Themenüberblick

„Ungeordnete“ Hilfe für Aufständische

Der Fall des EU-Waffenembargos gegen Syrien sorgt international für Aufregung. Damit werden Waffenlieferungen einzelner EU-Staaten an die syrische Opposition ermöglicht. Die Befürchtung, damit „ungeordnet“ und mit den Interessen einzelner EU-Staaten wie Großbritannien und Frankreich, die bereits seit Monaten auf die Lieferung von Waffen an die Rebellen drängen, in den Konflikt einzugreifen, ist groß.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Viele andere EU-Mitglieder, darunter auch Österreich, befürchten einen Rüstungswettlauf mit Russland, dem wichtigsten Waffenlieferanten des Regimes des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Auch dass Waffen aus EU-Staaten in die Hände islamistischer Extremisten fallen könnten, bereitet Sorge. Kritisiert wird allerdings auch, dass die EU außenpolitisch wieder nicht „mit einer Stimme“ agiert und die Interessen einzelner Staaten nicht hintanstehen lässt.

Maschinengewehr der Rebellen in Damaskus

Reuters

Der Bürgerkrieg in Syrien setzt sich unvermindert fort

Deutschland gegen Lieferung in „Spannungsgebiete“

Nach der Aufhebung des EU-Waffenembargos bekräftige der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) die deutsche Ablehnung einer Aufrüstung der syrischen Opposition. „Wir halten nichts von Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen“, sagte er am Dienstag auf einer Sicherheitskonferenz in Berlin. „Man müsste ja nie wieder über deutsche Rüstungsexporte in Spannungsgebiete reden, wenn wir hier sozusagen in einen Konflikt hinein Waffen liefern.“

De Maiziere fragte auch, welche Waffen geliefert werden sollten und wer die Ausbildung an diesen Waffen übernehmen solle. „Die Rebellen brauchen nicht normale Gewehre, sondern kompliziertere Waffen“, sagte er. De Maiziere bedauerte, dass es in der EU nicht zu einer einvernehmlichen Lösung in dieser Frage gekommen sei. „Das ist kein Ausweis einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.“

Russland erwartet Verschärfung des Konflikts

Russland warnte am Dienstag nach den EU-Beschlüssen zu Syrien davor, die Opposition in dem Land mit Waffen auszustatten. Das Ende des Waffenembargos sei ein „Fehler“ der EU, sagte der russische Vizeaußenminister Sergej Riabkow am Dienstag in Moskau. Moskaus Botschafter bei der NATO, Alexander Gruschko, sagte, dass sich der blutige Konflikt nun weiter verschärfen könne. Er warnte vor militärischer Hilfe für die Opposition. „Damit wird nur Öl ins Feuer gegossen“, sagte Gruschko der Agentur Interfax zufolge. Israel und westliche Regierungen werfen Russland allerdings ebenso vor, durch die Lieferung moderner Waffen an Assad den Konflikt anzuheizen.

Auch in Damaskus ist die mögliche Aufrüstung der Rebellen mit Verärgerung aufgenommen worden. „Die Entscheidung der Europäischen Union stellt ein Hindernis für die internationalen Bemühungen um eine politische Lösung der Krise in Syrien dar“, erklärte das syrische Außenministerium in einer Stellungnahme, die von der staatlichen Nachrichtenagentur Sana verbreitet wurde.

USA befürworten Auslaufen von Waffenembargo

Die USA haben das Auslaufen des Waffenembargos der Europäischen Union gegen Syrien befürwortet. Die Entscheidung der EU zeige die „volle Unterstützung“ der internationalen Gemeinschaft für die syrische Oppositionsbewegung, sagte Außenamtssprecher Patrick Ventrell am Dienstag in Washington. Die Aufhebung des Embargos ermögliche einzelnen EU-Staaten mehr „Flexibilität“ bei der Unterstützung der Rebellen. Die US-Regierung selbst will sich an Waffenlieferungen derzeit nicht beteiligen und unterstützt die Rebellen nur mit „nicht tödlicher Ausrüstung“.

Keine „unmittelbaren“ Lieferungen aus EU-Ländern

Sofortige Waffenlieferungen aus EU-Ländern stehen ebenfalls nicht bevor. „Wir haben keine unmittelbare Absicht, Waffen zu schicken“, sagte der britische Außenminister William Hague, stellte aber gleichzeitig klar, dass die Regierung in London sich nicht mehr an Fristen für Waffenlieferungen gebunden fühlt. Er habe „Diskussionen über ein Zeitlimit August“ zur Kenntnis genommen, sagte Hague am Dienstag der Rundfunkgesellschaft BBC. Aber eine solche Befristung gebe es nicht.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn erklärte hingegen, dass sich die Kollegen das Wort gaben, „dass vor dem 1. August keine Waffen geliefert werden“. Experten argumentieren allerdings, dass sich die Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen in Grenzen halten werden, wie etwa das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI erwartet - oe1.ORF.at.

Moskau verteidigt eigene Waffenlieferung

Zugleich verteidigte Russland allerdings die Lieferung seiner Abwehrsysteme vom Typ S-300 an Syrien. Diese seien ein „stabilisierender Faktor“, um äußere Kräfte abzuschrecken. „Russland stellt Waffen den rechtmäßigen Machthabern zur Verfügung. Die andere Seite des Konflikts hingegen hat kein Recht darauf“, sagte Riabkow.

Ribiakow: Rückschlag für Friedenskonferenz

Auswirkungen auf den Bürgerkrieg in Syrien hätten die Waffen nach Worten Riabkows hingegen nicht. Es handele sich um „Abwehrwaffen zum Schutz von Infrastruktur und Truppen gegen Waffen, über die die Rebellen und Oppositionskräfte meines Wissens nicht verfügen“, sagte er und wiederholte, der entsprechende Vertrag mit Damaskus sei schon „vor mehreren Jahren“ unterzeichnet worden.

Der Vizeaußenminister sieht auch einen Rückschlag für die von den USA und Russland geplante Syrien-Konferenz in Genf. Es gebe zahlreiche Punkte, in denen es keine Annäherung gebe. Wenn die syrische Opposition keinen Wortführer bestimme und entsende, werde die Konferenz platzen, warnte Riabkow.

Israel warnt Russland

Zwei russische Flugzeuge vom Typ Iljuschin brachten erneut rund 20 Tonnen Hilfsgüter nach Syrien. Die Maschinen sollen auf dem Rückweg nach Russland 100 Bürger mitnehmen. Bisher hatte die Führung in Moskau rund 400 Menschen aus dem Kriegsgebiet ausfliegen lassen.

Israel warnte am Dienstag Russland vor der Lieferung hochmoderner Luftabwehrraketen an Syrien. Die Regierung wisse, „was zu tun ist“, wenn Moskau Syriens Machthaber Assad mit den Raketen ausrüste, sagte Verteidigungsminister Mosche Jaalon am Dienstag in Jerusalem.

Rebellen: Waffen so schnell wie möglich

Der Sprecher der Freien Syrischen Armee (FSA), Luai al-Mekdad, forderte am Dienstag, dass Waffen aus EU-Ländern so bald wie möglich an die Rebellen geliefert werden. „Wenn die internationale Gemeinschaft noch drei Monate mit einer Entscheidung zur Bewaffnung der Rebellen wartet, hat das Regime noch mehr Zeit, Menschen zu töten“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Jede Verzögerung wird noch mehr Menschenleben kosten.“

Opposition: Zu lange gewartet

Andere Teile der syrische Opposition kritisierten hingegen die EU-Entscheidung als lange überfällig. „Es ist definitiv ein positiver Schritt, aber wir fürchten, dass er zu klein ist und zu spät kommt“, sagte der Sprecher der oppositionellen Nationalen Koalition, Luai Safi, am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP in Istanbul. Das syrische Volk sei „enttäuscht“. Die Menschen hätten erwartet, „dass Demokratien sich um diejenigen kümmern, die Demokratie anstreben“, sagte Safi.

Der Sprecher betonte zudem, dass die Aufständischen im Kampf gegen Assad den Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten müssten. „Waffen wären ein Aspekt, aber wir hätten uns auch eine ernsthaftere Haltung, eine geschlossene Entscheidung der Europäischen Union gewünscht“, sagte Safi.

Iran gibt Assad vier Milliarden Dollar Kredit

Unterdessen sagte der Iran Syrien Kredite im Umfang von bis zu vier Milliarden Dollar (rund 3,1 Mrd. Euro) zu. Das Land unterstütze Syrien „weiterhin“ und habe zwei Kreditlinien im Umfang von einer Milliarde Dollar für die Einfuhr von Produkten sowie von drei Milliarden Dollar gewährt, um den Bedarf des Landes an Erdöl und ähnlichen Gütern zu decken, sagte der Chef der syrischen Zentralbank, Adib Madschale, der Zeitung „Tischrin“ (Montag-Ausgabe).

Ein weiterer geplanter Kredit für das mit internationalen Sanktionen belegte Land im Umfang von drei Milliarden Dollar solle die Wirtschaft ankurbeln, sagte Madschale weiter. Im Jänner hatte die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA berichtet, dass der Iran und Syrien eine Vereinbarung zur Bereitstellung von Krediten für das Bürgerkriegsland unterzeichnet hätten.

Links: