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Gewalt erreicht auch ruhigere Viertel

Acht Verhaftungen, 30 Autos, die in Flammen aufgingen: Die dritte Nacht in Folge hat es in und um die schwedische Hauptstadt Stockholm Krawalle gegeben, die sich mit der medialen Berichterstattung ausbreiten. Gab es zuerst Krawalle im Vorort Husby, so kommen nun Orte in die Schlagzeilen, die mit den Themen Jugendgewalt nicht in Verbindung gebracht wurden.

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Die Krawalle waren am Sonntag zunächst in der als sozialer Brennpunkt bekannten Vorstadt Husby ausgebrochen. Befürchtet wurde aber eine Ausweitung auf andere Vororte. Bei Randalierern handelte es sich laut Polizeiangaben meist um junge Immigranten. Die Einsatzkräfte wurden auch in der dritten Nacht mit Steinen beworfen, gaben die Einsatzkräfte bekannt.

Ausgebrannte Autos werden gelöscht

APA/EPA/Frederik Sandberg

Krawalle begannen im Vorort Husyb - hier Löscharbeiten am Dienstag

Polizeieinsatz als Auslöser?

Anlass für den Ausbruch der Unruhen am Sonntag bot offenbar ein tödlicher Polizeieinsatz, bei dem vergangene Woche ein 69 Jahre alter Mann erschossen wurde. Örtliche Aktivisten warfen der Polizei bei einer Pressekonferenz zu Wochenbeginn übertriebene Gewaltanwendung vor und gaben an, von den Beamten als „Herumtreiber“ und „Affen“ beschimpft worden zu sein.

Die Sozialwohnblöcke in Husby wurden in den frühen 70er Jahren im Zuge des umstrittenen „Millionenprogramms“ der Regierung errichtet, mit dem günstiger Wohnraum geschaffen werden sollte. Nach Schätzungen haben etwa 80 Prozent der rund 12.000 Bewohner einen Migrationshintergrund und die Jugendarbeitslosigkeit gehört zu den höchsten des Landes. Ein im Jahr 2007 gestartetes Sanierungs- und Verschönerungsprogramm kam bisher kaum voran.

Migrationspolitik auf dem Prüfstand

13,7 Prozent der schwedischen Gesamtbevölkerung, die neun Millionen Menschen beträgt, haben laut schwedischer Statistikbehörde einen Migrationshintergrund. Eigentlich gilt Schwedens Migrationspolitik als vorbildlich. Geachtet wird vor allem auf schnellen Spracherwerb. Asylwerber, die in Schweden als Flüchtlinge anerkannt werden, müssen rasch den obligatorischen „Schwedisch für Einwanderer“-Kurs belegen, der von den Gemeinden, die die Asylwerber aufnehmen, angeboten und bezahlt wird. Geachtet wird dabei auf die Übernahme schwedischer Traditionen.

„Ganz-Schweden-Politik“: Anspruch und Realität

Mit der „Ganz-Schweden-Politik“ versucht man die Immigranten über das ganze Land zu verteilen. So soll zugleich der in entlegeneren Regionen, vor allem in Mittel- und Nordschweden, erkennbaren Tendenz der Alterung und der Abwanderung der jungen Bevölkerung in die Großstädte entgegengewirkt werden. Meist sind das aber Gemeinden, in denen es keine Jobs für die neu Ankommenden gibt. In den Städten wiederum sind die Wohnkosten enorm hoch, so dass Migranten meist an den Rand der Städte gezwungen werden.

Dadurch kommt es oft zur Konzentration von Migranten auf engem Raum in Vororten, die zwischen 1965 und 1975 im Zuge des „Millionenprogramms“ (Miljonprogrammet) errichtet wurden. Heute sind diese Viertel oft in einem maroden Zustand. Dadurch, dass das Wohnen in diesen Gegenden finanzierbar ist, leben dort ältere, weniger wohlhabende Schweden und viele junge Migranten. Statt Integration ist immer öfter eine Trennung von Migranten und der traditionellen schwedischen Gesellschaft zu beobachten.

Reinfeldt verurteilt Krawalle

Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt verurteilte am Dienstag die Ausschreitungen und äußerte die Befürchtung, dass die Krawalle weitergehen könnten. Gleichzeitig stellte er sich hinter die Arbeit der Polizei, die von zahlreichen Beobachtern kritisiert wurde. Eine Gruppe junger Männer glaube, sie könne die Gesellschaft mit Gewalt verändern, so Reinfeldt. „Das ist nicht okay.“

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