Mordauftrag von höchster Stelle
Der deutsch-ägyptische Autor und Politologe Hamed Abdel-Samad ist nach Morddrohungen gegen ihn abgetaucht. Der Autor wurde nach islamkritischen Äußerungen bei einem Vortrag in Kairo von radikalen Islamisten mit der Fatwa belegt. „Hamed Abdel-Samad nimmt den Mordaufruf ernst und ist derzeit untergetaucht“, teilte sein Verlag Droemer Knaur in München mit.
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In seinen Büchern wie „Der Untergang der islamischen Welt“ und „Krieg oder Frieden: Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens“ aber auch via Soziale Netzwerke geht Abdel-Samad mit dem Islam scharf ins Gericht. Er spricht sich für einen „Islam ohne Scharia, ohne Dschihad, ohne Missionierung, ohne Geschlechterapartheid und ohne Anspruchsmentalität“ aus und ist gern gesehener Gast bei Diskussionsrunden und Veranstaltungen. Doch nun hat er sich ausgerechnet in seinem Geburtsland Ägypten mächtige Feinde gemacht.
Zum „Ungläubigen“ erklärt
Nach einem islamkritischen Vortrag in Kairo in der vergangenen Woche hatten Assem Abdel Maged, ein führendes Mitglied der radikalen ägyptischen Gruppe al-Gamaa al-Islamija, und der Salafist Mahmud Schaaban den Autor mit deutschem Pass in einer Sendung des TV-Senders al-Hafez zum „Ungläubigen“ erklärt. Zahlreiche Seiten der Salafisten und Muslimbrüder im Internet griffen die Ächtung auf und zeigten nach Verlagsangaben das Bild des Autors mit der Überschrift „Wanted Dead!“.
Bekannt durch TV-Serie
Hamed Abdel-Samad, der 1972 in Ägypten als Sohn eines Imam geboren wurde, lebt seit seinem 23. Lebensjahr in Deutschland. Neben seinen Büchern wurde er auch durch die TV-Serie „Entweder Broder - Die Deutschland-Safari“ an der Seite von Henryk M. Broder bekannt.
In der Rede, die Abdel-Samad auf Einladung der säkularen Kräfte in Ägypten hielt, erklärte er, die Eroberung der Stadt Mekka durch die Anhänger des Propheten Mohammed habe die Saat gelegt, aus der später der „religiöse Faschismus“ entstanden sei. Auch habe sich laut seiner These der religiöse Faschismus in Ägypten erst mit dem Aufstieg der Muslimbruderschaft ausgebreitet.
Abdel-Samad selbst geht davon aus, dass die Hetzkampagne gegen ihn von höchster Stelle geleitet wird. „Abdel-Maged ist in meinen Augen ein enger Verbündeter von (Staatspräsident Mohammed, Anm.) Mursi“, sagte Abdel-Samad in einem Interview mit dem „Spiegel“ (Onlineausgabe) vor wenigen Tagen. „Ich finde es unhaltbar, dass Mursi es nicht verurteilt, wenn im ägyptischen Fernsehen offen und mehrfach zum Mord gegen eine Person aufgerufen wird.“
Hetzjagd im Internet gestartet
So seien im Internet auch Adressen von Orten veröffentlicht worden, wo sich Abdel-Samad öfters aufhält. „Obwohl diese Seite mehrfach gemeldet wurde, ist sie mit kurzen Unterbrechungen seit fast einer Woche online“, kritisierte Abdel-Samad. Seitdem versucht er seinen Aufenthaltsort geheim zu halten. Aber auch die seit der Machtübernahme der Muslimbrüder neu gegründeten TV-Sender wie al-Hafezh oder al-Nas wiederholten die Todesdrohungen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) berichtet. Diese Fernsehsender bieten radikalen Predigern eine breite Plattform, offene Diskussionen über islamkritische Themen werden hingegen komplett vermieden.
In dem „Spiegel“-Interview forderte er auch die deutsche Bundesregierung auf, einzugreifen. „Als deutscher Staatsbürger erwarte ich zugleich von Bundeskanzlerin (Angela, Anm.) Merkel und Außenminister (Guido, Anm.) Westerwelle, dass sie den Aufruf aufs Schärfste kritisieren und Präsident Mursi dazu aufrufen, ihn ebenfalls zu verurteilen.“
Deutsche Regierung entrüstet
Innerhalb der deutschen Regierung stößt der öffentliche Mordaufruf auf Entrüstung. Solch ein Handeln sei „durch nichts zu rechtfertigen“, sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, der „Süddeutschen Zeitung“. „Ich erwarte, dass sich die ägyptische Regierung deutlich und unmissverständlich davon distanziert“, sagte Löning. Zudem forderte er die Regierung in Kairo auf, die Sicherheit des Politologen zu gewährleisten.
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich betroffen. „Nicht nur Mord ist ein Verbrechen, sondern auch der Aufruf zum Mord. Ich bin tief betroffen, dass Hamed Abdel-Samad angesichts der Drohungen nun untertauchen musste, um sich zu schützen“, sagte er. „Die fragilen Fortschritte im Ägypten nach Mubarak scheinen jetzt infrage gestellt zu werden. Umso dringender ist es, dass sich die ägyptische Regierung von derlei verbrecherischen Aufrufen klar distanziert“, so Gabriel.
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