Bilderblog soll junge User bringen
Der vor allem bei jungen Leuten beliebte Blogdienst Tumblr gehört künftig zu Yahoo. Das Internet-Urgestein lässt sich diese Verjüngungskur 1,1 Milliarden Dollar (rund 855 Mio. Euro) kosten. Um die vielen Millionen Tumblr-Nutzer nicht zu verschrecken, gewährt der Konzern seiner neuen Tochter nach eigenen Angaben größtmögliche Eigenständigkeit.
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„Wir versprechen, es nicht zu versauen“, schrieb Yahoo-Chefin Marissa Mayer in einem extra aufgesetzten Tumblr-Blog. Gründer David Karp bleibt Chef der sechs Jahre jungen Firma. „Unser Team wird sich nicht verändern. Unsere Zukunftsplanung wird sich nicht verändern“, beteuerte Karp. Durch die Übernahme stünden nun sogar mehr Ressourcen zur Verfügung. Auch Karp beteuerte in einem Statement, dass sich nichts ändern werde. Nicht einmal das Yahoo-Logo soll auf den Tumblr-Seiten auftauchen.
Yahoo zieht in ehemalige „New York Times“-Zentrale
Räumlich könnten einander die Mitarbeiter beider Unternehmen dennoch bald nahe kommen: Wie Mayer am Montag bekanntgab, bezieht Yahoo in New York demnächst das alte Gebäude der „New York Times“ nahe dem Times Square. Dort sollen die 500 New Yorker Beschäftigten, die bisher in Büros über die Stadt verstreut arbeiten, zusammengezogen werden. Das neue Gebäude könnte nach Mayers Worten auch noch 200 weitere Leute aufnehmen.
Tumblr ermöglicht den Nutzern, einfache Blogs aufzusetzen und Inhalte zwischen ihnen zu teilen. Viele der inzwischen 108 Millionen Tumblr-Blogs setzen stark auf Bilder und Videos. Jeden Tag gibt es 120.000 Neuanmeldungen. „Tumblr ist eines der am schnellsten wachsenden Mediennetzwerke in der Welt“, schrieb Mayer.
Bisher unglückliche Einkaufspolitik
Bei vorherigen Zukäufen hatte sich Yahoo zwar gerne die Technik und die Talente gesichert, aber die Dienste oftmals direkt im Anschluss eingestellt. So war es beispielsweise im März bei der Nachrichten-App Summly des jungen britischen Entwicklers Nick D’Aloisio. Im April stellte man den ehemals beliebten und 2005 übernommenen Kalenderdienst Upcoming ein.
Auch der 2005 übernommene Bilderdienst Flickr hat schon bessere Zeiten gesehen: Am Montag präsentierte Mayer auch eine überarbeitete Version des Fotodienstes. Das neue Layout solle Flickr „wieder großartig“ machen, sagte die Yahoo-Chefin. Dafür hat Yahoo die Seite umfassend entrümpelt: Sie enthält nun deutlich weniger Text als vorher, dafür werden die Fotos nun größer dargestellt.
Yahoo habe sich bisher vor allem darauf konzentriert, Flickr an seine eigenen Seiten anzupassen statt weiterzuentwickeln, schrieb das Technikblog Gizmodo im Vorjahr. Weil nicht so ertragreich wie andere Abteilungen, wurde Flickr dann zunehmend personell ausgedünnt. Schließlich waren auch die Besucherzahlen stark rückläufig. Yahoo habe Flickr gekillt, schrieb Gizmodo.
Userproteste gegen Übernahme
Diesmal soll das anders werden, versprach Yahoo-Chefin Mayer. Den überwiegend jungen Nutzern von Tumblr sagte sie zu, dass die Plattform unter Yahoo nichts von „ihrem Witz und ihrer Respektlosigkeit“ einbüßen werde.
Eine ganze Menge User sah das anders: Auf Tumblr und in Sozialen Netzwerken protestierten viele Nutzer gegen die Übernahme. Und die ersten flüchteten bereits zum Alternativdienst WordPress. An einem normalen Sonntag würden 400 bis 600 Tumblr-Einträge zu WordPress herübergeholt, schrieb dessen Chef Matt Mullenweg am Wochenende. „In der vergangenen Stunde waren es mehr als 72.000.“
Mehr Werbung soll kommen
Ein Grund dafür ist, dass User damit rechnen, dass die Werbung auf der Blogplattform explodiert. Begründer Karp hatte sich lange gegen Werbung gesträubt, und Tumblr begann erst im vergangenen Jahr erste Experimente mit Anzeigen. Dementsprechend machte Tumblr laut Medienberichten im vergangenen Jahr nur 13 Millionen Dollar Umsatz.
Um das Geschäft anzukurbeln, werden Yahoo und Tumblr vor allem bei der Werbung zusammenarbeiten, der Haupteinnahmequelle. Yahoo betreibt neben Google und Facebook eines der größten Anzeigensysteme im Internet. In diesem Jahr könnte der Umsatz Schätzungen zufolge bereits 100 Millionen Dollar erreichen. Ein Problem für Yahoo könnte die lasche Kontrolle über Inhalte bei Tumblr werden. Unter anderem sind in vielen Blogs pornografische Inhalte zu finden.
Yahoo fehlten junge User
Mit der Übernahme will Yahoo auf einen Schlag wieder mehr jüngere Nutzer anlocken. Der Konzern räumt selbst ein, dass er ein Defizit in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen hat. In der Vergangenheit war das Internet-Urgestein hinter seine Rivalen zurückgefallen. Zuletzt musste man sogar sinkende Werbeeinnahmen hinnehmen.
Die im vergangenen Sommer zur Konzernchefin berufene Mayer soll die Wende bringen. Sie träumt von einer Milliarde Nutzern jeden Monat auf den Websites des Konzerns, 50 Prozent mehr als bisher.
Bar bezahlt
Die ehemalige Google-Managerin sondiere mehrere weitere Übernahmemöglichkeiten aus, hieß es im „Wall Street Journal“. Geld ist vorhanden, seitdem Yahoo seine Beteiligung am chinesischen Internetkonzern Alibaba teilweise verkauft hat. Der Tumblr-Kaufpreis fließt fast komplett in bar. Der Abschluss der Übernahme ist in der zweiten Jahreshälfte geplant.
Für Tumblr ist der Preis ein deutlicher Sprung im Vergleich zu bisherigen Bewertungen: Als sich die Firma zuletzt 2011 Geld von Investoren holte, gingen diese von einem Gesamtwert von 800 Millionen Dollar aus. Das bedeutet, dass die damals gekauften Anteile nun mehr wert sind - ein gutes Geschäft für die Investoren.
Riskantes Manöver
Experten weisen darauf hin, dass der Deal ein recht riskantes Manöver ist: Roger Kay von der Marktforschungsfirma Endpoint Technologies bemerkte, dass sich Yahoo mit der Übernahme von Tumblr die Eigenschaften eines Sozialen Netzwerks zulegen könne, die dem Unternehmen bisher gefehlt hätten. Der Kaufpreis von 1,1 Milliarden Dollar sei aber „ein bisschen verrückt“.
Das Geld könnte bald an anderen Stellen fehlen, meinen Branchenkenner. Und sie verweisen auch darauf, dass Nutzer ganz schön schnell weg sein können, und verweisen auf das Beispiel MySpace. 2005 hatte die News Corporation das Soziale Netzwerk für 580 Millionen Dollar gekauft. Doch dann kam Facebook, die User flüchteten in Scharen. 2011 wurde MySpace um nur 35 Millionen Dollar weiterverscherbelt.
Auch Facebook und Microsoft hatten Interesse
Ein Jahr nach dem Kauf der Fotoplattform Instagram durch Facebook ist mit Tumblr die nächste schnell wachsende Internetfirma vom Markt. Weiterhin unabhängig sind noch etwa der Kurzmitteilungsdienst Twitter und der Fotodienst Pinterest. Bei Instagram war seinerzeit auch eine Milliarde Dollar als Kaufpreis vereinbart worden - aber da ein Teil davon in Aktien bezahlt wurde, fiel der Preis durch den Kurssturz des Facebook-Papiers nach dem Börsengang auf unter 800 Millionen Dollar. Laut „Forbes“ hatten auch Facebook und Microsoft Interesse an Tumblr angemeldet, allerdings habe sich Yahoo ein Vorkaufsrecht gesichert.
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