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Würmchen und Parasiten

Jedes Jahr werden zwischen 15.000 und 25.000 neue Tierarten entdeckt. Es dürfte nicht allzu leicht sein, noch mit originellen oder zumindest sinnvollen Namen aufzuwarten. So manche Wissenschaftler schöpfen deshalb aus ihrem persönlichen Erfahrungshorizont - und da gehört die Popwelt dazu.

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Entdeckt werden hauptsächlich noch Fossilien und Insekten. Dementsprechend tauchen immer wieder Kurzmeldungen auf, wonach einzelne Tiere nach Stars benannt werden. Einige solcher Meldungen hat die britische BBC gesammelt, zahlreiche weitere schwirren im Internet herum. Erst unlängst etwa wurde über ein neu entdecktes Fossil berichtet.

Bildkombo mit Johnny Depp als Edward mit den Scherenhänden und eine Zeichnung des Fossils Kooteninchela deppi

Corbis/20th Century Fox /Sunset Boulevard; APA/dpa/Imperial College London (Montage)

Johnny Depp in „Edward mit den Scherenhänden“ / Kooteninchela deppi

Für den Laien erinnert das Tier mit seinen Scherenhänden an einen Skorpion. Ein Wissenschaftler benannte den vor 500 Millionen Jahren lebenden Vorfahren von Hummern nach dem Schauspieler Johnny Depp. Er habe bei der Betrachtung des kürzlich entdeckten Fossils sofort an den Film „Edward mit den Scherenhänden“ mit Depp in der Hauptrolle denken müssen, erklärte David Legg vom Imperial College London. Daher nannte er den Hummervorfahren Kooteninchela deppi.

Entdecker als Namensgeber

Wissenschaftler, die ein bisher unbekanntes Insekt entdecken, dürfen dafür einen Namen wählen.

Wissenschaftler als Johnny-Depp-Fan

„Ehrlich gesagt bin ich auch ein bisschen ein Fan von Depp“, führte Legg aus. „Und wie kann man diesen Mann besser ehren, als ihn als Kreatur unsterblich zu machen, die einst durch das Meer zog.“ Kooteninchela deppi war rund vier Zentimeter lang und lebte vor der Küste der heutigen westkanadischen Provinz British Columbia. Die Art wurde jetzt in dem Fachmagazin „Journal of Palaeontology“ vorgestellt.

„Edward mit den Scherenhänden“ ist eine der bekanntesten Filmrollen von Depp. In der Tragikomödie von Tim Burton spielt der US-Schauspieler einen künstlich erschaffenen Menschen, der anstelle von Händen Scheren hat.

Beyonce Knowles auf der Bühne

Reuters/Gustau Nacarino

Die Sängerin Beyonce

Altherrenwitze in Wissenschaftlerkreisen

Nach der US-Sängerin Beyonce Knowles wiederum benannte ein australischer Wissenschaftler eine seltene Pferdebremse. Das schön geformte Hinterteil des Insekts Scaptia (Plinthina) beyonceae habe ihn an die Kurven von Beyonce erinnert, sagte Bryan Lessard von der australischen Insektensammlung in Canberra. „Es war so augenfällig, ich konnte das Hinterteil ohne Mikroskop sehen“, erzählte er. „Auf dem Unterleib wachsen dichte, goldene Haare, das hat mich an Beyonce in einem ihrer goldenen Kostüme erinnert.“

Das erste Exemplar der Bremsenart wurde 1981 in Queensland eingesammelt. Im selben Jahr wurde Beyonce Knowles in Texas geboren. Lessard ist ein Fan der Sängerin. „Sie ist vor allem für ihren Po berühmt“, sagte der Forscher, offenbar in Sachen Gender Mainstreaming und Political Correctness völlig unbeleckt. Nur drei Exemplare der Beyonce-Bremse existieren in Sammlungen. Er wisse nicht mehr, ob Beyonces Musik im Hintergrund gelaufen sei, als er die neue Art beschrieb, erzählte Lessard. Doch auf jeden Fall sei die „Bootylicious“-Sängerin seine Inspiration gewesen. „Das ist mein Tribut an sie“, so der Australier.

Die „Diva unter den Pferdebremsen“

Die Scaptia beyonceae sei die absolute Diva unter den Pferdebremsen, meinte er. Beyonces Kurven haben auch schon Eingang in die englische Sprache gefunden. Laut einem Eintrag in das „Oxford English Dictionary“ beschreibt das Wort „bootylicious“ - eine Kombination aus „booty“, einem umgangssprachlichen Wort für Po und „delicious“ (lecker) - eine sexuell attraktive Frau. Auch vor der Bibel der Anglisten macht Altherrenhumor nicht halt.

Marley, Brown, Zappa und Cleese

Neu entdeckte Arten nach Stars zu benennen ist jedenfalls eine dankbare Art, um Aufmerksamkeit für die Spezies und den Wissenschaftler zu erregen. Für den Promi hingegen muss das nicht immer ein Kompliment sein. Reggae-Legende Bob Marley etwa war eher weniger stolzer Namensgeber eines kleinen, blutsaugenden Parasiten. Nach James Brown ist das Würmchen Funkotriplogynium iagobadius benannte. Iago heiß James, badius braun.

Nach Frank Zappa ist eine Qualle benannt. Er dürfte Wissenschaftler besonders inspirieren - auch eine furchterregende Spinne trägt seinen Namen. Eine haarige Spinne ist auch nach Angelina Jolie benannt: Aptostichus angelinajolieae. Unterdessen benannte der Schweizer Wissenschaftler Urs Thalmann 2005 eine Lemure nach dem britischen Monty-Pythons-Schauspieler John Cleese. Zum Thema Rockfossilien: Ausgestorbene Trilobitenarten wurden nach Sex Pistol John Lydon und Mitgliedern der Ramones benannt.

Adolf Hitler als blinder Höhlenkäfer

Dann gibt es noch ein Tier, dem man mit viel Fantasie einen Oberlippenbart andichten kann. Politisch subversiv war es, als der deutsche Wissenschaftler Oscar Scheibel diese Form des jugoslawischen Höhlenkäfers 1936 nach Adolf Hitler benannte. 2010 wurde eine ausgestorbene Walart mit dem Namen Herman Melvilles, des Autors von „Moby Dick“, versehen.

Mitunter gibt es auch den umgekehrten Weg: Promis denken sich Tierarten aus. Auf den Erfinder der Steinlaus weist ihr Name hin: Petrophaga lorioti. Es handelt sich dabei um einen fiktiven Nagekäfer aus dem 1976er-Sketch „Die Steinlaus“, von Loriot im Rahmen seiner damaligen Fernsehsendung präsentiert. 1983 nahm das medizinische Wörterbuch „Pschyrembel“ laut Wikipedia die Steinlaus als fingierten Lexikonartikel (Nihilartikel) ins Nachschlagewerk auf. Seitdem, heißt es, ist die Steinlaus „ein bekanntes Beispiel des wissenschaftlichen Witzes“.

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