Dünn, blond, rosa
Begleitet von fantasievollen Protesten ist am Berliner Alexanderplatz das „Barbie-Dreamhouse“ eröffnet worden. Ebenso grell pinkfarben wie das Barbie-Traumhaus waren am Donnerstag viele der Frauen und Männer gekleidet, die vor den zahlreich erschienenen Journalisten gegen das Barbie-Frauenbild protestierten.
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Echte Brüste statt Plastikkurven: Auch eine Aktivistin von Femen war an Ort und Stelle und demonstrierte, ein brennendes Kreuz mit einer Puppe daran in der Hand, oben ohne gegen das Barbie-Frauenbild. Schon vorher flanierten auf der Auffahrt rund um den Stöckelschuh-Brunnen pinkfarbene Perücken, wallendes Blondhaar und rosa Leggings. „Liebe Barbie, Cupcakes nicht nur backen, sondern auch essen!“, forderte ein Plakat mit Blick auf die rein virtuelle Backstube in Barbies Traumküche.

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Barbie brennt, angezündet von einer Femen-Aktivistin
Protestierende des Geländes verwiesen
Den Auftakt zur großen „Barbie - Dreamhouse Experience“ hatten sich die Veranstalter wohl anders vorgestellt. So verwies EMS Entertainment, das die Eventschau zusammen mit dem Spielzeugkonzern Mattel auf die Beine stellte, die Aktivisten nach kurzer Zeit des Geländes. Doch die Vertreterinnen der Initiative Pinkstinks, des „Missy Magazine“ und des Cross-Media-Projekts Ex-Models, das sich mit Schönheitskonzepten und Altersbildern befasst, hatten ihren Protest kundgetan.
„Immer weniger Mädchen fühlen sich wohl in ihrer Haut, Essstörungen nehmen drastisch zu. Daran ist auch eine Figur wie Barbie schuld“, sagte Stevie Schmiedel von Pinkstinks bei den Protesten zur Eröffnung. Ihr Ärger gilt auch der stereotyp verwendeten Farbe Rosa - und die dominiert die 2.500 Quadratmeter große begehbare Barbie-Welt. Mattel verspricht ein „unvergessliches Erlebnis“ beim Besuch.

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Man sollte keine Pink-Allergie haben im Barbie-Haus
In der Lobby steht ein Springbrunnen in Form eines riesigen rosa Stöckelschuhs. Auch der Rest der Einrichungt ist ganz im „Malibu-Style“ gehalten, in Rosa, Weiß und Gold. „Willkommen in der sonnigen Barbie-Welt“, werden Besucher begrüßt. Von Sonne oder Tageslicht kann jedoch keine Rede sein, die Fenster sind nur aufgemalt. Dafür ragt ein lächelnder Plastikpferdekopf in eines der Zimmer.
Im Barbie-Outfit auf die Bühne
1.100 Quadratmeter Verkaufs- und Aktionsfläche, 1.400 Quadratmeter Barbie-Wohnung - so ist das Eventkonzept von Barbie-Anbieter Mattel und EMS Entertainment Germany, wie Gisela Gross von der deutschen Nachrichtenagentur dpa berichtet. Sich einmal rundum wie eine Super-Barbie fühlen, das soll hier gelingen.
Im Salon mit Balkon, im riesigen Bad, im Schlafzimmer und vor allem im fast turnhallengroßen begehbaren Kleiderkasten stehen interaktive Monitore für das maßgeschneiderte Barbie-Erlebnis bereit. Ein personalisierter Chip im Eintrittsarmband macht es möglich. Gegen Aufpreis darf man auch in „echten“ Barbie-Outfits auf einen Laufsteg oder auf eine Pop-Star-Bühne: Topmodel-Parcours und Castingshow in Rosa.
Ken ist nur „Accessoire“
„Ken bleibt ein Accessoire“, sagte eine Mattel-Sprecherin vor der Eröffnung zu Barbies männlichem Gegenstück. Lässt man in der Küche den durch so viel Magenta, Violett und Pink erschlafften Blick aus dem virtuellen Fenster schweifen, erblickt man Ken. In der Auffahrt wäscht er den - rosa - Sportwagen.

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Der riesige Stöckelschuh könnte zum Mekka für Schuhfetischisten werden
Schmiedel von Pinkstinks sieht rot bei so viel Rosa: „Rosa ist eine wunderbare Farbe. Aber diese Pinkifizierung in der Spielwarenwelt stinkt. Diese Farbe steht nur für niedlich und süß und für Äußerlichkeit.“ Die Hamburgerin, die mit ihrer Initiative auch schon gegen das rosa Überraschungsei „nur für Mädchen“ protestierte, sieht im Rosaboom bei Spielzeug und Kleidung einen krankmachenden, einengenden Rückschritt.
„Immer mehr leiden darunter“
Was früh mit den rosa Imperien von Prinzessin Lillifee und Barbie beginne, gehe für viele Mädchen gleich mit dem Topmodelwahn weiter. „Immer mehr Mädchen leiden darunter“, so Schmiedel. „Selbstverständlich hat das Revival von Pink viel mit Geld zu tun“, sagt die Genderforscherin Dominique Grisard (Uni Basel/New York) gegenüber der dpa. „Ein übersättigter Kleider- und Spielzeugmarkt kann so doppelt so viel verkaufen. Denn kein Mädchen kann ihrem jüngeren Bruder ihr rosa Tutu oder ihr pinkes Barbie-Schloss weitervererben.“

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Die ersten Besucherinnen in Barbies Berliner Tempel
Die Erziehungswissenschaftlerin Bettina Hannover von der Freien Universität Berlin ergänzt: „Kinder erkennen diese Geschlechterstereotypen bereits in einem Alter, in dem sie selbst noch gar nicht wissen, ob sie ein Junge oder ein Mädchen sind.“ Mit zwei Jahren könnten sie aber schon sagen: Damit spielt ein Bub, damit spielt ein Mädchen.
Nicht nur Pink
Im Vorschul- und frühen Volksschulalter erforsche ein Kind dann sein soziales Geschlecht. Es probiere sich aus - auch mit Barbie und Darth Vader, aber bestenfalls nicht nur mit ihnen. „Es ist wichtig, dass das Kind ein breites Verhaltensspektrum kennenlernt. So erlebt es, dass es zwischen Schwarz und Weiß auch noch viele Grautöne gibt“, sagt Hannover - alle Nuancen des Regenbogens also, und nicht nur Pink. Im Vorfeld der Eröffnung wurde Mattel bereits quer durch die deutsche Medienlandschaft geprügelt. Besonders Silke Burmeister geriet in Rage, wie man ihrem Kommentar im „Spiegel“ entnehmen darf - Titel: „Pornoschaufeln für Deutschland“.
Burmeister nimmt sich auch sonst kein Blatt vor den Mund: „Dass Barbie mit ihrem rattenscharfen Fantasiekörper, wäre sie eine reale Person, vom Hungertod bedroht wäre, schlecht Luft bekäme, höchstwahrscheinlich unfruchtbar wäre und unter Osteoporose litte, weil ihr anormaler Körper nicht genügend Hormone produzieren könnte, dass sie vermutlich zu Bandscheibenvorfällen und Arthrose neigen würde, kann einem Kind egal sein, die Probleme kommen ja erst später. Wichtig ist doch nur, dass die Mädchen früh lernen, eine richtige Frau zu sein.“
„Einfach mal angucken“
Aber nicht alle finden am Eröffnungstag Anstoß am Barbie-Haus. Eine Familie mit zwei Mädchen im Kindergartenalter näherte sich der Kunstrasenauffahrt: beide Kinder im Barbie-Outfit, mit der Puppe in der Hand. Als eine der ersten Besucherinnen ließ sich eine Frau mit gelbblondem Pferdeschwanz und pink Jeans am Eingang für die personalisierte Führung einscannen. Sie konnte den Wirbel nicht so ganz nachvollziehen und sagte lächelnd: „Ich habe früher gerne mit Barbies gespielt. Jetzt will ich mir das einfach mal angucken.“
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