. Diese Männer in Uniformen, die nicht der tschechischen Polizei angehört hätten, hätten dann aus dem Haus „Schachteln gebracht und den Ort in einem Auto mit österreichischem Kennzeichen verlassen“, berichtete das Nachrichtenportal Novinky.
Das österreichische Innenministerium bestätigte eine Unterstützung der tschechischen Polizei durch österreichische Polizisten. Allerdings gebe es „keinen Ermittlungsbezug nach Österreich“, betonte Sprecher Karl-Heinz Grundböck gegenüber der APA. Die Unterstützung sei rein technischer Natur. „Es geht um Diensthunde mit Spezialausbildung, die für die tschechische Polizei nicht zur Verfügung stehen.“ Die Hunde können Geld erschnüffeln.
Ruf nach vorgezogener Parlamentswahl
Die Opposition forderte unterdessen eine gründliche Erklärung von Necas zu den Ereignissen. Sollte sich der Verdacht gegen Nagyova bestätigen, könnte sich der Vizechef der Sozialdemokraten, Lubomir Zaoralek (CSSD), nach eigenen Worten nicht vorstellen, dass Necas im Amt bleibe. Auch aus der Koalitionspartei TOP 09 des Außenministers Karel Schwarzenberg verlautete, dass Necas in diesem Fall sein Amt zurücklegen müsste. Senatschef Milan Stech (CSSD) sprach über die Notwendigkeit einer „baldigen vorgezogenen Parlamentswahl“.
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