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Kunst, die Haltung beweist

Lange hat man sich im Essl Museum auf diese Ausstellung vorbereitet - und sogar der Star selbst war an der Konzeption der Schau beteiligt: 34 Bilder von Tim Eitel, einem der wichtigsten Vertreter der Neuen Leipziger Schule, sind bis August in Klosterneuburg zu sehen.

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Tim Eitel, 1971 geboren, wird dieser Malerschule zugerechnet, auch Kunstsammler Karlheinz-Essl nennt ihn in diesem Zusammenhang. Essl erzählt, wie er auf deren ersten gemeinsamen Gruppenausstellung im Jahr 2003 in Leipzig war und sofort Blut geleckt hatte. Damit war er nicht alleine. Der Kunstmarkt giert nach Labels, und der neue gemeinsame figurative Stil von Kunststudenten, die von denselben Professoren an der Hochschule für Grafik und Druckkunst unterrichtet worden waren, schien marktgerecht und eingängig. Endlich wieder Kunst, auf die man sich einigen konnte.

Gemälde von Tim Eitel

ORF.at/Simon Hadler

Tim Eitel: „White Skirts“ (2013)

Mit Neo Rauch und seinen bunten Bildern, in denen neorealistische Elemente in surrealistischen Umgebungen platziert sind, war rasch der Star der Szene gefunden. Tim Eitel findet sich gleich in der zweiten Reihe hinter ihm. Kein Wunder, dass die meisten Künstler solcherart hierarchisiert über das gemeinsame Label nicht glücklich sind und sich um ihre Individualität betrogen fühlen. Aber Gemeinsamkeiten gibt es doch, wie man auch an der Eitel-Schau im Essl Museum sieht.

Vernissage verschoben

Das Essl Museum wurde wegen der Hochwassersituation geschlossen. Die Vernissage der Ausstellung wurde auf 18. Juni verschoben - sie öffnete aber bereits am Freitag. Zur Ausstellung ist ein Katalog (22 Euro) mit zahlreichen Abbildungen sowie einem Interview mit dem Künstler erschienen.

Ein Meister im althergebrachten Sinn

Eine Klammer um viele der Werke der jüngeren Generation von Künstlern aus Leipzig sind Figuren, die oft weder mit dem Betrachter noch miteinander kommunizieren. Eitel malt etwa einen Mann im Profil mit Kopfhörern und einem Rucksack. Menschen, die eine Treppe hinaufgehen oder abgewandt auf dem Boden liegen. Viele seiner Figuren werden von hinten gezeigt, etwa eine Gruppe von Mädchen in Schuluniform. Anfängliche Buntheit ist im Laufe der Jahre einem dunklen Ton gewichen, so dunkel, dass man sich mitunter anstrengen muss, die Motive noch erkennen zu können.

Im Hintergrund sieht man mittlerweile oft nicht viel mehr als ein diffuses Dunkel, aus dem sich die Figuren kaum abheben. Tritt man näher, erkennt man freilich die große Kunstfertigkeit, mit der die Bilder angefertigt wurden. Eitel ist ein Maler, der wirklich malen kann, ein Meister seines Fachs im althergebrachten Sinn. Widmet man seinen Bildern als Betrachter zu wenig Zeit, nimmt man sie im Vorbeigehen als ephemere Schatten wahr.

Künstler Tim Eitel

ORF.at/Simon Hadler

Eitel vor seinem Bild „Nebel“ (2010)

Viel Raum für wenig Bild

Das Essl Museum hat deshalb Mut bewiesen und den Bildern Raum gegeben - viel Raum. Gerade die kleinen Bilder hängen mit großen Abständen in den überhohen Räumen, sie wirken wie kleine Punkte auf einer großen weißen Fläche. Agnes Essl sagt, dass sie an ersten Besuchern bereits beobachten konnte, dass diese tatsächlich stehen geblieben sind und die Gemälde eingehend betrachteten. Sonst neige man eher dazu, kleine Werke links liegen zu lassen.

Was seine Kunst nicht ist

So dunkel wie seine Motive ist auch die Motivlage Eitels beim Malen. Im Katalog ist ein Interview von Kurator Günther Oberhollenzer mit Eitel veröffentlicht, in dem dieser vor allem sagt, was seine Malerei nicht ist, aber mit Aussagen darüber geizt, worum es ihm denn nun geht. Gegenüber ORF.at erklärt Eitel, er bilde Haltungen ab, aber nicht gesellschaftliche Grundhaltungen, sondern schlicht Körperhaltungen - die dann jedoch auf gewisse Art und Weise auch gesellschaftliche Grundhaltungen widerspiegeln würden. Aber darum gehe es ihm eigentlich nicht.

Er will keine politischen Aussagen treffen, weil Kunst, die das tue, den Betrachter bevormunde und ihm jede Freiheit nehme, das Bild auf jeweils individuelle Art zu dechiffrieren. Wobei er auch wieder nicht sagen wolle, dass die Bilder erst durch den Blick des Betrachters vervollständigt würden. Sie seien fertig. Eitel präsentierte sich im Essl Museum als Schattenwesen, dem verbale Kommunikation über Kunst nicht am Herzen liegt und der Bilder von Schattenwesen malt, die nicht aussehen, als würde ihnen ihrerseits zwischenmenschliche Kommunikation am Herzen liegen.

Ausstellungsansicht

ORF.at/Simon Hadler

Luftige Ausstellungskonzeption: Viel Raum auch für kleine Bilder

Hochkonzentriertes Arbeiten, Schicht für Schicht

Aufschlussreicher ist da schon seine Methode zu malen. An fünf, sechs Bildern würde er für jeweils fünf, sechs Monate gleichzeitig arbeiten, erklärt Eitel vor einigen seiner großformatigen Gemälde im Essl Museum stehend. Als Ausgangsmaterial dienen ihm dazu Fotografien. Die Kamera ist als digitales Notizheft stets dabei. Irgendeine Geste oder eben eine Haltung interessiere ihn. Meistens sei er mit dem Abdrücken aber zu spät dran.

Dann malt er im Atelier ohne Skizze eine erste Version, betrachtet sie immer wieder, übermalt sie, lässt Unwichtiges unter Farbschichten verschwinden. Bei jedem weiteren Durchgang kristallisiere sich mehr und mehr die Essenz des Bildes heraus. Es ist ein hochkonzentrierter Vorgang, und diese Konzentration spiegelt sich auch in den Bildern wider. Eitel hofft, dass Betrachter Situationen aus der eigenen Vergangenheit wiedererkennen.

Ölgemälde "Gathering"

Peter Kainz/VBK Wien/VG Bildkunst Bonn

Tim Eitel: „Gathering“ (2011)

Verschlusssache Tim Eitel

Eitel will sich ja nicht äußern, schon gar nicht politisch, aber dann tut er es doch, zumindest am Rande, auf die Frage einer Journalistin hin. Bei zwei seiner kleinformatigen Bilder gebe es eine inhaltliche Klammer. Eines davon zeigt zwei Polizisten in Kampfmontur, eines einen Kameramann bei der Arbeit. In beiden werde die zunehmende Überwachung in unserer Gesellschaft thematisiert.

Die „Zeit“ hat Eitel einmal in seinem Berliner Atelier besucht und ihn angesichts der schwindelerregenden Preise, die seine Werke bereits jetzt erzielen, gefragt, wie man denn mit dem schnellen Ruhm umgehen könne. Eine Nachdenkpause, dann Eitels Antwort: „Letztlich wohl nur, indem man sich verschließt.“

Simon Hadler, ORF.at

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