Späte Reue, nicht ganz freiwillig
Es ist ein historisches Eingeständnis, zu dem sich die britische Regierung durchringen musste. Außenminister William Hague sagte am Donnerstag, die Regierung erkenne an, dass während des Mau-Mau-Aufstandes von 1952 bis 1960 Kenianer gefoltert wurden. Ganz freiwillig kommt die späte Reue nicht. Einige Opfer hatten jahrelang für ihr Recht gekämpft und von der britischen Justiz schließlich recht bekommen.
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Er wolle klarstellen, dass die Regierung den Schmerz und den Kummer der Kenianer verstehe, sagte Hague. Auch er wies darauf hin, dass es sich um eine historische Aussage handle. Es seien „abscheuliche Verstöße“ gegen die menschliche Würde gewesen, die man nun uneingeschränkt verurteile. Die Niederschlagung des Mau-Mau-Aufstands gilt als blutigster Kolonialkrieg der Briten.
Guerillakrieg gegen Kolonialherren
Hague kündigte Entschädigungszahlungen an 5.228 überlebende Opfer an, insgesamt sollen 19,9 Millionen Pfund (23,4 Mio. Euro)ausbezahlt werden. Zudem soll in der Hauptstadt Nairobi ein Denkmal errichtet werden. Gleichzeitig hielt der Außenminister aber an der bisherigen Haltung fest: Rechtlich sei Großbritannien nicht verantwortlich, sondern die Kolonialadministration in Kenia. Schon zuvor hatte Großbritannien argumentiert, dass der Staat Kenia der Rechtsnachfolger sei.
In Kenia hatten Aufständische in den 1950er Jahren ihr Land von den Kolonialherren zurückgefordert. Vor allem die Kikuyu, die größte Ethnie des Landes, waren zuvor systematisch unterdrückt wurden, ihr Land wurde zugunsten weißer Kolonialherren enteignet. Während sich die schon 1944 gegründete Kenya African Union eher politisch zu wehren versuchte, griff der militante Arm in einem Guerillakrieg nicht nur die Kolonialmacht, sondern auch Kollaborateure unter den Landsleuten an.
Zehntausende Opfer
Die Rebellen nannten sich selbst „Land and Freedom Army“, die Bezeichnung „Mau Mau“ stammt von den Briten. Diese erklärten 1952 den Ausnahmezustand und begannen einen Krieg gegen die Aufständischen - und alle, die sie dafür hielten. 1960 galt der Aufstand als beendet, erst 1962 wurde der Ausnahmezustand aufgehoben. Wie viele Opfer die acht Jahre forderten, ist unklar. Laut offiziellen Zahlen wurden rund 12.000 Aufständische getötet.

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Viele Kenianer wurden für Unterstützung der Aufständischen bestraft
David Anderson, Professor für afrikanische Politik an der Oxford University, spricht gegenüber der BBC von 25.000 Toten. Die Kenianische Menschenrechtskommission schätzt, dass insgesamt 90.000 Kenianer hingerichtet, gefoltert oder verstümmelt wurden. 160.000 Menschen wurden in Internierungslager gebracht und verschwanden dort teilweise für Jahre. Gewalt und Folter standen auf der Tagesordnung. Auch wenn die Aufständischen schließlich besiegt waren, mussten die Briten Kenia die Eigenständigkeit zugestehen. 1963 wurde Kenia in die Unabhängigkeit entlassen.
Kolonialer Blick erst spät überwunden
Doch auch noch zu diesem Zeitpunkt verteufelten europäische Medien die Aufständischen: Von wild gewordenen, blutrünstigen „Terroristen“ schrieb etwa der „Spiegel“ damals, weil im Konflikt ein paar Dutzend weiße Siedler den Tod fanden. In „Eingeborenenversammlungen“ hätten die Rebellen „die Vernichtung der weißen Farmer“ geplant, denen sie „die Bäuche aufschlitzen“.
Erst spät setzten sich andere Ansichten durch. Die Verbrechen der Kolonialherren, die systematischen Folterungen in den Internierungslagern und die Tausenden Verschleppten und Getöteten wurden auch von Historikern spät beachtet.
Überlebende kämpften für ihr Recht
Dass Großbritannien nun einlenken muss, ist vor allem der Hartnäckigkeit dreier Überlebender zu verdanken. Jane Muthoni Mara, Paulo Muoka Nzili und Wambugu Wa Nyingi kämpften sich durch etliche juristische Instanzen. Laut ihren Anwälten wurde Nzili kastriert, Nyingi schwer geschlagen und Mara Opfer schweren sexuellen Missbrauchs. Ein vierter Kläger ist mittlerweile verstorben.

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Veteranen-Vertreter bejubelten den Erfolg der drei Klagsführer
Bereits 2011 war den Kenianern in einer ersten Entscheidung das Recht zugesprochen worden, die britische Regierung zu klagen. Im Juli hatte das Londoner Außenministerium eingeräumt, es habe in der fraglichen Zeit Folterungen gegeben, allerdings könne ein Verfahren nicht stattfinden, weil zu viele Zeugen bereits tot und Beweismittel unauffindbar seien.
Geheimdokumente zeigen britische Verbrechen
„Die britische Regierung hat alles getan, um die Klagen aus technischen Gründen abschmettern zu lassen“, berichtete Anwalt Martyn Day. Im Oktober des Vorjahrs bestätigte der High Court als oberstes Zivilgericht in London aber ein Klagerecht. Gleichzeitig wurde bekannt, dass die Briten jahrzehntelang 8.000 Dokumente gehortet hatten, die erst dann veröffentlicht wurden und tiefe Einblicke in die Folterpraktiken und andere Verbrechen der Briten in 37 Kolonien geben.
Doch auch von den kenianischen Behörden wurden die Opfer nicht unterstützt. Jomo Kenyatta, der erste Präsident Kenias, hielt ehemalige Mau-Mau-Aufständische aus der Regierung fern. Historiker meinen, dass seit damals vor allem „Loyalisten“ die politische Elite des Landes gebildet haben, also Kenianer, die mit den Briten zusammengearbeitet hätten, berichtet der „New Statesman“. Und das sei bis heute der Fall. Erst 2003 wurde das Mau-Mau-Verbot aufgehoben.
Folgen weitere Ex-Kolonien nach?
Dass sich Großbritannien so lange gegen Entschädigungszahlungen wehrte, liegt wohl kaum an der Summe, sondern an der Furcht, das Beispiel könnte Schule machen. Und tatsächlich gibt es auch in anderen ehemaligen Kolonialländern Bestrebungen, die Briten zur Rechenschaft zu ziehen, etwa im Jemen und in Israel, berichtet der New Statesman". In Malaysia hätten Inder bereits eine Klage angekündigt, weil die Kolonialmacht die indische Minderheit nicht vor der Diskriminierung durch die malaysischen Behörden geschützt habe.
Der „Guardian“ berichtet, zwei weitere Klagen seien in Vorbereitung. In Zypern würden Mitglieder der Widerstandsorganisation EOKA gegen Misshandlungen in den 50er Jahren vorgehen wollen, in Guyana will man sich für die Intervention britischer Truppen in den 50er und 60er Jahren schadlos halten.
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