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Tiefe Kluft zwischen Westen und Moskau

Die Kluft zwischen dem Westen und Russland in der Syrien-Frage wird immer tiefer. Während das Weiße Haus gemeinsam mit der Türkei zuletzt den Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad forderte, verkauft Russland hochmoderne Waffen an das Regime. Moskau will die Kritik daran nicht verstehen - und setzt weiter auf Friedensgespräche.

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Wie die „New York Times“ am Freitag berichtete, habe Russland der Regierung in Damaskus schon vor Monaten Raketen vom Typ Jachont geliefert, die gegen Schiffe eingesetzt werden können. Laut US-Experten sind die Waffen hochmodern und würden es der syrischen Marine ermöglichen, eine Seeblockade oder eine Flugverbotszone zu verhindern. Damit würde es auch ausländischen Kräften unmöglich gemacht, die Opposition vom Seeweg her zu unterstützten.

Raketen

AP/HO/Jane's Defense Weekly

Eine Jachont-Rakete aus russischer Produktion

„Kein Vorteil gegenüber Rebellen“

Der russische Außenminister Sergej Lawrow versteht nach eigenen Angaben die Kritik daran nicht. „Ich verstehe nicht, warum die Medien versuchen, daraus einen Skandal zu machen“, sagte Lawrow am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon im russischen Sotschi. Russland habe die Waffenlieferungen auf Grundlage bestehender Verträge nie versteckt.

Lawrow zeigte sich überzeugt, dass die russischen Rüstungsgüter keinen Einfluss auf das Kräfteverhältnis im syrischen Bürgerkrieg haben. „Wir liefern in erster Linie Verteidigungswaffen, insbesondere zur Luftverteidigung“, sagte er. Die syrische Führung erhalte dadurch keinen Vorteil gegenüber den Rebellen. Russland hatte bereits zuvor betont, trotz westlicher Kritik an den vor Jahren unterzeichneten Rüstungsverträgen mit Syrien festhalten zu wollen. Diese sollen unter anderem S-300-Raketensysteme umfassen.

Russland verstärkte Flotte

Unterdessen verstärkte Russland seine Flotte im östlichen Mittelmeer. Wie das zypriotische TV Freitagfrüh berichtete, liefen im zypriotischen Hafen von Limassol drei russische Kriegsschiffe ein: ein Zerstörer, ein Tanker und ein Begleitschiff. Die Schiffe gehören zur russischen Pazifikflotte und waren Anfang der Woche durch den Sueskanal gekommen. Wie lange sie in Limassol bleiben werden, war unklar. Zwei weitere russische Kriegsschiffe der Pazifikflotte bewegten sich nach Informationen aus zypriotischen Militärquellen zwischen Zypern und dem syrischen Hafen Tartus. Dort unterhält Russland einen Marinestützpunkt.

Ban: „Dürfen Schwung nicht verlieren“

Russland gehört zu den letzten Verbündeten von Assad und hat bisher konkrete Maßnahmen des UNO-Sicherheitsrates zur Beendigung des Konflikts verhindert. Am Freitag reiste UNO-Generalsekretär Ban nach Russland, um noch einmal auf eine gemeinsame Syrien-Konferenz zu drängen. „Wir dürfen den Schwung nicht verlieren“, sagte Ban. Ein mögliches Treffen zwischen Opposition und Vertretern des Regimes wurde von US-Außenministers John Kerry und Lawrow bei einem Treffen vor wenigen Tagen in Moskau vorgeschlagen. Ein Termin steht bisher nicht fest, doch auch Lawrow bekräftigte: „Je eher, desto besser.“

Ein Streitpunkt ist auch, ob der Iran, der das syrische Regime unterstützt, teilnehmen soll. Die USA pochen auf eine politische Lösung und wollen sich nicht in einen Krieg in Syrien hineinziehen lassen, während die an Syrien grenzende Türkei Druck macht und unter anderem Flugverbotszonen fordert. US-Präsident Barack Obama, der am Donnerstag mit dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in Washington beriet, äußerte sich zurückhaltend, schloss aber wie zuvor keinerlei Option aus.

Kritik an „Gerede“ der UNO

Ban forderte zudem die syrische Führung auf, unverzüglich Experten ins Land zu lassen, die Berichten über den Einsatz von chemischen Waffen nachgehen sollen. Russland unterstütze eine UNO-Mission in Syrien, versicherte Lawrow. Damaskus solle eine Inspektion nicht blockieren.

Doch auch die UNO muss sich Kritik gefallen lassen. So forderte die Türkei die Vereinten Nationen zu mehr Einsatz auf. Außer „Gerede“ sei bei der UNO-Vollversammlung am Mittwoch in New York nichts herausgekommen, sagte der türkische Präsident Abdullah Gül am Donnerstag. Das UNO-Gremium hatte das Vorgehen der Truppen Assads in einer nicht bindenden Resolution mit 107 der 178 Stimmen verurteilt.

USA verurteilen Raketenlieferung

Die USA verurteilten die russische Lieferung von Schiffabwehrraketen an Syrien. US-Generalstabschef Martin Dempsey sprach am Freitag im Pentagon bei Washington von einer „unglücklichen Entscheidung“, die der Regierung Syriens Regime Mut machen und damit das Leiden im Bürgerkrieg verlängern werde.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan schloss unterdessen ein türkisch-amerikanisches Vorpreschen mit der Einrichtung einer Flugverbotszone für Syrien aus. „Das ist keine Entscheidung, die zwischen den USA und der Türkei getroffen werden könnte, sie müsste vom UNO-Sicherheitsrat kommen.“

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