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Isreal bedauert Entscheidung

Österreich zieht seine Blauhelmsoldaten von den Golanhöhen ab. Das bestätigten am Nachmittag Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP).

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Spindelegger habe bereits mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon gesprochen und ihn persönlich über die Entscheidung der Bundesregierung informiert, hieß es in einer Aussendung am Nachmittag. „Die Entwicklung der heutigen Morgenstunden hat gezeigt, dass ein weiteres Zuwarten nicht mehr vertretbar ist“, erklärten Kanzler und Vizekanzler. Die Bewegungsfreiheit der Blauhelme sei „de facto nicht mehr gegeben“, die Gefährdung der österreichischen Soldaten „auf ein inakzeptables Maß angestiegen“.

Die UNO verlautbarte in einer ersten Reaktion, dass der Einsatz mit dem Österreich-Abzug sein „Rückgrat“ verliere. Der Rückzug der 378 Bundesheersoldaten beeinflusse die „operative Kapazität“ der UNDOF-Mission, so Josephine Guerrero am Donnerstagnachmittag. Die UNO diskutiere derzeit mit Österreich über den Zeitpunkt des Abzugs. Zudem werde mit anderen Truppenstellern über einen entsprechenden Ersatz beraten.

Unübersichtliche Sicherheitslage

Grund des Abzugs ist die immer unübersichtlich werdende Sicherheitslage. Nach der vorübergehenden Einnahme des Grenzpostens bei Kuneitra und der Wiedereroberung durch Einheiten der syrischen Armee habe eine Lagebesprechung mit dem Generalstab und Vertretern des Außenministeriums stattgefunden, heißt es in der Erklärung weiter. „In der Folge erklärte uns der Verteidigungsminister, dass nach Rücksprache mit den Verantwortlichen seines Ressorts die Teilnahme des österreichischen Bundesheeres an der UNDOF-Mission aus militärischen Gründen nicht mehr aufrechterhalten werden kann.“

Fischer: „Richtige Entscheidung“

Bundespräsident Heinz Fischer bezeichnete den Beschluss Donnerstagnachmittag als „richtige Entscheidung“. Die Bundesregierung habe im richtigen Moment entschieden, dass die Sicherheit der Soldaten nicht mehr gewährleistet sei. Der Schritt sei verantwortungsvoll überlegt worden, sagte Fischer nach Angaben seiner Sprecherin Astrid Salmhofer vor Journalisten in Klagenfurt.

Israel bedauerte die Entscheidung Österreichs. „Wir wissen den langjährigen Beitrag Österreichs und seine Verpflichtung zum Schutz des Friedens in Nahost zu schätzen. Gleichzeitig bedauern wir diese Entscheidung und hoffen, dass sie nicht zu einer weiteren Eskalation in der Region führen wird“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem am Donnerstag. Israel erwartet, dass die Vereinten Nationen (UNO) ihren Verpflichtungen aus der Resolution des UNO-Sicherheitsrates 350 von 1974 weiter nachkommen werden.

Opposition begrüßt Abzug

Die Opposition begrüßte den Abzug. FPÖ, Grüne, BZÖ und Team Stronach (TS) hatten den Rückzug bereits vor der Entscheidung der Bundesregierung verlangt. Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz meinte, das Verteidigungsministerium sei „zur Vernunft gekommen“. Der gemeinsame Druck von Außenministerium und Opposition habe nach Ansicht von Pilz dazu geführt, „dass ein unhaltbares Mandat aufgegeben und die Sicherheit unserer Soldaten nicht noch weiter gefährdet wird“.

Aussichtsturm beim Grenzposten Kuneitra

APA/EPA/Atef Safadi

Der umkämpfte Grenzübergang Kuneitra

FPÖ-Kritik an Fischer

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache meinte, die Bundesregierung habe nun offenbar ihre Realitätsverweigerung beendet und begriffen, dass die österreichischen Soldaten in dieser Region immens gefährdet seien. Deren Rückführung nach Österreich müsse nun so rasch wie möglich über die Bühne gebracht werden, verlangte Strache. Kritik übte der FPÖ-Chef an Fischer, der sich noch zu Mittag gegen einen vorzeitigen Abzug ausgesprochen habe. Das sei eine unverständliche Haltung des Staatsoberhaupts.

BZÖ: „Einzig richtiger Schritt“

BZÖ-Obmann Josef Bucher hält den Abzug ebenfalls für den „einzig richtigen Schritt“, weil die Gefährdung der österreichischen UNO-Soldaten offensichtlich zu groß geworden sei. Diese Mission sei zwar von immenser Bedeutung, die Sicherheit und Gesundheit der Soldaten gehe jedoch vor. „Österreich hat inmitten von Kampfeinsätzen zwischen syrischen Rebellen und Regierungstruppen nichts verloren“, sagte Bucher.

Aufsteigender Rauch und Aussichtsturm auf dem Golan

APA/EPA

Die Gefechte um Kuneitra

Für TS-Klubobmann Robert Lugar ist der Abzug ebenfalls ein „logischer und vernünftiger Entschluss“. Es habe einfach keinen Sinn, das Leben der österreichischen Blauhelme aufs Spiel zu setzen - „für eine Friedensmission, die angesichts des innersyrischen Konflikts nicht aufrechterhalten werden kann“, so Lugar.

40-jährige Friedensmission zu Ende

Die UNO-Truppe auf den Golanhöhen überwacht seit 1974 die Einhaltung der Waffenstillstandsvereinbarung Israels mit Syrien. Österreich stellt mit 380 Soldaten etwa ein Drittel der UNO-Truppe. Andere Länder wie Japan und Kroatien hatten wegen der zunehmenden Gewalt ihre UNO-Soldaten bereits abgezogen. Soldaten aus Österreich, Indien und den Philippinen waren bis zuletzt noch dort stationiert.

Das Verteidigungsministerium steht nach eigenen Angaben mit der Abteilung für Friedenseinsätze der UNO in Kontakt, um nun die Voraussetzungen für einen geordneten Rückzug der österreichischen Blauhelme zu schaffen.

Einnahme von Grenzposten als Auslöser

Am Donnerstag hatten syrische Rebellen den Stützpunkt Kuneitra an der Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien kurzzeitig unter ihre Kontrolle gebracht und damit eine wichtige Transportroute blockiert. Denn mit der Einnahme Kuneitras hatten die Aufständischen nicht nur die Kontrolle über das Trümmerfeld, das einst die Stadt Kuneitra war, sondern vor allem über das Eingangstor in das Einsatzgebiet der Blauhelme, durch das mittlerweile sämtliche Güter- und Truppentransporte erfolgen, erlangt.

Die syrischen Regierungstruppen eroberten den Grenzübergang zwar nach wenigen Stunden zurück, die Eskalation zeigte aber die Verwundbarkeit der Blauhelme durch die immer heftiger werdenden Kämpfe in der theoretisch demilitarisierten Zone erneut auf. Bei den Gefechten am Donnerstag wurden nach Angaben der Vereinten Nationen zwei Blauhelmsoldaten leicht verletzt. Die UNO gab zunächst nicht bekannt, welcher Nationalität die verletzten Soldaten angehörten. Österreichische UNO-Soldat seien jedenfalls keine zu Schaden gekommen, hieß es.

Granaten auf israelischer Seite eingeschlagen

Im Rahmen eines „Shelter-Alarms“ hatten sich die österreichischen Soldaten während der Gefechte zwischen syrischen Rebellen und den Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in die Bunker zurückgezogen. Im Zuge der Kampfhandlungen seien auch auf israelisch kontrollierter Seite einige Granaten eingeschlagen, darunter beim Logistikbataillon der UNO-Truppen im unmittelbar an der Waffenstillstandslinie gelegenen Camp Ziouani, so der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst Michael Bauer. Das Camp wird von indischen Blauhelmen betrieben, es halten sich aber auch einige Österreicher dort auf. Laut Bauer waren aber auch sie nicht in unmittelbarer Gefahr, es habe sich bei den Einschlägen auch um keinen gezielten Beschuss gehandelt.

Verschleppung von Blauhelmen

Bei Kämpfen zwischen syrischen Rebellen und Regierungstruppen auf den Golanhöhen waren immer wieder Geschoße auf der israelischen Seite der Waffenstillstandslinie eingeschlagen. Vor zwei Wochen wurde eine israelische Patrouille von syrischen Soldaten beschossen. Zudem verschleppten Aufständische wiederholt Blauhelmsoldaten, die im Auftrag der Vereinten Nationen die Einhaltung der Waffenstillstandslinie überwachen sollen.

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