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Open-Air-Zirkus mit Nostalgiefaktor

Wiederhören macht Freude: Das scheint seit Jahren das Motto der Sommerfestivals zu sein. Vor allem bei den Hauptacts sind Deja-vus wohl mehr erwünscht als zufällig. Darunter mischen sich aber auch Bands, deren aktive musikalische Schaffensphase schon länger her ist - womit der Festivalauftritt nach reiner Pensionsvorsorge riecht.

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Festivals haben sich in den vergangenen Jahren auch in Österreich zu einem Millionengeschäft entwickelt - und da geht man gerne auf Nummer sicher. Aus einem staubigen Feld im Nirgendwo ein Gelände mit funktionierender Infrastruktur zu schaffen, ist nicht gerade billig. Und auch die Bandgagen sind zuletzt markant gestiegen: Mit den Gewinneinbrüchen beim Tonträgerabsatz machen große Acts die Kasse eben beim Touren.

Keine Experimente

Und hier beherrschen einige wenige große globale Veranstaltungsagenturen den Markt, sie haben international fast alles unter Vertrag, was auf einer Festivalbühne stehen will. Diese werden dann lokal verteilt. Und auch in Österreich gibt es praktisch ein Veranstaltermonopol, die Firmengruppe rund um die Barracuda Holding veranstaltet fast jedes größere Festival.

Und dann werden vermeintlich feste Werte gebucht, vor allem als Headliner. Experimente mit Newcomer-Bands finden wenn dann auf Nebenbühnen oder am frühen Nachmittag statt. Die Publikumskritik hält sich in Grenzen. Nicht nur böse Zungen behaupten, dass Festivals als Event an sich gesehen werden, egal wer spielt, solange es sich einigermaßen im erwarteten Bereich bewegt.

Nick Cave

APA/AP/John Shearer

Nick Cave ist wieder mit den Bad Seeds unterwegs

Geriatrie und Festival

Allerdings durchlebt auch das gitarrenlastige Genre und damit der klassische Festivalbandbereich gerade eine Dürrephase. Bei Neuentdeckungen, die international für Furore sorgen, ist seit drei, vier Jahren eher Sendepause – und auch daher müssen die Älteren herhalten. Den Vogel in Sachen Geriatrie und Festival haben heuer übrigens die Briten abgeschossen. In Glastonbury wurden die Rolling Stones als Headliner engagiert.

Neues von Alten, zumindest teilweise

Einiges zu entdecken bietet jedenfalls das FM4-Frequency von 15. bis 17. August in St. Pölten, ehe es dann am Abend mit bekannten Gesichtern zur Sache geht. Immerhin: Die Toten Hosen befinden sich auf spätem Karrierehoch, Nick Cave präsentierte vor kurzem ein neues Album.

Ein Wiedersehen gibt es unter anderen mit den Indie-Lieblingen Franz Ferdinand, den Punk-Urgesteinen Bad Religion und den offenbar wiedervereinigten Skunk Anansie - allesamt Bands, von denen man schon lange nichts gehört hat. Prominenter werden System of a Down antreten, und das obwohl sich die US-Band standhaft weigert, nach ihrem Tourcomeback ein neues Album aufzunehmen - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Rockdinosaurier geben den Ton an

Beim Nova Rock von 14. bis 16. Juni im burgenländischen Nickelsdorf geben neben den offenbar unvermeidlichen Rammstein heuer Kiss die Headliner. Die Kings of Leon komplettieren die Hauptacts. Dazu erfährt man aber bei Durchsicht des üppigen Line-Ups, dass es die Finnen HIM und auch Korn noch gibt - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Das Seerock am steirischen Schwarzlsee bietet mit Limp Bizkit eine ähnliche Überraschung. Die durch die Modeerscheinung Nu Metal vor mehr als zehn Jahren hochgespülte Band von Fred Durst hat immerhin zuletzt einen neuen Song veröffentlicht. Ansonsten setzt das Seerock auf die Dinosaurier Iron Maiden, Slayer und Motörhead.

Lemmy Kilmister

APA/EPA/Antonio Lacerda

Herr Kilmister bei der Arbeit

Bei Letzteren bleibt zu hoffen, dass Sänger Lemmy Kilmister mit 67 Jahren inzwischen gelernt hat, auf seinen Flüssigkeitshaushalt zu achten: 2005 musste er wegen Dehydration eine Tour absagen, er hatte sich - so die Legende - trotz Affenhitze geweigert, etwas anderes als Whiskey-Cola zu trinken.

Und es hat Bumm gemacht

Freunde der eher elektronischen Musik kommen bei Urban Art Forms von 4. bis 6. Juli am Schwarzlsee auf ihre Kosten, auch wenn die Headliner eher in anderen Genres zu Hause sind. Bei den deutschen Seeed und Deichkind könnte man aufgrund der Besuchsdichte meinen, Österreich gefalle ihnen besonders gut. Ein Phänomen bleiben The Prodigy. Die schaffen es immer wieder zum Hauptact, ohne seit dem Album „The Fat of the Land“ (1997) einen nennenswerten neuen musikalischen Gedanken hervorgebracht zu haben. Ausweichmöglichkeiten gibt es mehr als genug, die Reihe der sonstigen Künstler ist mehr als lang - fm4.ORF.at.

Durchgehend einschlägiger besetzt ist das Beatpatrol von 31. Mai bis 2. Juni, dort geben die 2007 groß gefeierten Franzosen Justice ein DJ-Set, mit dabei sind auch Klangkarussell und der US-Electro-House-DJ Steve Aoki. Liebhaber der leichteren Muse können beim Electric Love Festival von 12. bis 14. Juli und beim Lake Festival am 24. August ebenfalls am Schwarzlsee den dröhnenden Beats frönen und den Tag zur Nacht machen.

Im Schatten der Großen

Unter die Festivalveranstalter ist auch die Umweltorganisation Global 2000 getreten. Von 30. Mai bis 2. Juni setzt man auch beim AKW Zwentendorf auf bewährte Kräfte. Immerhin gelten die Fantastischen Vier als kurzweilige Liveband - Ähnliches ist auch über die Briten Kaiser Chiefs und Maximo Park zu sagen - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Zum Geheimtipp gemausert hat sich das Acoustic Lakeside in Kärnten, das in viel kleinerem Rahmen einiges bietet: Am Sonnegger See in Kärnten von 26. bis 27. Juli ist mit Bush zwar auch eine Band einer der Headliner, die den Karrierezenit eher überschritten haben, dafür kann sich der Rest sehen lassen - etwa die französische Sängerin SoKo, die Londoner Crystal Fighters und Fanfarlo, die als britische Antwort auf Arcade Fire gelten.

Gemischte Platte in Wiesen

Auch Wiesen, ob seiner überschaubaren Größe wohl das charmanteste Festivalgelände Österreichs, bietet ein buntes Sommerprogramm. Am 13. Juli sind etwa die Arctic Monkeys, Bloc Party und Kate Nash, also allesamt Künstler, die kein Abo auf Österreich-Besuche haben.

Publikum vor Bühne

APA/Herbert P. Oczeret

Wiesen gilt als Wiege des österreichischen Musikfestivals

Dezidiert auf Retro setzen die Lovely Days am 6. Juli unter anderen mit ZZ Top und Status Quo. Die beiden Bands beehren am nächsten Tag auch die Burg Clam in Oberösterreich, wo den ganzes Sommer reges Treiben herrscht. In Wiesen geht am 7. und 8. Juni erstmals das Hip-Hop-Festival Krunk an den Start. Zum Nova Jazz & Blues Night Festival am 20. Juli kommen Jamie Cullum sowie Jestofunk, Al Jarreau und Marla Glen. Paul Kalkbrenner wird am 3. August das Wiesen-Zelt in einen Dancefloor verwandeln. Am 24. August wird beim Sunsplash Festival Hans Söllner wohl ein Loblied auf Selbstgepflanztes anstimmen. Und am Two Days a Week, am 30. und 31. August, sind mit den Deftones und The Darkness wieder Bands dabei, die eher versuchen, an alte Erfolge anzuschließen.

Punkopa Iggy gibt sein letztes Hemd

Musikalisch interessant verspricht das eintägige Full Hit Of Summer Festival am 20. Juni 2013 in der Wiener Arena zu werden, wo etwa mit Modest Mouse und British Seapower Bands abseits der Festivaltrampelpfade aufspielen. Am 5. Juli geben sich Calexiko und Amanda Palmer ein Stelldichein.

Iggy Pop

APA/EPA/Peter Nyikos

Iggy Pop hat seine Stooges reanimiert

Die Arena gibt aber auch die Altersmarschroute vor, was die Einzelkonzerte der heurigen Open-Air-Saison betrifft. Am 9. August wird Punkopa Iggy Pop mit seiner Urband The Stooges für die Fans auch als 66-Jähriger das letzte Hemd geben. Einige Wochen zuvor, am 10. Juli, gastieren die Smashing Pumpkins in der Arena, wohl vor Fans, die auch eher alte denn neue Songs hören wollen.

Krieau und Donauinsel als neue Locations

Auch in der im Vorjahr erstmals als Location verwendeten Trabrennbahn Krieau geben mittlerweile leicht angealterte Herren den Ton an. Am 17. Mai werden Bon Jovi zeigen, wie sie den Ausstieg des musikalischen Masterminds Richie Sambora auf laufender Tour und die Kritikerhäme für das neue Album verkraftet haben. Am 29. Mai spielen die US-Punks Green Day und am 29. Juni die Ärzte. Am 17. Juli beehrt schließlich Robbie Williams die Trabrennbahn.

Im Wiener Happel-Stadion wiederum gastiert am 27. Juni Paul McCartney (dann 71), Roger Waters (69) inszeniert dort am 23. August das Album „The Wall“ seiner Band Pink Floyd. Einen neuen Versuch gibt es auch, die Wiener Donauinsel zu nutzen, bis auf Gratisevents hat sich das schon länger niemand mehr getraut. So ist am 28. August Xavier Naidoo zu sehen und am 31. August der deutsche Rapper Cro. Tags zuvor gibt es auch mit Inselblech ein Event, das Bands mit Bläsern als tragendes Element vereint. Eine Art Woodstock der Blasmusik findet mit teils anderer Besetzung auch von 27. bis 30. Juni in Ort im Innkreis statt.

Nicht alles kostet Eintritt

Und schließlich sind auch die traditionellen kostenlosen Events fixe Bestandteile des Open-Air-Sommers: Über das Donauinselfest, heuer von 21. bis 23. Juni, muss man sowieso keine Worte verlieren. Das Linzfest von 18. bis 20. Mai im Linzer Donaupark bietet unter anderen Blumentopf und die Hidden Cameras - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Das Donaukanaltreiben von 7. bis 9. Juni in Wien hat sich mit heimischen Acts bereits etabliert, ebenso wie das Popfest auf dem und rund um den Karlsplatz. Die Leistungsschau österreichischer Musik findet vom 25. bis zum 28. Juli statt - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Immer mehr Zuspruch findet auch das Hafen Open Air, auch wenn dort die Austropop-Altherrendichte manchmal ein wenig hoch ist und das Engagement der Münchener Freiheit heuer vielleicht nicht ganz von Geschmackssicherheit zeugt. Am 16. und 17. August wird jedenfalls im Albener Hafen wieder gerockt. Traditioneller Ausklang der Wiener Freiluftsaison ist der Gürtel Nightwalk am letzten Samstag im August.

Christian Körber, ORF.at

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