„Politischer Eiertanz“
Der Weltnichtrauchertag am Freitag ist einmal mehr Anlass für Appelle an Raucher und Warnungen vor den drastischen, vielfach tödlichen Folgen des Tabakkonsums gewesen. In zahlreichen europäischen Ländern haben rigorose Rauchverbote und Werbeeinschränkungen die Zahl der Raucher in den letzten Jahren spürbar reduziert - Österreich gilt dagegen neben Griechenland weiter als Eldorado des Rauchens.
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Der Konsum von Zigaretten sei in Österreich trotz aller Kampagnen und politischer Debatten auf EU-Ebene weiter sozial akzeptiert, kritisiert der Leiter des Nikotininstituts, das sich der Bekämpfung von Erkrankungen durch Rauchen widmet, Ernest Groman. Das Rauchen sei weiterhin fast überall möglich.
Und die Politik führe einen „Eiertanz“ rund um das emotionale, von vielen verschiedenen Interessen überlagerte Thema auf, den er nicht verstehe. Die Politik drücke sich vor einer klaren Regelung und habe stattdessen die Verantwortung an die Gastwirte delegiert. Er habe daher „starke Zweifel, ob sich je was ändern wird“, so Groman im Telefoninterview mit ORF.at.
Mindestens zwei Euro mehr
Groman und Sophie Meingassner von der Beratungsstelle Rauchertelefon haben einen zentralen Kritikpunkt: Die Zigaretten seien in Österreich viel zu billig. Gerade bei Jugendlichen sei der Kostenfaktor das wichtigste Argument, um das Rauchen bleibenzulassen, so Groman. Ein hoher Preis sei für sie schlicht nicht mehr leistbar. Laut Meingassner reichen die Erhöhungen der Tabaksteuer im Cent-Bereich wie sie immer wieder vorkommen nicht aus. Nötig wäre ein Preissprung von zwei Euro oder mehr, um vor allem Jugendliche vom Rauchen abzuhalten. Das wäre umso wichtiger, als der Einstieg ins Rauchen vor allem im Kindes- und Jugendalter erfolge.
Die Generation 40 plus sei über den Preis dagegen kaum vom Rauchen abzuhalten, so Groman. Das sei aber zugleich jene Generation, die dem Gesundheitsargument und damit etwa auch Informationskampagnen zugänglich sei. Der Grund: Sie hätten oft bereits selbst erste Beschwerden oder würden Beispiele im persönlichen Umfeld - etwa Todesfälle durch Tabakkonsum - kennen, die zum Umdenken führen. Groman beklagt, dass in der Debatte einzig die „polarisierende“ Thematik von Rauchverboten im Vordergrund stehe - mit der eigentlich wichtigen Gesundheitsfrage dringe man in der Öffentlichkeit gar nicht mehr durch.
Zu leichter Zugang
Meingassner kritisiert, dass in Österreich Jugendliche zu einfachen Zugang zu Tabakwaren haben. Die Schwelle bei den Zigarettenautomaten - Kauf ist nur durch Alterscheck bei Bankomatkarte möglich - ist der Expertin zu niedrig.
Kein Imagewandel bei Jungen
In Deutschland, ist der Berliner Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann überzeugt, gab es in den letzten Jahren unter Jugendlichen ein deutliches Umdenken. Rauchen als Ausdruck des Erwachsenwerdens, von Sexiness und Coolness - ein Image, das von der Tabakindustrie mit milliardenschweren Werbekampagnen in Europa jahrzehntelang befördert wurde - habe an Bedeutung verloren. Ähnliches gilt auch für die USA.
In Österreich lässt sich dieser Trend nicht ausmachen, bestätigte Meingassner von der Beratungsstelle Rauchertelefon gegenüber ORF.at. Sie verwies vor allem auf den Umstand, dass bei den 15- bis 17-Jährigen - das gilt als wichtigstes Einstiegsalter - mittlerweile Mädchen die Burschen überholt haben.
Laut Groman ist die starke Zunahme des Tabakkonsums bei jungen Frauen unter anderem auch auf den Umstand zurückzuführen, dass sie hoffen, so eher schlank zu bleiben. Diese Gruppe erreiche man derzeit ganz schwer. In den Altersgruppen darüber sind laut Meingassner dagegen junge Männer wieder in der Mehrzahl.
Von Bildung abhängig
Wenn, dann habe es nur schichtspezifisch leichte Änderungen bei der Einstellung zum Rauchen gegeben, betont Meingassner. Bei Jungen mit höherer Bildung habe Rauchen tendenziell einen anderen Stellenwert und sei „eher verpönt“. Das sei vor allem auf den elterlichen Einfluss zurückzuführen. Das stimmt auch mit der Beobachtung Hurrelmanns überein, der gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ zuletzt ebenfalls betonte, dass heute rauchende Jugendliche eine schlechtere Ausbildung hätten. An Hauptschulen werde dagegen noch „ordentlich gequalmt“ und Rauchen sei dort immer noch mit der Hoffnung verknüpft, sein eigenes Image zu verbessern.
Jugendliche in Deutschland legten mehr Wert auf Fitness, das sei ein neuer, auch leistungsorientierterer Lebensstil. Die Zigarette sei durch andere Formen der Selbstinszenierung ersetzt worden - etwa Kosmetik, Piercing und Tätowierung. Das „wichtigste Kompensationsmittel“ sei aber das Internet, so Hurrelmann.
„Sehr tolerant“ gegenüber Rauchern
Für Österreich will Groman beobachtet haben, dass vor allem Burschen, die Sport betreiben, dem Rauchen kritischer als früher gegenüberstehen. Möglicherweise der Anfang für einen Umdenkprozess? Groman bleibt skeptisch: Es komme sehr darauf an, in welcher Gruppe sich Jugendliche bewegten.
Eine grundlegende Änderung sei nur mit der Zeit möglich. Doch noch immer sei das Rauchen an den meisten Orten möglich und man habe in Österreich ja als Nichtraucher noch immer eine Scheu davor, Raucher in Gesellschaft darum zu bitten, die Zigarette Zigarette sein zu lassen. Die österreichische Gesellschaft sei weiterhin „sehr tolerant gegenüber Rauchern“.
Offener spricht das die Ärztekammer an: Der Präsident Artur Wechselberger rief erneut die Politik dazu auf, ein flächendeckendes Rauchverbot insbesondere in der Gastronomie zu erlassen. Außerdem müsse gerade bei Jugendlichen ein Präventionsschwerpunkt gesetzt werden: „Rauchen muss uncool werden“, meint der Ärztekammer-Chef und nimmt die Erwachsenen in die Pflicht, mit gutem Vorbild voranzugehen.
Guido Tiefenthaler, ORF.at
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