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„Es ist gescheitert“

Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich nicht darauf einigen können, das am Freitag auslaufende Waffenembargo gegen Syrien zu verlängern. Ab dann können die EU-Staaten selbst entscheiden, ob sie die Gegner von Präsident Baschar al-Assad mit Waffen beliefern, wie mehrere EU-Außenminister, darunter auch Michael Spindelegger (ÖVP), nach stundenlangen Beratungen in Brüssel mitteilten.

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Erzielt wurde Montagnacht lediglich der Kompromiss, dass bestehende wirtschaftliche und zivile Sanktionen gegenüber dem Assad-Regime für weitere zwölf Monate aufrecht bleiben sollen. Genannt wurden etwa Einreiseverbote und Kontensperren, finanzielle und Handelssanktionen und weitere Import- und Exportverbote mit Ausnahme von Waffenlieferungen.

Russland kritisiert Ende des Embargos

In einer gemeinsamen Erklärung heißt es zudem, dass die EU vor dem 1. August auf Grundlage eines Berichts der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und nach Konsultationen mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon zu den Entwicklungen der Genfer Konferenz ihre Position überprüfen wolle.

Russland kritisierte die Entscheidung der EU in einer ersten Reaktion als Gefahr für die angestrebte friedliche Lösung des Bürgerkriegs. „Das schadet den Aussichten zur Einberufung einer internationalen Konferenz“, sagte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Riabkow am Dienstag laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur ITAR-TASS.

Heftige Auseinandersetzungen

Dem nächtlichen Beschluss waren heftige Auseinandersetzungen darüber vorausgegangen, ob die Möglichkeit zu Waffenlieferungen an die Assad-Gegner eröffnet werden soll. „Früher am Tag habe ich gedacht, dass wir überhaupt nichts erreichen“, sagte der niederländische Außenminister Frans Timmermans. „Jetzt bin ich glücklich, dass 90 Prozent der Sanktionen erhalten geblieben sind.“

„Es ist uns gelungen, generell Sanktionen aufrechtzuerhalten, nur ein Waffenembargo gibt es nicht“, sagte Spindelegger. Hier sei man dem Außenminister zufolge gescheitert, eine gemeinsame Position zu finden. Besonders Großbritannien und Frankreich hatten die Möglichkeit gefordert, das bisherige EU-Waffenembargo zu ändern, damit Waffen an die syrische Opposition geliefert werden können.

Zahlreiche Reporter mit Mikrofonen vor Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP)

APA/Dragan Tatic

Spindelegger preschte bereits in einer Verhandlungspause vor und kündigte ein Ende der EU-Sanktionen gegen Syrien an

Österreich, Finnland, Schweden und andere Staaten befürchten, dass eine Freigabe von Waffenlieferungen an die Opposition kurz vor den Genfer Verhandlungen Öl ins Feuer gießen wird. Auch herrscht die Sorge, mehr Waffen könnten in die Hände radikaler Islamisten geraten, die sich nach einem Sturz Assads gegen den Westen stellen könnten.

Spindelegger mahnte bereits im Vorfeld, die EU sei eine Friedensgemeinschaft. Ein Ende des Embargos käme einer 180-Grad-Wende gleich. Österreich werde jetzt auch den Abzug seiner 380 Soldaten aus der UNO-Blauhelmtruppe auf den Golanhöhen prüfen: „Ich habe immer gesagt, wenn es zu Waffenlieferungen kommt an die syrische Opposition, wird es für uns sehr schwierig, diese Mission aufrechtzuerhalten.“

„Keine unmittelbare Absicht, Waffen zu schicken“

„Das ist das Ergebnis, das wir wollten“, sagte unterdessen der britische Außenminister William Hague. Großbritannien habe zwar „keine unmittelbare Absicht, Waffen nach Syrien zu schicken“, nun habe man „aber die Flexibilität, in Zukunft zu reagieren, sollte sich die Situation verschlechtern“. Laut Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle sehen „derzeit“ noch alle EU-Staaten von Waffenlieferungen ab , wenngleich das ab 1. Juni theoretisch möglich wäre.

Zu den ab dann möglichen Waffenlieferungen heißt es, die EU-Staaten würden „angemessene Garantien gegen den Missbrauch von Zulassungen“, „insbesondere relevante Informationen bezüglich der Endverbraucher und des Endziels der Lieferungen“, benötigen. Exportlizenzen dürften nur nach den entsprechenden EU-Kriterien von 2008 erteilt werden.

Zu diesen im gemeinsamen Standpunkt 944 festgelegten EU-Kriterien zählen unter anderem Menschenrechte, regionale Sicherheit, Terrorismus und das Risiko einer nicht gewünschten Weiterverbreitung von Waffen. Eine objektive Prüfung dieser Kriterien „muss zu einer Verweigerung jeglicher Exportlizenz für die beabsichtigte Lieferung von Waffen an die syrische Opposition führen“, heißt es in einem im Vorfeld des Außenministertreffens zirkulierenden österreichischen Positionspapier.

„Können unterschiedliche Positionen haben“

Ashton war sichtlich bemüht, das Scheitern einer gemeinsamen Position herunterzuspielen. „Die Mitgliedsstaaten können unterschiedliche Positionen haben. Aber das bedeutet nicht, dass wir unsere Fähigkeit verloren haben, einen gemeinsame Politik zu haben.“ Spindelegger zeigte sich unterdessen „verärgert“ und sah „einen bitteren Nachgeschmack“. In Hinblick auf Paris und London kritisierte er: „Wenn zwei etwas wollen, können nicht 25 hinterherspringen.“ Großbritannien habe die Führungsrolle bei den Befürwortern einer Aufhebung des Waffenembargos übernommen. „Frankreich war aufseiten Großbritanniens, aber nicht so laut.“

Beratungen über Syrien-Konferenz

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, der sich „unter Vorbehalt“ für eine Öffnung des EU-Waffenembargos für die Opposition in Syrien aussprach, verließ das EU-Ministertreffen vorzeitig, um in Paris mit den Außenministern der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, über die für Juni geplante Syrien-Konferenz zu sprechen.

Das Kerry-Lawrow-Treffen blieb Montagabend ohne konkrete Ergebnisse. Beide Minister äußerten sich aber besorgt über den möglichen Einsatz chemischer Waffen in dem Konflikt. Die Regierung Assad hatte am Wochenende ihre Teilnahme an der Konferenz zugesagt. Die syrische Opposition ist weiter zerstritten und hat darüber noch nicht entschieden.

Immer mehr Hinweise auf C-Waffen-Einsatz

Laut Fabius gebe es „immer belastbarere Vermutungen, dass örtlich begrenzt Chemiewaffen eingesetzt wurden“: „All das muss überprüft werden. Und wir machen das mit anderen Partnern.“ Von einem Chemiewaffeneinsatz des Assad-Regimes geht auch der in die Türkei geflüchtete einstige Leiter der Chemiewaffeneinheit der syrischen Armee, General Adnan Sello, aus.

Das Giftgas werde bewusst so angewandt, dass es „Angst und Schrecken verbreitet, ohne eine große Zahl von Menschen zu töten“. Bei dieser Vorgehensweise sei es schon kurz nach dem Einsatz schwer nachzuweisen, dass chemische Kampfstoffe verwendet wurden, sagte er dem TV-Sender al-Arabija.

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