Gold und Silber aus der Tube
Jugendlicheres Aussehen, weißere Zähne, glänzenderes Haar: Dank modernster Hightech-Produkte sollen solche Versprechen bald Wirklichkeit werden. Möglich macht dies angeblich das boomende Forschungsfeld der Nanotechnologie. Bisher ist die Wirkung von Nanopartikeln zwar kaum erforscht, dennoch sind sie längst in Cremetiegeln und -tuben angekommen.
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Die ersten Spuren des Älterwerdens einfach wegschmieren - lange scheiterten die Versprechen der Kosmetikindustrie daran, dass die Pflegestoffe nur an der Hautoberfläche ihre Wirkung entfalten konnten. Doch um das Hautbild tatsächlich zu verändern, müssen Lipide stark verkleinert werden, damit die Wirkstoffe tiefer in die Hautschichten vordringen können und so in den Zellen selbst wirken. Die Lösung fand schließlich der französische Konzern Dior.
„Nanopearls“, die unter die Haut gehen
Die Technik dahinter ist denkbar einfach. Durch Hochdruckhomogenisation (ähnlich wie bei der Homogenisierung von Milch) werden Lipide aus Pflanzenfetten oder Wachsen in winzig kleine Tröpfchen zerlegt. Die Nanolipidpartikel sind aufgrund ihrer Größe von nur 50 bis 1.000 Nanometer transparent, lassen sich auf der Haut leicht verteilen, ziehen schneller ein und sind länger haltbar.
Nanometer
Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters oder in einer Zahl ausgedrückt: 0,000001 Millimeter.
Das Besondere an den Minifetttröpfchen aber ist, dass sie ausgezeichnet als Transportvehikel für Wirkstoffe wie Vitamine, Koenzyme, aber auch Mineralien und Metalle dienen und diese dann direkt in tiefere Hautschichten schleusen. Dieses Trägersystem wurde erstmals von Dior 1986 in der Pflegeserie Capture vorgestellt – und löste in der Kosmetikindustrie eine kleine Revolution aus. Die Nanoforschung gehört heute zu den am stärksten wachsenden Forschungsfeldern in der Kosmetik. 2011 wurden fast 31 Mrd. Dollar mit Hightech-Kosmetik umgesetzt, 2018 dürften es bereits 42 Mrd. Dollar sein.
Gold für den Teint, Vulkanasche für die Wimpern
Nanotechnologie findet sich heute bereits in zahlreichen Produkten von der Sonnencreme bis zu Haarshampoos. So sorgt Titandioxid für einen besonders hohen UV-Schutz, Calciumphosphat hilft in einigen Zahncremen bei schmerzempfindlichen Zähnen und Silizium gegen schütteres Haar. Aluminium sorgt für geruchsfreie Achseln, Gold und Silber in Gesichtscremen für ein frischeres Aussehen, und Platin für faltenfreie Haut - aber alles in einer Größenordnung von Molekülen oder Atomen.
Der Kreativität sind hier scheinbar keine Grenzen gesetzt - nur der Konsument tappt meist im Dunkeln, wie viel „Nano“ sich in den Tiegeln und Tuben tatsächlich befindet. Das ist insofern problematisch, als man noch zu wenig darüber weiß, wie Nanopartikel im Körper wirken. So kann auch ein harmloser Ausgangsstoff im Nanoformat ein unerwünschtes Verhalten zeigen. Aufgrund ihrer Größe können bestimmte Nanopartikel auch durch die Zellmembran eindringen und dort Schäden verursachen.
Nanoteilchen als großes Rätsel
Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen. So gibt es Hinweise darauf, dass Nanopartikel etwa durch das Einatmen tief in die Lunge eindringen können und - ähnlich wie Asbest - dort Entzündungen auslösen können. Nanosilber, das wegen seiner antibakteriellen Wirkung immer öfter in den verschiedensten Produkten Anwendung findet, könnte zu Umweltschäden beitragen. Auch legen erste Versuchsreihen nahe, dass Fullerene (Kohlenstoffmoleküle, die Anti-Falten-Cremen beigemischt werden) im Körper unerwünschte Effekte auslösen können. Doch es fehlen fast überall noch aussagekräftige Studien.
Etwas besser untersucht ist Nanotitandioxid (TiO2), da es durch die Verwendung in Sonnencremen zu den am häufigsten verwendeten Materialien gehört. Auch hier fehlt es an Langzeitstudien, aufgrund von Tierversuchen wurde es jedoch von der amerikanischen FDA (Food and Drug Administration) als „möglicherweise krebserregend für den Menschen “ eingestuft. Und auch wenn das Risiko sehr gering ist, wird deshalb vor der Anwendung von TiO2-haltigen Kosmetika auf verletzter Haut gewarnt.
Dazu kommt noch, dass die Informationslage für den Konsumenten völlig undurchschaubar ist. So werden Produkte mit dem Begriff „Nano“ beworben, die gar nicht in diese Kategorie gehören. Auf der anderen Seite werden Produkte wie Sonnencremen, wo Nanopartikel bereits seit Jahren zum Einsatz kommen, meist nicht als solche ausgewiesen. In den meisten Ländern Europas gibt es zudem keine Hinweispflicht.
Streit über neue Verordnung
Das soll sich ab dem 11. Juli ändern, wenn die neue EU-Kosmetikverordnung in Kraft tritt. Dann müssen alle synthetisch hergestellten Inhaltsstoffe im Nanobereich als solche gekennzeichnet werden. Doch Susanne Stark vom Verein für Konsumenteninformation zweifelt an einer raschen Umsetzung. „Das Problem ist, dass die meisten Materialien nicht nur in Nanoform vorliegen, sondern auch als größere Teilchen. Es gibt aber keinen Prozentsatz, ab wann Nanopartikel zu deklarieren sind“, erklärt Stark. Das sei momentan noch der große Streitpunkt. Ein Kompromiss mit der Industrie ist gescheitert, und man hat nun eine verbindliche Definition für das nächste Jahr angekündigt. „Ich weiß nicht, was jetzt deklariert wird, denn die eigentliche Definition steht ja noch aus.“

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Dank Nanotechnologie sind moderne Sonnencremen nicht mehr klebrig und weiß
Druck kommt vor allem aus Ländern wie Italien, den Niederlanden, Deutschland und Frankreich, das als einziges EU-Land bisher eine Berichtspflicht für alle Unternehmen eingeführt hat, die mehr als 100 Gramm Nanopartikel pro Jahr herstellen, importieren oder vertreiben. Ab November sollen die Produkte auch veröffentlicht werden. Einer Produktliste steht Österreich skeptisch gegenüber. „Wir haben uns das genau angesehen, aber gerade in der Kosmetik ändern sich die Produkte so schnell, dass es dem Konsumenten mehr bringt, direkt am Produkt die Anwesenheit eines Nanomaterials feststellen zu können“, erklärte Karin Gromann, zuständig für Verbraucherschutz im Gesundheitsministerium.
Sonnencremen „keine Bedrohung“
Bei den Produkten, die derzeit auf dem Markt sind, seien Bedenken jedoch unangebracht, beruhigt Gromann. „Die Produkte sind alle durch strenge Verfahren gegangen, bei denen die EU-Kommission die Inhaltsstoffe geprüft und für sicher befunden hat.“ Auch habe die Forschung in den letzten Jahren hier stark aufgeholt, wenn auch noch in manchen Bereichen weiterer Forschungsbedarf bestehe, wie Gromann einräumt. Bei Produkten wie Sonnencremen, wo etwa Titandioxid einen weit besseren UV-Schutz bietet als herkömmliche Inhaltsstoffe, übersteige der Nutzen jedoch deutlich das Risiko.
„Die Bevölkerung braucht sich nicht bedroht zu fühlen", versichert auch Stark vom VKI. Dennoch bleibt der Konsument mit der Frage, wo und wie viel Nanotechnologie bei Pflege- und Beautyprodukten eine Rolle spielt, alleingelassen. Allen, die sich über mangelnde Informationen ärgern, rät Stark dazu, direkt bei den Herstellern nachzufragen oder auf der Homepage Nanoinformation.at des Gesundheitsministeriums seine Wünsche zu deponieren. Aber spätestens 2014 sollten auf allen Produkten Nanopartikel ausgewiesen werden. Dann kann der mündige Konsument selbst entscheiden, wie viel „Nano“ er künftig auf seiner Haut erlaubt.
Gabi Greiner, ORF.at
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