„Werbezeitschrift“ Mitteilungsheft
Mit Werbung zugepflasterte Schulhefte, Reiseveranstalter auf Besuch in Maturaklassen, Firmenplakate, gesponserte Unterrichtsmaterialien: Werbung an Schulen ist alltäglich und ein regelmäßig wiederkehrendes Aufregerthema für Konsumentenschützer und Elternvertreter. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) kritisiert seit Jahren die bestehende Regelung und fordert ein Werbeverbot in Kindergärten und zumindest Volksschulen.
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Unter dem Deckmantel von mehr finanziellem Spielraum für die Schulen ist Werbung in den Bildungseinrichtungen seit 1997 erlaubt. Das davor geltende Verbot wurde von der damaligen Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer gelockert. Für schulfremde Zwecke darf seither geworben werden, wenn die Erfüllung der Aufgaben der Schule „nicht beeinträchtigt“ wird, heißt es diesbezüglich im Schulunterrichtsgesetz.
Eine Definition, die viel Spielraum offen lässt. Ausgenommen sind lediglich Werbungen für Alkohol, Tabakwaren, Drogen oder Sekten. Negatives konnte Gehrer daran nicht sehen, im Gegenteil: Aus Ihrer Sicht würde Sponsoring das „unternehmerische Denken“ an den Schulen fördern.
Aufkleber, Tafelbeschriftung, Flyer auf Sitzplätzen
Die Schulen machen von den Möglichkeiten seither fleißig Gebrauch. Eigene auf Kindermarketing spezialisierte Agenturen verhelfen ihnen zu zusätzlichen Einnahmen. Darunter etwa die Young Enterprises Media, die Zielgruppenwerbung für Kinder und Jugendliche betreibt - beginnend bei Sieben- bis Zehnjährigen. Das Angebot ist vielfältig und reicht von mit Inseraten gespickten Mitteilungsheften über Verteilaktionen vor der Schule, Plakaten, Aufstellern, Aufklebern, Präsentationen im Unterricht bis zu dem sogenannten Kreidebranding an der Tafel und Promotion-Platzierungen auf den Sitzbänken der Schüler.
Billa-Bons im Mitteilungsheft
Ist es Kindern wirklich zumutbar, dass Werbebotschaften in den Schulunterricht einfließen - zum Teil schon in der Volksschule? Aus Sicht des VKI nicht - im Falle der in Hunderten Schulen ausgeteilten Mitteilungshefte von Young Enterprises Media hat der VKI im März eine Klage eingereicht. Das Heft sei „in weiten Teilen“ eine „reine Werbezeitschrift“. Auf 17 von 56 Seiten finden sich Werbebotschaften und Gutscheine von Billa, Bipa, Dr. Oetker und vielen anderen.

Screenshot www.youngenterprises.at
Bis zu 19.000 Euro berappen Firmen für ein Inserat im Mitteilungsheft
Besonders streng sind die vertraglichen Auflagen, die eine Schule eingeht, wenn sie die Mitteilungshefte anfordert: Es dürfen keine andern Mitteilungshefte verwendet werden, und auch das Einbinden des Heftes mit einem Umschlag ist verboten, könnten dadurch doch Werbebotschaften verdeckt werden. „Das ist aggressive Werbung“ und widerspreche deshalb dem Kinderwerbeverbot, zeigt sich Peter Kolba, Leiter der VKI-Rechtsabteilung, gegenüber ORF.at empört. Stefan Siegl, Geschäftsführer von Young Enterprises Media, verteidigte die Vorgehensweise im Gespräch mit ORF.at - für die Schulen herrsche kein Zwang.
Lehrer als Überbringer von Werbebotschaften
Aus Sicht des VKI ist besonders problematisch, dass die Agentur das Autoritätsverhältnis der Lehrer gegenüber den Kindern ausnütze, da diese die Hefte austeilten. Gerade Volksschulen sollten eigentlich noch ein Freiraum von Werbung sein, zumal dort auch noch keine Konsumentenbildung betrieben werde - der VKI wünscht sich deshalb ein grundsätzliches Verbot von Unternehmenswerbung an Kindergärten und „zumindest“ Volksschulen.
Denn um einen Einzelfall handelt es sich bei dem Beispiel nicht, wie eine 2012 publizierte Studie des VKI zeigt. Die Untersuchung im Auftrag der Arbeiterkammer Tirol zeigt zahlreiche mehr oder weniger subtile Werbeformen an Schulen auf. Etwa für das Fach Wirtschaftskunde von Unternehmen zur Verfügung gestellte, aufwendig gestaltete Unterrichtsmaterialien wie „gebrandete“ Folien oder Spiele (z. B. eine Art Monopoly, aber mit den bekanntesten österreichischen Marken bedruckt), ein Transparent im Turnsaal einer Mittelschule für das 200 Meter entfernte McDonald’s-Fast-Food-Restaurant, von Raiffeisen verteilte Rucksäcke gefüllt mit Werbematerial oder Turnsackerl mit Geschenkbons für Sparbuchguthaben.
VKI: Verantwortung auf Direktoren abgewälzt
Kolba kritisiert im ORF.at-Interview, dass die Gesetzeslage die Verantwortung auf die Direktoren abwälze. Diese müssten von Fall zu Fall entscheiden, ob eine Werbung mit den Zielen der Schule vereinbar sei. Eine Aufgabe, die, so Kolba, die Schulleiter oftmals überfordere, da sie theoretisch auch mitprüfen müssten, ob nicht gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen würde.
Und während Schulleiter damit als Unternehmer hingestellt werden, zeige eine Umfrage, dass derartige Verträge nicht wirklich lukrativ seien: Laut Kolba verdienen die Schulen damit, wenn überhaupt, oft nur wenige Hundert Euro, während etwa im Fall des Mitteilungsheftes die Inserate den werbenden Firmen bis zu 19.000 Euro kosten. Im Fall des Mitteilungshefts etwa erhalten die Schulen lediglich die reine Sachleistung. In der Regel jedoch, so Siegl, würden die Schulen sehr wohl bezahlt - Geld, das die Schule dann für Anschaffungen und Investitionen verwenden könne.
Der VKI kommt in der Studie zu dem Schluss, dass „direkte Kaufaufforderungen“ und aggressive Werbung an Kinder zwar verboten seien, rechtlich gesehen die „Kinderwerbung“ jedoch ein Graubereich sei. Eine sichere Einschätzung, ob eine Werbung erfolgreich bekämpfbar ist, sei außerdem mangels Judikatur kaum möglich, erklärt Kolba, da die entsprechende Gesetzgebung noch sehr jung sei. Ob die Klage gegen das Mitteilungsheft erfolgreich ist, wird sich zeigen - Siegl glaubt nicht daran. „Das steht rechtlich gesehen auf sehr, sehr dünnen Beinen“, so der Leiter der Agentur. Denn ausdrückliche Kaufaufforderungen kämen in dem Heft nicht vor. Zudem richte sich die Klage nicht gegen einzelne Werbung, sondern das ganze Heft.
Maturareisen: Werbung für harte Getränke verboten
Zumindest in einem Punkt konnten die Konsumentenschützer im Vorjahr bereits einen Erfolg erzielen: Nach entsprechenden Klagen des VKI verzichten die beiden großen Maturareiseanbieter auf ihren Werbeveranstaltungen in Schulen auf aggressive Werbung für Alkohol. „Daran haben sie sich bis jetzt auch wirklich gehalten“, ist Kolba erfreut. Angesichts der Tatsache, dass für Alkohol ohnehin eine der wenigen ausdrücklichen Werbeverbote an Schulen besteht, ein bescheidener Fortschritt.
Petra Fleck, ORF.at
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