Empörung in Europa
Der junge Amerikaner, der hinter den jüngsten Enthüllungen über weltweite Internetschnüffelaktionen der US-Regierung steckt, hat sich mit seinem selbst gewählten Outing am Sonntag zum Ziel gemacht: Sowohl der US-Militärgeheimdienst NSA als auch das US-Justizministerium bestätigten indirekt, dass sie den 29-jährigen Edward Snowden im Visier haben.
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Ohne Snowden beim Namen zu nennen, erklärten NSA und US-Justizministerium fast wortgleich im Hinblick auf den Fall, man sei am Beginn einer strafrechtlichen Untersuchung. Der Verweis auf das Strafrecht war wohl nicht zufällig gewählt: Snowden hat in Hongkong Zuflucht gesucht. Der Auslieferungsvertrag der chinesischen Sonderverwaltungszone mit den USA besagt wiederum, dass Hongkong niemanden wegen politisch motivierter Motive ausliefern darf oder wenn ein ordentlicher Prozess in den USA nicht gewährleistet ist.
US-Rufe nach „voller Härte des Gesetzes“
Snowden kann sich indes nicht in Sicherheit wiegen. Hongkong hatte etwa im Jahr 2003 drei Al-Kaida-Verdächtige anstandslos an die USA ausgeliefert. Umgekehrt verweigerte Hongkong etwa die Auslieferung eines Iraners im Jahr 2008, der unter Umgehung der Handelssanktionen von Washington aus Flugzeugteile in den Iran geleitet haben soll. Ohnehin hat Hongkong selbst in der Angelegenheit aber nicht das letzte Wort: Laut dem Auslieferungsvertrag hat China bei Fällen, in denen eigene außenpolitische Interessen betroffen sind, das Sagen.
In Washington ruft auch schon die Politik nach einer Auslieferung Snowdens. Der Republikaner Peter King, Mitglied im Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses, forderte die Einleitung entsprechender Schritte. Er rief außerdem zu einer „Strafverfolgung mit der vollen Härte des Gesetzes“ auf, sollte Snowden tatsächlich der Informant über das NSA-Geheimprogramm „Prism“ sein, bei dem vor allem Nicht-Amerikaner durch Internetknotenpunkte wie Google, Facebook, Microsoft und Apple ausspioniert werden.
Von Soyasauce geschützt
Snowden war vor rund drei Wochen mit geheimen NSA-Dokumenten nach Hongkong geflohen. Nun fürchtet er um sein Leben. Laut dem britischen „Guardian“, gemeinsam mit der „Washington Post“ Snowdens mediales Sprachrohr, sichert er sein Hotelzimmer etwa regelmäßig mit einer Flasche Soyasauce, die er hinter seine Zimmertüre stellt - damit etwaige Eindringlinge automatisch auffällige Spuren hinterlassen. Um Passwörter in seinen Computer einzugeben, flüchtet Snowden angeblich unter eine Decke.
Auf Asyl in seinem Wunschziel Island hat Snowden vorerst keine Chance. Ein Verfahren könne nur im Land selbst eingeleitet werden, teilte die isländische Botschafterin in Peking, Kristin Arnadottir, der „South China Morning Post“ am Montag mit. Zum Asylwunsch des 29-Jährigen äußerte sie sich nicht. Ein Verfahren zur Auslieferung an die USA könnte umgekehrt Monate, wenn nicht Jahre dauern, sind sich Experten einig. Snowden selbst ist jedenfalls überzeugt: „Ich glaube nicht, dass ich mein Zuhause jemals wiedersehen werde“ - Video dazu in iptv.ORF.at.
Deutschland will Überwachung nicht hinnehmen
Politische Wellen schlägt der Fall auch in Europa. Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte umfassende Aufklärung. Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk sagte die Ministerin am Montag, die Dimension der Überwachung von Internetnutzern sei „besorgniserregend“. Sie will nun nach eigenen Angaben insbesondere klären, inwiefern auch Deutsche von der Datenüberwachung durch die USA betroffen sind.
Es müsse aufgeklärt werden, ob in Deutschland tätige Firmen über die Protokollierung von Verbindungsdaten informiert waren, ohne dabei ihre Kunden darüber in Kenntnis gesetzt zu haben, so Leutheusser-Schnarrenberger. Die Justizministerin erwartet nach eigenen Angaben, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Enthüllungen auch beim Deutschland-Besuch von US-Präsident Barack Obama zu Sprache bringen wird. Obama wird kommende Woche in Berlin erwartet.
Asyl in Österreich?
Mutmaßlich sind auch Österreicher vom Abzapfen des Datenstroms betroffen. Das heimische Justizministerium sieht die Zuständigkeit in diesem Fall jedoch beim Bundeskanzleramt, wie Ministeriumssprecher Sven Pöllauer gegenüber ORF.at sagte. EU-Kommissarin Viviane Reding zeigte sich am Montag angesichts der Überwachungsaktionen „beunruhigt über die möglichen Folgen für das Privatleben der europäischen Bürger“, verwies jedoch auf die Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Gerichte.
Der fraktionslose EU-Parlamentarier Martin Ehrenhauser forderte am Montag in einer Aussendung, Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) müsse „unverzüglich und konsequent Maßnahmen ergreifen, damit das umstrittene Programm eingestellt wird“. Der grüne Abgeordnete Peter Pilz wiederum will wie auch die Piratenpartei, dass Österreich Snowden Asyl gewährt. Der US-Armeeangehörige Bradley Manning, der mit Hilfe von WikiLeaks zum Teil schockierende Interna der US-Armee öffentlich machte und derzeit in den USA vor Gericht steht, solle ebenfalls gleich Asyl bekommen.
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