Freispruch aufgehoben
Der Fall Amanda Knox muss neu aufgerollt werden. Das Kassationsgericht in Rom, das höchste italienische Gericht, hob Ende März den Freispruch der US-Studentin und den ihres Ex-Freundes Raffaele Sollecito auf. Ein neuer Prozess muss gegen die beiden in Florenz stattfinden, bestimmten die Kassationsrichter.
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Die Richter stimmten somit der Forderung der Staatsanwaltschaft von Perugia zu, die Berufung gegen den im Herbst 2011 gefällten Freispruch der beiden Hauptangeklagten im Fall des Mordes an der britische Studentin Meredith Kercher im Jahr 2007 eingereicht hatte.

APA/EPA/Dan Levine
Tränen der Erleichterung bei Knox’ Ankunft 2011 in Seattle
Knox „bestürzt“
Knox reagierte bestürzt auf die Nachricht, dass ein neuer Prozess beginnen wird. Sie sei „überrascht, weil wir dachten, dass der Fall abgeschlossen ist“, sagte Knox’ Anwalt Carlo dalla Vedova dem Nachrichtensender CNN. Knox sei aber „bereit weiterzukämpfen“. Seit ihrer Rückkehr in die USA nach ihrem Freispruch im Herbst 2011 lebt Knox in Seattle. Auch Sollecito, der ins Schweizer Tessin gezogen ist, hatte gehofft, „man könnte einen Schlussstrich unter diese Sache ziehen“. Das sagte er laut ANSA seinem Verteidiger Luca Mauri.
Mit der Aufhebung des Urteils müssen Knox und Sollecito in Italien derzeit aber nicht wieder ins Gefängnis. Ein Antrag auf Verhaftung können die Staatsanwälte nur im Fall einer letztinstanzlichen Verurteilung einreichen. Da Knox und Sollecito im Oktober 2011 in Perugia zweitinstanzlich freigesprochen wurden, bleiben sie auf freiem Fuß. Auch eine Auslieferung seiner Mandantin sei laut Dalla Vedova nur möglich, wenn sie beim Berufungsprozess in Florenz für schuldig erklärt und dieses Urteil vom Kassationsgericht letztinstanzlich bestätigt würde.
Die USA müssten in diesem Fall beschließen, ob sie Knox an Italien ausliefern wollen. Zwischen Italien und den USA besteht seit Oktober 1983 ein Auslieferungsabkommen. Die italienischen Justizbehörden könnten sich jedoch mit den USA einigen und Amanda die Haftstrafe in ihrer Heimat absitzen lassen. Nach der erstinstanzlichen Verurteilung von 26 Jahren Haft hatte Knox bereits vier Jahre in Perugia hinter Gittern verbracht.
Opferfamilie begrüßt Urteil
Die Schwester der Getöteten sagte: „Ich bin glücklich.“ Es gebe „noch immer unbeantwortete Fragen, und wir suchen alle nach der Wahrheit“, sagte Stephanie Kercher dem britischen Sender Sky News. Als die Entscheidung des Kassationsgerichts verlesen wurde, begrüßte sie der Anwalt der Familie Kercher, Francesco Maresca, mit einer geballten Faust als Siegeszeichen. „Ich hatte Vertrauen in die Kassationsrichter. Der Freispruch von Knox und Sollecito war das Resultat von zu vielen Fehlern“.
Spektakulärer Mordfall
Auch der Generalstaatsanwalt im Höchstgericht, Luigi Riello, begrüßte das Urteil. „Die Kassationsrichter haben eingesehen, dass unsere Berufung gegen den Freispruch Fundament hatte“, so Riello.
Kercher war Anfang November 2007 in Perugia getötet worden. Sie war mit durchschnittener Kehle, halbnackt und mit Dutzenden Messerstichen übersät in der gemeinsamen Wohnung aufgefunden worden. Die kriminaltechnischen Untersuchungen ergaben, dass sie unmittelbar davor Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Laut der Anklage wurde sie im Zuge von ausufernden Sexspielen vergewaltigt und getötet. 2009 wurden Knox und Sollecito in erster Instanz schuldig gesprochen und zu 26 und 25 Jahren Haft verurteilt. 2011 wurden Knox und Sollecito in zweiter Instanz vom Vorwurf, Kercher getötet zu haben, aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Schwere logische und juristische Fehler
Das zweite Berufungsverfahren war bereits nach ihrem Freispruch beantragt worden. Die Staatsanwaltschaft von Perugia hatte argumentiert, die Richter hätten in dem Berufungsverfahren mit dem Freispruch „den Kompass verloren“.
Das Urteil enthalte schwere logische und juristische Fehler, hatte die Staatsanwaltschaft begründet. Die Richter von Perugia hätten die erstinstanzliche Verurteilung der beiden Angeklagten „banalisiert“ und sie auf lediglich vier Gründe reduziert, sagte Riello. Alle Bedingungen seien vorhanden, damit der „Vorhang über den Fall Meredith“ nicht falle.
Ivorer Guede wegen Beihilfe in Haft
Der Ivorer Rudy Hermann Guede befindet sich weiterhin hinter Gittern. Er war wegen Beihilfe zum Mord und sexueller Gewalt zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Guede könne nicht allein für dieses Delikt verantwortlich gemacht werden, sagte Riello. In allen Blutlacken, die am Tatort gefunden worden waren, seien auch DNA-Spuren von Knox vorhanden gewesen.
Verurteilung wegen Verleumdung bestätigt
Bestätigt hatte das Kassationsgreicht im Spruch von Ende März zudem Knox’ zweitinstanzliche Verurteilung wegen Verleumdung. Knox war wegen Verleumdung des kongolesischen Barmannes Patrick Lumumba, den die Amerikanerin kurz nach ihrer Festnahme des Mordes an der britischen Austauschstudentin Kercher beschuldigt hatte, von einem Schwurgericht in Perugia zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht hatte somit das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Die Haftstrafe von drei Jahren hatte die Amerikanerin aber bereits abgesessen.
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