EU-Projekt stößt auf Widerstand
Die Pläne der EU-Kommission für eine Vereinheitlichung des europäischen Luftraums stoßen auf wachsenden Widerstand. Am Mittwoch waren Protestaktionen in mehreren EU-Staaten geplant, in Frankreich wurden bereits den zweiten Tag in Folge rund 1.800 Flüge gestrichen.
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Hintergrund der Arbeitsniederlegungen sind befürchtete Auswirkungen des vor rund zehn Jahren lancierten Projekts eines Einheitlichen Europäischen Luftraums (EEL). Das Projekt hat zum Ziel, den Luftraum über Europa über nationale Grenzen hinweg in größeren und damit effizienteren Bereichen zusammenzufassen. Derzeit gleicht der Luftraum über Europa noch einem Fleckerlteppich: Nahezu jedes Land überwacht sein eigenes Gebiet, der Luftraum ist in mehr als 650 Sektoren unterteilt.
Im Schnitt 42 Kilometer Umweg pro Flug
Wegen dieser Zerstückelung können Flugzeuge oft nicht die direkte Route nehmen. Dadurch ist laut EU jeder Flug im Schnitt 42 Kilometer länger als nötig. Das bedeute mehr Zeit, mehr Kerosinverbrauch und eine stärkere Umweltbelastung. Auf rund fünf Mrd. Euro beziffert Brüssel die Kosten dieser Ineffizienz - zu zahlen von Airlines und Passagieren.
Zudem sei die Technologie für die Flugsicherung überaltert, so die Kommission. Sie hatte deshalb schon um die Jahrtausendwende eine Modernisierung und Harmonisierung in Angriff genommen. Bisher wurde allerdings nur eine Zusammenfassung des Luftraums in neun Blöcke erreicht, von denen nach dem Urteil von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas kein einziger richtig fertig ist.
Als Paradebeispiel für eine funktionierende Organisation des Flugverkehrs gelten der EU-Kommission die USA. Der Luftraum über den Vereinigten Staaten entspricht in der Größe etwa dem Europas. Obwohl dort mehr Flugzeuge unterwegs seien, kostet die Flugsicherung nach Angaben der EU-Kommission fast nur die Hälfte.
Kallas plant Stärkung der Eurocontrol
Die Umsetzung stockt nun schon seit geraumer Zeit. Am Dienstag warnte Kallas in Straßburg, dass sich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren der Luftverkehr um 50 Prozent verstärken könnte - dann drohe eine Kapazitätskrise. Um das Vorhaben des EEL voranzubringen will Kallas die europäische Flugsicherung Eurocontrol in Brüssel stärken und dort Leistungen zentralisieren.

Reuters/Francois Lenoir
EU-Verkehrskommissar Kallas drängt auf schnelle Reformen
Für die weitere Durchsetzung der Reform will Kallas zudem der Kommission selbst mehr Kompetenzen geben. Denn die Verzögerung beim SES liege daran, „dass im derzeitigen System die Mitgliedsstaaten das letzte Wort haben, wenn es um die Festlegung von Zielen und das Nachsteuern bei einem Verfehlen der Ziele geht“.
Kallas will zudem eine strikte Trennung der Flugverkehrskontrolldienste, also vor allem der Fluglotsen und der über sie wachenden Aufsichtsbehörden. Derzeit seien die Behörden de facto oft von den Diensten abhängig, was auch die Sicherheit beeinträchtige. Dienste wie Wetterexperten und Kommunikationsanbieter, die die Kontrolldienste unterstützen, sollen einander künftig in normalen öffentlichen Ausschreibungen Konkurrenz machen, statt wie bisher von Monopolen zu profitieren.
Frankreich und Deutschland gegen Liberalisierung
Diese Liberalisierung ist besonders umstritten. Frankreichs Verkehrsminister Frederic Cuvillier sagte im Sender RTL, er habe gemeinsam mit dem deutschen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ein Memorandum an Kallas gerichtet, in dem ein Aussetzen dieses Liberalisierungsvorhabens gefordert wird. Die Pläne der EU-Kommission würden die Effizienz der französischen Luftraumüberwachung gefährden. „Frankreich unterstützt diese neue Initiative der EU-Kommission nicht“, so der Minister. Fluglotsen fürchten, dass die Liberalisierung zu Einsparungen führt und damit nicht nur Jobs im Bereich der Luftraumüberwachung, sondern auch die Sicherheit der Passagiere gefährdet seien.
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