„Verlorenes, mitleiderregendes Kind“
Vier Millionen Dollar (3,06 Mio. Euro) allein an Vorschuss soll die 25-jährige US-Studentin Amanda Knox vom Verlag HarperCollins für ihre Memoiren bekommen haben - nun hat sie geliefert. In dem Buch schildert sie den spektakulären Mordfall an der 21-jährigen Britin Meredith Kercher, dessentwegen Knox zuerst verurteilt, dann freigesprochen wurde und nun wieder als Verdächtige gilt.
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Ende März hatte das italienische Kassationsgericht den Freispruch aufgehoben und die Neuverhandlung des Falles angeordnet. HarperCollins - Teil des Medienimperiums von Rupert Murdoch - dürfte sich wohl über die umsatzsteigernde Wirkung des Gerichtsbeschlusses freuen. Branchenintern waren die kolportierten vier Millionen Dollar für Knox als gewagtes Investment gewertet worden: Man war davon ausgegangen, dass Knox’ Memoiren eineinhalb Jahre nach dem Freispruch keinen Bestseller mehr abgeben würden.
Großangelegte PR-Kampagne
Knox tut jedoch nun das Ihre, um dem Buch zum Erfolg zu verhelfen. In einer großangelegten PR-Kampagne mit Interviews in Printmedien und TV bewirbt sie das Buch und nützt die Auftritte zugleich für Plädoyers in eigener Sache. Wenig verwunderlich findet sich auch auf den 504 Seiten des Buchs ausschließlich ihre Darstellung der Geschehnisse seit dem 2. November 2007, als Kercher in der gemeinsamen Wohnung der beiden in der italienischen Universitätsstadt Perugia mit 40 Messerstichen ermordet wurde.

APA/AP/ABC/Ida Mae Astute
Knox bei der Aufzeichnung des TV-Interviews beim Sender ABC
Das Buch mit dem Titel „Waiting to Be Heard“ (deutsch: „Zeit, gehört zu werden“) erscheint am Dienstag. Der Inhalt ist größtenteils schon bekannt, weil ausgewählte Medien das Buch als Teil der PR-Taktik schon vorab erhielten. Knox schildert sich darin als naives Mädchen, das unschuldig in die Fänge einer irregeleiteten Justiz geriet und der schließlich, nach folterartigen Zuständen in der Haft, durch den - inzwischen aufgehobenen - Freispruch in zweiter Instanz im Jahr 2011 Gerechtigkeit widerfährt.
„Amanda Knox, die ihre Eltern liebt“
Sie sei die „Maus in einem Katz-und-Maus-Spiel“ und ein „verlorenes und mitleiderregendes Kind“ gewesen, zitierte die „New York Times“ („NYT“) aus dem Buch. Vor den Ermittlern sei ihr vor allem wichtig gewesen: „Ich wollte nicht, dass sie mich für einen schlechten Menschen halten. Ich wollte, dass sie mich so sehen, wie ich war - als Amanda Knox, die ihre Eltern liebt, gut in der Schule ist, Obrigkeiten respektiert und deren einziger Konflikt mit dem Gesetz eine Verwaltungsstrafe wegen Lärmerregung“ bei einer Party in ihrer Heimatstadt Seattle gewesen sei.

Droemer
Buchhinweis
Amanda Knox: Zeit, gehört zu werden. Droemer/Knaur, 504 Seiten, 19,99 Euro.
Von der Darstellung aus dem Mordprozess, dass sie eine nymphomanische Psychopathin sei, findet sich in dem Buch naturgemäß keine Spur. Ihre häufig wechselnden Männerbekanntschaften sowie den konstanten Konsum von allerlei weichen Drogen erklärt sie vielmehr damit, dass sie allzu naiv gewesen sei und sich gerade deshalb von ihrem Umfeld zu diesem Lebenswandel verführen habe lassen. Auf Prozessaussagen, die sie als treibende Kraft der Clique geschildert haben, geht sie nicht ein.
Beatles, Joints, „Amelie“, „Harry Potter“
In der Mordnacht will sie mit ihrem damaligen Lebensgefährten Raffaele Sollecito in dessen Wohnung reichlich Marihuana konsumiert, Beatles-Lieder auf der Gitarre gespielt, den Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“ angesehen und ihm danach aus „Harry Potter“ vorgelesen haben. Ihr eigentümliches Verhalten danach - bei Verhören, Tatrekonstruktionen, aber vor allem, dass sie in Verhören einen unschuldigen örtlichen Barbesitzer als Täter nannte - erklärt sie damit, dass alles „so surreal und einschüchternd“ gewesen sei.
Jene, die an ihrer Unschuld weiter zweifeln, wird sie mit der Darstellung wohl kaum überzeugen können. Nach eigenen Worten hofft sie jedoch darauf - bis hin zu den Eltern der getöteten Meredith Kercher, die wesentlich für die Wiederaufnahme des Verfahrens verantwortlich waren. Im TV-Interview mit dem Sender ABC sagte Knox nun, dass sie hoffe, auch von Kerchers Eltern gehört zu werden. Es sei „schmerzvoll“, für eine Killerin gehalten zu werden: „Ich hoffe wirklich, dass sie mein Buch lesen werden.“
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