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Die unsichtbare soziale Mauer

Schwedens Sozialstaat gilt als Vorzeigemodell. Doch hinter der Fassade tun sich Konflikte auf. Es klaffen zwischen Anspruch und Realität in Bezug auf Integration offenbar große Lücken - wie auch Ausschreitungen im Juni zeigten.

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Schweden gilt als egalitär. Die Einkommen eines jeden sind öffentlich einsehbar und ziemlich gleich verteilt. Das ändert nichts daran, dass die Vermögen im Land sehr ungleich verteilt sind. Laut der UNO-Liste der Vermögensverteilung (der auf dem Gini-Index basiert), der für Schweden 74,2 beträgt, teilen selbst Staaten wie Argentinien (74,0) und die Türkei (71,8) ihre Vermögen gerechter auf. Der Index besagt: Das reichste Fünftel der Bevölkerung besitzt drei Viertel der Vermögen.

Auch wenn Immigranten in Schweden durch intensive Sprach- und Kulturkurse sehr rasch zu guten, nicht zuletzt patriotischen Schweden erzogen werden sollen, sieht die Realität nicht selten so aus, dass Menschen mit einem Namen wie Ibrahimovic eher in einem der tristen Vororte wie Husby, Rinkeby bei Stockholm oder Rosengard in Malmö aufwachsen.

Ibrahimovic: Ein Kind aus Rosengarden

In diesen Vierteln brannten nun die Autos. Zlatan Ibrahimovic, Schwedens bestbezahlter Fußballer, der in Schweden gerne als „Super Zlatan“ gefeiert wird (vor allem wenn er Tore schießt und sich gut benimmt), wurde 1981 in Malmö-Rosengard geboren. Diesen Stadtteil dominieren Großwohnsiedlungen, die im Rahmen des sogenannten Millionenprogramms der schwedischen Regierung in den 1960er und 1970er Jahren gebaut wurden.

Rosengard hat einen enorm hohen Anteil sozial schwacher Gruppen - und einen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Der Grund für die Ballung der sozial Schwachen in diesen Vierteln liegt an den hohen Wohnungspreisen, vor allem in den großen Zentren Stockholm, Göteborg und - mit Abstrichen - auch Malmö.

Strenge Mietgesetze, Drang zum Eigentum

Da strenge Mietgesetze und ein öffentliches System der Wohnungszuteilung die freie Wahl des Wohnortes schwierig machen, ist die Flucht ins Eigentum verbreitet. Selbst Mitte-20-Jährige im ersten Job nehmen dafür häufig einen Kredit auf. Als Folge sind Innenstadtlagen in Stockholm unerschwinglich.

Einwandererfamilien und andere Finanzschwache werden an den Rand der Städte gedrängt, wo die Mieten billig sind. Die geringe soziale Durchmischung zeigt sich deutlich: In Husby, dem Zentrum der Krawalle, weisen 80 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund auf. Durch Schweden läuft letztlich auch eine unsichtbare Mauer. Wer den richtigen Namen hat und den richtigen Dialekt spricht, die richtigen Schulen und Ausbildungsinstitutionen besucht, tut sich eindeutig leichter.

Migrationspolitik auf dem Prüfstand

13,7 Prozent der schwedischen Gesamtbevölkerung, die neun Millionen Menschen beträgt, haben laut schwedischer Statistikbehörde einen Migrationshintergrund.

Mit der „Ganz-Schweden-Politik“ versuchte man die Immigranten über das ganze Land zu verteilen. So soll zugleich der in entlegeneren Regionen, vor allem in Mittel- und Nordschweden, erkennbaren Tendenz der Alterung und der Abwanderung der jungen Bevölkerung in die Großstädte entgegengewirkt werden. Meist sind das aber Gemeinden, in denen es keine Jobs für die neu Ankommenden gibt. Insofern bleibt vielen sozial Schwachen nur der Weg in die Vorstädte der großen Metropolen, und hier jenen vor den Toren Stockholms, in denen das Wohnen noch halbwegs leistbar ist. Doch die Spirale der Ausgrenzung dreht sich weiter.

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